Ausschreitungen als Ablenkungsmanöver
Menderes wollte mit den angezettelten Ausschreitungen vom Scheitern seiner liberalen Wirtschaftspolitik ablenken. Am 7. September verhängte er auch sogleich den Ausnahmezustand. Aber dies allein erklärt die "türkische Bartholomäusnacht" (so der Autor und Augenzeuge Aziz Nesin) nicht.
"A few riots in Ankara would do us nicely!" ("Ein paar Unruhen in Ankara kämen uns gelegen") notierte bereits im September 1954 ein britischer Diplomat. Die Kolonialmacht Großbritannien wurde damals auf Zypern von der griechischen Widerstandsbewegung EOKA schwer bedrängt. London wünschte sich zur Entlastung ein Engagement der Türkei. Ankaras Außenminister Fuat Köprülü aber wollte davon nichts wissen. Zypern sei kein türkisches Thema, sagte er.
Doch der Beschwichtiger Köprülü, der 1960 gegen Menderes aussagte, wurde Ende Juli 1955 durch den Scharfmacher Fatin Rüstü Zorlu ersetzt. Der sicherte sich die Unterstützung des Nationalisten-Vereins Kibris Türk Cemiyeti ("Zypern ist türkisch") als Kern der Schlägertruppe.
So wurde die griechische Minderheit, die seit Byzanz am Bosporus überdauerte, 1955 erstmals zur Geisel des bis heute ungelösten Zypern-Konflikts. Die Mehrheit der 100.000 Istanbuler Griechen verließ die Stadt dann mit der nächsten Zypern-Krise 1964.
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