+ Auf Thema antworten
Seite 1 von 7 1 2 3 4 5 ... LetzteLetzte
Zeige Ergebnis 1 bis 10 von 67

Thema: Lohndumping - "Das ist ja moderne Leibeigenschaft!"

  1. #1
    Freiheitsstatue Benutzerbild von Rutt
    Registriert seit
    25.01.2009
    Beiträge
    829

    Standard Lohndumping - "Das ist ja moderne Leibeigenschaft!"

    Ein Monatslohn von 160 Euro? Für "Aufstocker" kann das Realität werden. Der bundesweite Trend zum Lohndumping ist auch im Norden zu spüren.

    Bruttolohn!
    Eine Bürokraft, die 4,74 Euro Stundenlohn bekommt, ein Web-Entwickler in Festanstellung, der mit einem Stundenlohn von 3,75 Euro nach Hause geht, eine Haushaltshilfe, die pro Stunde drei Euro erhält, oder ein Pizzafahrer, dessen Dienst mit 4,35 Euro pro Stunde entlohnt wird. All das sind aktuelle Fälle und ein Bruchteil dessen, was die Ordner in den Sozialzentren des Kreises füllt, in denen sich die Anträge der so genannten "Aufstocker" sammeln - in immer schnellerem Tempo. Hier wird an der Basis greifbar, was längst bundesweiter Trend ist: Die Agentur für Arbeit verkündet eine stetige Abnahme der Arbeitslosenzahlen, zugleich aber steigen die Soziallasten bundesweit auf nie da gewesene Höhen.

    Die Entwicklung ist mit Zahlen zu greifen: Fast 3,5 Millionen Euro werden im Kreis und in Flensburg monatlich aus Steuergeldern bezahlt, um Arbeitnehmern über die Hürden zu helfen, die trotz Beschäftigung nicht genug für ihren Lebensunterhalt verdienen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag hervor. Demnach ist jeder vierte Arbeitnehmer im Kreis Schleswig-Flensburg im Niedriglohnbereich beschäftigt (27,5 Prozent) und muss "aufstocken", darunter viele alleinerziehende Frauen in Teilzeit. Arbeitgeber nutzt die entsprechenden Regeln der Hartz-IV-Gesetzgebung aus, um Lohnkosten zu sparen. Bei der Sozialverwaltung sieht man es mit Sorge, kann jedoch kaum etwas dagegen tun.

    Nicht mehr Geld, aber weniger Kontrolle?

    In dem Schreiben eines Arbeitgebers, das der Redaktion vorliegt, wird einem Arbeitnehmer bei einer 39-Stunden-Woche ein Verdienst von 160 Euro bescheinigt. Das Schreiben ist an eines der Kreis-Sozialzentren gerichtet und dient der Beantragung einer "Aufstockung". Das Arbeitsverhältnis geht offenkundig aus einem geförderten Ein-Euro-Job hervor. Der Arbeitnehmer wird geködert mit der Aussicht, zwar nicht mehr Geld als zuvor zu verdienen, aber dem Ärger und der Kontrolle durch das Sozialzentrum zu entgehen. Kein Einzelfall.

    "Das deckt sich mit unseren Erfahrungen", sagt Ute Dirks von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Schleswig. Im vergangenen Jahr hatte die Gewerkschaft eine große Aktion gegen Billigjobs und für Mindestlöhne initiiert. Dabei hätten sich zwar zahlreiche Betroffene gemeldet, sagt Dirks. Aus der Anonymität heraus gewagt habe sich nicht ein einziger. Dirks: "Aus Angst um ihren Job und davor, wieder in Hartz IV hineinzugeraten." Ein Monatsgehalt von 160 Euro sei ihr aber noch nicht untergekommen, so Dirks entsetzt. "Das ist ja moderne Leibeigenschaft! Entweder Du akzeptierst, oder Du landest wieder in der Tretmühle."

    Die wahren Schmarotzer

    Auch einen weiteren belegbaren Fall bezeichnet die Gewerkschafterin als "unglaublich": Ein Einzelhändler aus dem Kreisgebiet, der einem Mitarbeiter nur 4,50 Euro brutto pro Stunde zahlt, hat beim Sozialzentrum einen Antrag auf Eingliederungshilfe gestellt. Das heißt: noch einmal 50 Prozent Gehaltsrabatt. Für den Job zahlt der Steuerzahler also gleich doppelt: Aufstocker-Mittel und Eingliederungszuschuss.


    Erste Prozesse gegen Arbeitgeber

    Martje Haese, Fachdienstleiterin Regionale Integration beim Kreis, bezeichnet diesen Fall staatlich subventionierter Arbeit als "besonders dreist", muss aber zähneknirschend zugeben, dass der Behörde die Hände gebunden sind. "Solche Arbeitsverträge sind formal förderungsfähig. Ob sie auch förderungswürdig sind, steht auf einem anderen Blatt." Arbeitsrechtliche Schritte gegen sittenwidrige Dumpinglöhne seien aus Sicht des Bundesarbeitsgerichtes erst dann möglich, wenn weniger als zwei Drittel des örtlichen Stundenlohns gezahlt würden, erklärt Haese und betont, dass in Mecklenburg-Vorpommern die Arbeitsverwaltung ihre Gangart inzwischen verschärft und erste Prozesse gegen Arbeitgeber in Gang gesetzt habe.

    Sowohl aus Sicht von Verdi als auch des Kreises gibt es Branchen, die besonders in dem Ruf stehen, mit Billiglöhnen zu arbeiten. Dazu zählen das Gastgewerbe und das Friseurhandwerk, teilweise auch der Einzelhandel sowie Arbeitgeber aus dem sozialen Bereich - dort, wo es weder Mindestlohn-Vereinbarungen noch Tarifverträge gibt.

    Arbeitsfelder, aus denen in der Vergangenheit die meisten Klagen kamen, gehören laut Verdi nicht mehr zu den Problemfällen im Kreis. Sowohl im Baugewerbe als auch in der Altenpflege hätten inzwischen Mindestlöhne Einzug gehalten. Das spiegele sich auch in den Aufstocker-Anträgen in den Sozialzentren wider, bestätigt Haese und entlastet eine weitere Branche, die häufig in die Schlagzeilen geraten war, die der Callcenter. "Aus diesem Bereich haben wir zurzeit nicht einen Vorfall vorliegen."

    Quelle:
    [Links nur für registrierte Nutzer]


    Das widerliche Gesicht der Schmarotzenden Arbeitgeber!

    Und zur Annahme dieser miesen Löhne werden die Erwerbslosen
    auch noch unter Androhung ihrer Existenzvernichtung (Sanktion SGB 2 100%)
    genötigt!
    Pervers, die Arbeitenden müssen über ihre Steuern (Lohnsteuer usw,) ihr eigenes
    Aufstocken finanzieren.
    Und die, die nicht Aufstocken, dürfen auch zahlen!



    mfg
    rutt
    Johann Christoph Friedrich von Schiller 10. November 1759 - † 9. Mai 1805
    "Die Großen hören auf zu herrschen, wenn die Kleinen aufhören zu kriechen"

    Mitglied der Linksfraktion

  2. #2
    Enfant terrible Benutzerbild von Cinnamon
    Registriert seit
    28.06.2009
    Beiträge
    29.701

    Standard AW: Lohndumping - "Das ist ja moderne Leibeigenschaft!"

    Schon mal daran gedacht, dass nicht alle Unternehmer golddefäkierende Esel in ihren Kellern stehen haben und viele tatsächlich den Euro zwei mal umdrehen müssen, ehe sie ihn ausgeben? Nicht jeder Unternehmer kann sich die Löhne leisten, die Verdi und Co. so locker-flockig und ungeniert einfordern. Wer glaubt, dass jeder Gastwirt, jeder Friseur und jeder Pflegedienst, der niedrige Löhne zahlt ein hemmungsloser Kapitalist ist, irrt sich gewaltig. Oft genug reicht das Geld da wirklich nicht für eine höhere Bezahlung. Gut, man kann sagen, dann stell halt keine Leute ein wenn du kein Geld hast sie anständig zu bezahlen. Aber auch eine schlechte Bezahlung ist wohl immer noch besser als gar keine.
    Mit Zimt und Zucker

  3. #3
    Mitglied Benutzerbild von Suppenkasper
    Registriert seit
    10.06.2010
    Ort
    https://t.me/pump_upp
    Beiträge
    7.067

    Standard AW: Lohndumping - "Das ist ja moderne Leibeigenschaft!"

    Darum geht es nicht. Eine Gesellschaft in der für anständige Arbeit kein anständiger Lohn beahlt wird ist fundamental ungerecht und bis ins Mark krank. Wenn der Unternehmer anständig arbeitet und ebenfalls nichts dabei verdient, so verschärft dies das Problem nur und relativiert es nicht.

  4. #4
    Mitglied Benutzerbild von Stadtknecht
    Registriert seit
    22.02.2008
    Beiträge
    21.190

    Standard AW: Lohndumping - "Das ist ja moderne Leibeigenschaft!"

    Deshalb halte ich einen Mindestlohn für überfällig.

  5. #5
    GESPERRT
    Registriert seit
    19.02.2009
    Beiträge
    7.898

    Standard AW: Lohndumping - "Das ist ja moderne Leibeigenschaft!"

    Zitat Zitat von Cinnamon Beitrag anzeigen
    Schon mal daran gedacht, dass nicht alle Unternehmer golddefäkierende Esel in ihren Kellern stehen haben und viele tatsächlich den Euro zwei mal umdrehen müssen, ehe sie ihn ausgeben? Nicht jeder Unternehmer kann sich die Löhne leisten, die Verdi und Co. so locker-flockig und ungeniert einfordern. Wer glaubt, dass jeder Gastwirt, jeder Friseur und jeder Pflegedienst, der niedrige Löhne zahlt ein hemmungsloser Kapitalist ist, irrt sich gewaltig. Oft genug reicht das Geld da wirklich nicht für eine höhere Bezahlung. Gut, man kann sagen, dann stell halt keine Leute ein wenn du kein Geld hast sie anständig zu bezahlen. Aber auch eine schlechte Bezahlung ist wohl immer noch besser als gar keine.
    Die genannten Beispiele beziehen sich alle auf Märkte, die von vollständiger Konkurrenz bestimmt sind. Dort kann selbstverständlich jeder Unternehmer nur so viel bezahlen, wie seine Konkurrenten auch bezahlen, das erzwingt der Preiswettbewerb. Höhere Kosten als die der Konkurrenten kann sich unter den Bedingungen niemand leisten.

    Pseudolegale (das Randstadt - Urteil des BAG zu sittenwidrigen Löhnen ist schlichtweg falsch) Dumpinglöhne sind deshalb nicht eine Folge, sondern die Ursache der hier beklagten Klammheit kleiner Arbeitgeber.

  6. #6
    Mitglied Benutzerbild von Suppenkasper
    Registriert seit
    10.06.2010
    Ort
    https://t.me/pump_upp
    Beiträge
    7.067

    Standard AW: Lohndumping - "Das ist ja moderne Leibeigenschaft!"

    @Stadtknecht

    Ich stimme Dir zu. Und das hat denke ich bei uns Beiden nichts mit sozialistischen Hirngespinsten zu tun. Es ist einfach eine Sache des Anstandes, ansonsten kippt unsere Gesellschaft in nicht allzu ferner Zukunft in etwas um, das niemand haben möchte.

  7. #7
    Mitglied Benutzerbild von Buella
    Registriert seit
    26.03.2006
    Ort
    Wie gehabt: Südlich des Nordpols
    Beiträge
    48.300

    Standard AW: Lohndumping - "Das ist ja moderne Leibeigenschaft!"

    Zitat Zitat von Suppenkasper Beitrag anzeigen
    Darum geht es nicht. Eine Gesellschaft in der für anständige Arbeit kein anständiger Lohn beahlt wird ist fundamental ungerecht und bis ins Mark krank. Wenn der Unternehmer anständig arbeitet und ebenfalls nichts dabei verdient, so verschärft dies das Problem nur und relativiert es nicht.
    Richtig!
    Man darf auch nicht vergessen, daß Bonzomanie keine Arbeit ist!

    Die ganzen Fratzeln, die den Leuten die Abzocke aufquatschen, Bänker u. a. Geschmeiß, sind bloß zu faul, sich mal ordentlich für ihre Gehälter und Löhne zu bücken, bzw. zu arbeiten!

    Von der Seite sollte man es mal betrachten!


  8. #8
    Des Flügels Geflügel Benutzerbild von Sathington Willoughby
    Registriert seit
    18.02.2008
    Ort
    Carcosa
    Beiträge
    16.804

    Standard AW: Lohndumping - "Das ist ja moderne Leibeigenschaft!"

    Zitat Zitat von Suppenkasper Beitrag anzeigen
    Eine Gesellschaft in der für anständige Arbeit kein anständiger Lohn beahlt wird ist fundamental ungerecht und bis ins Mark krank. Wenn der Unternehmer anständig arbeitet und ebenfalls nichts dabei verdient, so verschärft dies das Problem nur und relativiert es nicht.
    Das stimmt, und das liegt an den Nebenkosten, die dadurch entstehen, das viel zu viele Transferempfänger im Land sind.
    Mein Geschlecht : Kämpfer
    Meine Pronomen : Blut, Schweiß und Tränen

  9. #9
    Mitglied Benutzerbild von Stadtknecht
    Registriert seit
    22.02.2008
    Beiträge
    21.190

    Standard AW: Lohndumping - "Das ist ja moderne Leibeigenschaft!"

    Zitat Zitat von Suppenkasper Beitrag anzeigen
    @Stadtknecht

    Ich stimme Dir zu. Und das hat denke ich bei uns Beiden nichts mit sozialistischen Hirngespinsten zu tun. Es ist einfach eine Sache des Anstandes, ansonsten kippt unsere Gesellschaft in nicht allzu ferner Zukunft in etwas um, das niemand haben möchte.
    Damit ist alles gesagt.

  10. #10
    GESPERRT
    Registriert seit
    24.02.2010
    Beiträge
    7.165

    Standard AW: Lohndumping - "Das ist ja moderne Leibeigenschaft!"

    Zitat Zitat von Zaphod Beeblebrox Beitrag anzeigen
    Das stimmt, und das liegt an den Nebenkosten, die dadurch entstehen, das viel zu viele Transferempfänger im Land sind.
    meinst du mit transferempfänger die schamlosen boni-einstreicher?

+ Auf Thema antworten

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)

Ähnliche Themen

  1. Antworten: 74
    Letzter Beitrag: 03.12.2023, 17:10
  2. Alles, was recht(s) ist: Wie sollte sich eine moderne "Rechtspartei" ausrichten?
    Von marc im Forum Gesellschaftstheorien / Philosophie
    Antworten: 76
    Letzter Beitrag: 10.12.2008, 17:22
  3. "1776" und "1789" - genauso eine Katastrophe wie "1917" und "1933"?
    Von Beverly im Forum Gesellschaftstheorien / Philosophie
    Antworten: 19
    Letzter Beitrag: 31.01.2008, 15:28
  4. Antworten: 2
    Letzter Beitrag: 18.01.2007, 23:54
  5. "Dating" - Tradition vs. Moderne
    Von Nibelung im Forum Gesellschaft / Soziales / Arbeit / Bildung / Familie
    Antworten: 8
    Letzter Beitrag: 31.03.2006, 22:28

Nutzer die den Thread gelesen haben : 0

Du hast keine Berechtigung, um die Liste der Namen zu sehen.

Forumregeln

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •  
nach oben