Kann mir jemand verständlich machen, weshalb erwachsene Menschen stundenlang einen Kanonenschlag oder andere Lärm und Gestank erzeugende Knallkörper zur Explosion bringen - und das nicht nur um null Uhr zu Beginn des neuen Jahres, sondern bis um vier Uhr morgens des neuen Tages, als würden sie dafür nach Sondertarif mit Nacht- und Schichtzuschlag bezahlt, während sie tatsächlich dabei ihr angeblich so knappes oder jedenfalls sauer verdientes Geld in Rauch aufgehen lassen.

Man komme mir nicht mit der Erklärung "böse Geister verjagen". Diese kann man für ein Volk auf primitiver Entwicklungsstufe gelten lassen, - oder trifft diese Definition etwa auch auf die heutigen Deutschen und die übrigen Völker zu, bei denen dieses Lärmspektakel üblich ist?

Ich gebe zu, daß diese Seuche um die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts noch exzessiver praktiziert wurde: Da knallte es - jedenfalls in meiner Stadt - bereits an Heiigabend im Minutentakt, als sei der letzte Tag des Jahres angebrochen.

Welche primitiven Bedürfnisse eines durchschnittlich gebildeten Menschen werden von dem Erlebnis gedeckt, einen starken, aber kurzen Knall zu erzeugen - und das immer wieder, am laufenden Band?

Was ist so wahnsinnig toll daran, eine Feuerwerks-Rakete nach der anderen hundert Meter in die Höhe zischen zu lassen, wo sie dann ebenfalls mit einem Knall zerstiebt?

Daß Kinder oder Jugendliche davon fasziniert werden, kann ich noch nachvollziehen; - aber Erwachsene?

Und warum kommen Eltern nicht auf die Idee, ihren Kindern eine andere, gesittete Art der Feier eines Jahreswechsels vorzuleben?

Am Morgen des 1. Januar liegt dieses Volk wie betäubt in den Betten. Statt einen solchen Tag ausgeruht und frisch zu beginnen, müssen sich die Akteure des schwachsinnigen Lärm-Terrors ebenso wie dessen passive Erleider erst einmal von der vergangenen Nacht erholen. Ein großer Teil des neuen Tages ist dahin.

Wie die in dieser Zeit ohnehin notleidenden Tiere, insbesondere die Vögel, unter dem irren Spektakel zu leiden haben, daran darf man gar nicht denken.

Das gleiche gilt selbstverständlich auch für kranke und betagte Menschen, die auf eine ungestörte Nachtruhe angewiesen sind. Für diese muß die Silvesternacht ein Martyrium sein.

Wir kennen den Slogan der christlichen Kirchen: "Brot statt Böller", mit dem dazu aufgerufen wird, das ersparte Geld für die Welthungerhilfe zu spenden.

Ich möchte den Aufruf zusätzlich variieren:

"Kultur statt Böller!"