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Thema: War die Ruestung Deutschlands 1939 auf einen Angriffskrieg ausgelegt?

  1. #1411
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    Standard AW: War die Ruestung Deutschlands 1939 auf einen Angriffskrieg ausgelegt?

    Zitat Zitat von Nereus Beitrag anzeigen
    Zu 1: Widerspruch, siehe hier:
    Ein Politbüro für den Kapitalismus?
    Wilhelm Bittorf über den "Council on Foreign Relations"
    DER SPIEGEL 50/1975:
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    und als PDF-Datei mit Bildern
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    Coucil-Chef David Rockefeller: Am Roten Platz eine Filiale (der Chase Manhattan Bank)

    Zu 2: Ab ca. 85/86 kann das stimmen, wenn die DDR gemeint ist.
    zu1. Du wirst im SPIGEL nichts finden, was nicht sein kann, weil es nicht sein darf. Nebenbei bemerkt, ist der CFR nicht mehr als ein Ableger des Chathouses in London (Royal Institute on International Affairs)... aber wem sag ich das ?

    zu2. Es hat schon vorher gestimmt, nicht nur in der DDR. Warum sollte man es leugnen. Die Oktober-Revolution wurde ja genau von jenen Kreisen gesteuert und finanziert, die danach den selbst aufgebauten Watschnmann wieder bekriegten. Im Falle AH war es genauso. Und auch andere Figuren der Weltgeschichte mussten diese Erfahrungen machen, ob sie nun Napoleon III hießen, Allende oder Saddam. Von Bin Laden ganz zu schweigen. Verschwörungstheorien? Meinetwegen... aber passen tuts schon ^^

  2. #1412
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    Standard AW: War die Ruestung Deutschlands 1939 auf einen Angriffskrieg ausgelegt?

    Zitat Zitat von RUMPEL Beitrag anzeigen
    zu1. Du wirst im SPIGEL nichts finden, was nicht sein kann, weil es nicht sein darf. Nebenbei bemerkt, ist der CFR nicht mehr als ein Ableger des Chathouses in London (Royal Institute on International Affairs)... aber wem sag ich das ?

    zu2. Es hat schon vorher gestimmt, nicht nur in der DDR. Warum sollte man es leugnen. Die Oktober-Revolution wurde ja genau von jenen Kreisen gesteuert und finanziert, die danach den selbst aufgebauten Watschnmann wieder bekriegten. Im Falle AH war es genauso. Und auch andere Figuren der Weltgeschichte mussten diese Erfahrungen machen, ob sie nun Napoleon III hießen, Allende oder Saddam. Von Bin Laden ganz zu schweigen. Verschwörungstheorien? Meinetwegen... aber passen tuts schon ^^
    Da sieht man mal, dass man so spät am Abend nicht mehr versuchen sollte, etwas halbwegs Gescheites zu schreiben. Die britische Denkfabrik nennt man natürlich "CHATHAM-HOUSE" und nicht Chathouse.

  3. #1413
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    Standard AW: War die Ruestung Deutschlands 1939 auf einen Angriffskrieg ausgelegt?

    Zitat Zitat von RUMPEL Beitrag anzeigen
    zu1. Du wirst im SPIGEL nichts finden, was nicht sein kann, weil es nicht sein darf. Nebenbei bemerkt, ist der CFR nicht mehr als ein Ableger des Chathouses in London (Royal Institute on International Affairs)... aber wem sag ich das ?
    Im SPIGEL ist nichts zu finden , aber im SPIEGEL 59/1975 gehört der Artikel von Wilhelm Bittorf über den "Council on Foreign Relations" zu den wenigen besonders lesenswerten Insider-Informationen über die „überstaatlichen Mächte“. 1974 war das ASPEN-Institut in Westberlin, Ableger eines US-Denkerklubs, vom ehemaligen US-Hochkommissar für Deutschland, Direktor der FORD Foundation und Mitgründer der „Freien Universitiät“ (FU) S. Stone installiert worden. (zu den amerikanischen Mitgliedern zählten u.a. H. Kissinger und R.O.Anderson (OIL).
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    Also mußte den westdeutschen und europäischen Eliten gesagt werden, wo die Musik in der Welt spielt, was gegeigt wird und wer dirigiert.

    Dein „Chatroom“ (habe die Berichtigung gelesen) gibt mir die Gelegenheit nun wieder etwas zum Strangthema zu schreiben. Ob „Deutschland“, eigentlich die damalige Hitler-Regierung, zum Krieg gerüstet war, ob es ein „Angriffskrieg war oder ein Verteidigungskrieg“, ob „Hitler überhaupt einen Krieg wollte oder nur Frieden“, ob „Hitler zum Krieg gezwungen wurde oder viele Väter den Krieg inszenierten“ erzählt uns möglicherweise die Publikation einer RIIA-Studiengruppe von 1942, veröffentlich 1945.

    Klappentext:
    Der Ausschuß des Königlichen Instituts für Auswärtige Angelegenheiten (Royal Institute of International Affairs) hat vor einiger Zeit eine Reihe berufener Persönlichkeiten der verschiedensten Einstellung und Erfahrung eingeladen, eine Studiengruppe zu bilden zur Erörterung der mit der Behandlung Deutschlands nach dem Krieg verknüpften Fragen. Der Bericht dieser Gruppe liegt hier jetzt vor. Er erhebt nicht den Anspruch, das Schlußwort über diesen riesigen Fragenkomplex auszusagen, einfach weil sich etwas Abschließendes darüber nicht aussagen läßt.
    Die für die kommenden Jahre hinsichtlich Großbritanniens und Deutschlands anzusetzenden Machtfaktoren werden aufgezählt und gegeneinander abgewogen. Fragen von den zukünftigen Grenzen Deutschlands werden behandelt, unter Herausarbeitung allgemeiner Gesichtspunkte, die zu ihrer Beantwortung vielleicht unerläßlich sein werden, wenn die Hoffnungen auf Sicherheit und einen dauernden Frieden in Erfüllung gehen sollen.
    Es gilt für England und die andern siegreichen Länder Ziele zu verfolgen, die dem deutschen Volke eine bessere Lösung der dringlichsten Gegenwartsprobleme bringen können und sollen, als irgend eine Nazi-Idee es kann.


    “DAS PROBLEM DEUTSCHLAND – Bericht einer Studiengruppe des Chatham-House“, Herausgegeben vom ROYAL INSTITUTE of INTERNAIONAL AFFAIRS, London, Europa Verlag Zürich/New York 1945.

    INHALT
    Vorwort
    I. Grundsätzliches
    - Das deutsche Problem in weltpolitischem Zusammenhang
    - Das deutsche Problem einst und jetzt
    ..a) Absolute Gewaltpolitik, b) absolute Verständigungspolitik
    Il. Das Machtverhältnis
    III. Grenzen: Politische Struktur
    - Eine territoriale Neuverteilung Europas?
    - Das deutsche Territorialproblem
    - Reichseinheit?
    IV. Freiheiten
    - Das Problem der Regierungsform in Deutschland
    - Freie Wahlen und Bürgerrechte
    V. Wirtschaftspolitik
    - Die Atlantik-Charta und die deutsche Wirtschaft .
    - Kontrolle über Deutschlands Kriegspotential .
    Vl. Rüstungen
    - Deutsche Abrüstung: eher eine Frage des Wollens als des Könnens
    - Vereitlung des früheren Versuchs
    - Gedanken zu den Erfahrungen Frankreichs
    - Rüstungen und Atlantik-Charta
    VII. Ideen: Verständigungsaussichten
    - Eine veränderte deutsche Mentalität: Grundsätzliches zu dem Problem
    - Unterrichtswesen
    - Lehren aus der Niederlage
    - Eine Atmosphäre der Verständigung
    - Sicherheit
    Anhänge
    1. Theorien über die Gründe der deutschen Flucht in den Krieg
    11. Einige Faktoren wirtschaftlicher Stärke
    III. Deutsche und demokratische Ansichten über die Grundlagen
    der Gesellschaft
    »VORWORT
    Das Forschungsinstitut für internationale Angelegenheiten (Royal Institute of International Affairs) lud vor einiger Zeit eine Reihe berufener Persönlichkeiten der verschiedensten Einstellung und Erfahrung ein, eine Studiengruppe zu bilden zur Erörterung der mit der Behandlung Deutschlands nach dem Krieg verknüpften Fragen. Der Bericht des Instituts liegt nun hier vor. Er erhebt nicht den Anspruch, das Schlußwort über diesen riesigen Fragenkomplex auszusagen, einfach weil sich etwas Abschließendes darüber nicht aussagen läßt - nicht einmal, wenn die Art des Sieges sehr viel klarer geworden ist als heute. Doch wenn er dazu beiträgt, realistisches Denken zu wecken und zu verbreiten, Illusionen zu zerstören, die Kernfragen herauszuschälen und anzudeuten, welche Wirkungen von den verschiedenen Arten des Vorgehens zu erwarten sind, so war die Tätigkeit der Studiengruppe gerechtfertigt.

    Der Ausschuß hofft, demnächst Spezialuntersuchungen über wirtschaftliche Fragen der Nachkriegswelt und der Zukunft Europas veröffentlichen zu können. Deswegen enthält der vorliegende Bericht keine detaillierte Darstellung der wirtschaftlichen Seite des Problems, Auch hat sich die Studiengruppe durch ihre Aufgabe nicht verleiten lassen, in der Behandlung Deutschlands das einzige politische Hauptproblem nach der Erringung des Sieges zu sehen. Sie ist vielmehr zu dem Schluß gekommen, daß das deutsche Problem gänzlich und auf die Dauer nicht zu lösen ist, wenn man es völlig aus dem größeren Zusammenhang der Weltpolitik löst.

    Bei einem Bericht wie dem vorliegenden geht es nicht an, seinen Inhalt in ein paar Stichworte zusammenzufassen. Er geht in der Weise vor, daß er die beiden extremen Hypothesenn analysiert: Die einer totalen und dauernden Kontrolle alles Lebens in Deutschland einerseits und die eines totalen Zusammengehens mit einem besiegten Deutschland auf der Grundlage der Gleichheit anderseits. Aus Gründen, die eingehend dargelegt sind, werden diese extremen Methoden beide verworfen. Es wird ein realpolitischer Kurs aufgezeigt, der sowohl durchführbar wie geeignet ist, eine Wiederholung des deutschen Angriffs zu verhindern, und der sich außerdem der britischen Oeffentlichkeit höchstwahrscheinlich empfehlen dürfte. Ihr fällt kein kleiner Teil der Verantwortung für die Einhaltung des Kurses zu.

    Die für die kommenden Jahre hinsichtlich Großbritanniens und Deutschlands anzusetzenden Machtfaktoren werden aufgezählt und gegeneinander abgewogen. Fragen von den zukünftigen Grenzen Deutschlands werden behandelt, unter Herausarbeitung allgemeiner Gesichtspunkte, die zu ihrer Beantwortung vielleicht unerläßlich sein werden, wenn die Hoffnungen auf Sicherheit und einen dauernden Frieden in Erfüllung gehen sollen. Doch es wird anerkannt, daß kein Einzelfall allein auf Grund einfacher allgemeiner Gesichtspunkte entschieden werden kann; bei jedem werden nur für ihn geltende, vielfach ineinander verflochtene Umstände mitspielen. Es werden die Vorzüge der verschiedenen Verhaltungsweisen erwogen, die bei einer Aufrechterhaltung der politischen Einheit oder einer inneren Aufteilung des Deutschen Reichs eingeschlagen werden können. Ferner wird die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit, seine künftige Regierungsform beeinflussen zu wollen, untersucht und die bürgerlichen und politischen Rechte, die dem deutschen Volk eingeräumt werden können. Vor allem in dieser Beziehung wird die Verflechtung der deutschen Frage mit umfassenderen europäischen Ordnungsproblemen dargetan.

    Man wird erkennen, welch offensichtliches Gefahrenmoment in dem Widerspruch zwischen den Wirtschafts- und den Abrüstungsklauseln der Atlantik-Charta verborgen liegt, sobald man ihre praktische Anwendung ins Auge faßt; die Wahl zwischen Prosperität und Sicherheit kann Schwierigkeiten verursachen. Dieses Gefahrenmoment kann gemindert werden, falls die Abrüstungsmethoden richtig durchdacht und geplant werden, aber die Alliierten werden fest bei ihren Beschlüssen bleiben müssen, wenn die Abrüstung Deutschlands auch in solchen Zeiten aufrechterhalten werden soll, wo eine Lockerung - und nicht nur im Innern Deutschlands, sondern im Namen der europäischen Prosperität - bestimmt verlangt werden wird. Die wichtigste Lehre, die der Bericht aus der geschichtlichen Untersuchung der Abrüstung nach dem vorigen Krieg zieht, ist die, daß die technischen Schwierigkeiten, die sich der Verhinderung einer deutschen Wiederaufrüstung entgegenstellen, nicht unüberwindbar sind; das eigentliche Gefahrenmoment ist ein Schwächerwerden der Entschlossenheit bei den Alliierten, eine solche Wiederaufrüstung zu verhindern. Nach der wohlerwogenen Auffassung der Studiengruppe ist die Verhinderung der Wiederaufrüstung die einzige Zwangsmaßnahme gegenüber Deutschland, auf der England bedingungslos bestehen soll.

    Doch nicht allein einer Herausforderung mit den Waffen, auch einer Herausforderung der Ideen ist zu begegnen. Eine endgültige Sicherheit läßt sich erst erreichen, nachdem eine Mentalität der Verständigung - in Wahrheit und nicht nur dem Anschein nach - sowohl im deutschen Menschen, wie im deutschen Staat sich entwickelt hat. Das letzte Kapitel des Berichtes untersucht in tiefschärfender Weise die hiefür bestehenden Aussichten, sowie den Anteil, der der britischen Politik und Haltung dabei zukommt. Es gilt für England und die andern siegreichen Länder, Ziele zu verfolgen, die dem deutschen Volke eine bessere Lösung der dringlichsten Gegenwartsprobleme bringen können und sollen, als irgend eine Nazi-Idee es kann. In den Vier Freiheiten können wir den gemeinsamen Zielpunkt am klarsten erblicken, auf den alle Hoffnung auf praktische Zusammenarbeit unter den Völkern gerichtet ist. Doch dürfen wir nie vergessen, daß die Voraussetzung dafür Sicherheit ist.

    Das Institut ist eine nichtoffizielle und unpolitische Körperschaft, der auf Grund ihrer Stiftungsurkunde die Aeußerung irgendwelcher Meinungen über weltpolitische Angelegenheiten versagt ist. Die Verantwortung für die in dem Bericht zum Ausdruck kommenden Meinungen bleibt ausschließlich den vom Ausschuß des Instituts zur Durchführung dieser Spezialuntersuchung aufgeforderten Mitgliedern der Studiengruppe überlassen.
    Es ist mir eine Freude, an dieser Stelle den Mitgliedern der Studiengruppe im Namen des Ausschusses dafür danken zu können, daß sie der Ausarbeitung des vorliegenden Berichts so viel Zeit gewidmet haben.
    ASTOR
    Präsident des Ausschusses.
    Chatham-House, 10 St. Jame's Square, London, SW. 1.
    Mai 1943«
    *****************************
    »Anhang I
    Theorien über die Gründe der deutschen Flucht in den Krieg

    (Anmerkung: Diese Zusammenstellung erhebt keinen Anspruch darauf, sämtliche möglichen Theorien über die Gründe, bzw. über die Verflechtung von Gründen, welche Deutschlands Vorgehen bestimmten, aufzuzählen. Sie stellt nur eine gestaffelte Liste von einigen der weiter verbreiteten Theorien und Erklärungen dar, die bei uns oder von den Deutschen selbst häufig zu hören sind. Von den angeführten Gründen ist unserer Studiengruppe keiner als völlig der Wahrheit entsprechend erschienen; wir finden vielmehr Elemente der Wahrheit bei verschiedenen von ihnen.)

    1. Die Deutschen sind von Natur ein aggressives Volk; und wegen dieser ihnen anhaftenden Aggressivität sind sie (so scheint es für viele) weniger zivilisiert geblieben als andere europäische Völker, und aus demselben Grunde ist das Christentum bei ihnen weniger tief eingedrungen. Das ist ein Zustand, der zu unsern Lebzeiten nicht grundlegend geändert werden kann. Die Deutschen fügen sich nur überlegener Gewalt, insoweit und solange diese von Bestand sein kann.

    2. Die Deutschen sind in erster Linie menschliche Geschöpfe und als solche zu verstehen: Verallgemeinerungen, die einem ganzen Volk unveränderliche Wesensmale zuschreiben, sind irreführend. Die Aggressivität, die sie als politische Gruppe zweifellos an den Tag gelegt haben, ist auch, selbst falls sie teilweise von der Rasse herrührt, auf die Verhältnisse und insbesondere auf die Erziehung zurückzuführen. Die Lehrer, auf die die Deutschen bisher am bereitwilligsten gehört haben, waren Gruppen (preußische Militaristen, Nazis) oder einzelne, deren verschiedene »Weltanschauungen« unter einander dies eine gemein hatten, daß die Rechte von anderen - wenn es einem so besser paßt - gewaltsam zertreten werden dürfen; es ist aber möglich, daß viele Deutsche diese Auffassung bereits verwerfen und daß die Nation im ganzen (mit Ausnahme einiger beschränkter Kategorien von Unheilbaren) dazu erzogen werden könnte, sie zu verwerfen.

    3. Die bis jetzt von Deutschland an den Tag gelegte Aggressivität ist in beträchtlichem Maße auf die Entbehrungen zurückzuführen, die es nach 1918 auszustehen hatte. Eine Ansicht geht dahin, daß die Hauptursache dieser Entbehrungen die unnötige Strenge des Versailler Vertrages war, und daß die deutsche Politik größere Bereitschaft zur Verständigung gezeigt hätte, wenn der Friedensvertrag weniger streng gewesen wäre. Demgegenüber geht eine andere Ansicht dahin, daß nicht die Vertragsbestimmungen die Ursache der zweifellos von den Deutschen ausgestandenen Entbehrungen waren, daß aber die Propaganda in Deutschland, die man anderwärts im großen und ganzen duldete und sogar unterstützte, die Deutschen davon überzeugte, daß dem so sei. Diese Ueberzeugung, im Verein mit Verletzungen von Deutschlands »Prestige« und anderm psychologischen Zündstoff, war eine Hauptursache der Aggressivität.

    4.. Wenngleich ein weniger strenger Friedensvertrag und eine entsprechend mildere Behandlung danach zwar die Entwicklung einer Aggressivpolitik nicht verhindert hätten, so hätte dies doch dadurch geschehen können, daß man Deutschlands Besitzlosigkeit einsah und es durch vielleicht große, aber immer noch begrenzte Zugeständnisse in eine besitzende Macht verwandelt hätte.

    5. Die von Deutschland bis jetzt an den Tag gelegte Aggressivität ist darauf zurückzuführen, daß es nach 1918 zu milde behandelt worden ist: kein siegreicher Einmarsch, keine feste Rüstungskontrolle usw. Durch geeignete Maßnahmen hätte man es im Zaum halten können.

    6. Die von Deutschland bis jetzt an den Tag gelegte Aggressivität ist darauf zurückzuführen, daß seine Führer Ziele verfolgten, die nur durch Krieg zu erreichen waren, oder zumindest - wie in der Wirtschaftspolitik - Methoden anwandten, die natürlicherweise den Krieg nach sich ziehen. Das Volk, oder hinreichend wichtige Teile des Volkes, folgten ihren Führern, weil:
    a) sie kämpfen wollten oder wenigstens Belohnung erwarteten; oder
    b) sie den Krieg als für die »Sendung« des Dritten Reiches notwendig erachteten; oder
    c) die politische Unreife der Massen, obwohl sie gegen den Krieg waren, sie entweder hinderte, die Gefahr zu erkennen oder - falls sie sie erkannten - ihre Führer zu stürzen; oder
    d) sie bereit waren, jeden beliebigen zu unterstützen, ganz gleich wie groß das Risiko sei, der sie herausführte aus der Massenarbeitslosigkeit.

    7. Ein Angriff wie der, zu dem Deutschland im Jahre 1939 seine Zuflucht nahm, ist hinreichend erklärbar als das unvermeidliche Ergebnis des Monopolkapitalismus auf einer bestimmten Entwicklungsstufe.

    8. Deutschlands Aggressivität ist ein Versuch, bewußt und mit Gewalt eine Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen, die ihm von geschichtlichen Zufällen auferlegt worden ist. Während Rußland, Frankreich, England und die Vereinigten Staaten sich Weltreiche schufen und ausbauten, war Deutschland nur eine geographische Bezeichnung. Es hatte noch nicht das Nationalgefühl, die Einheit und den weltstädtischen Kern entwickelt, die zur Weltreichsbildung notwendig sind. Als es schließlich so weit gekommen war, hatte sich die Ausbreitungsmöglichkeit gewaltig verengt. Als Volk und Staat besaßen die Deutschen weniger Abflüsse für ihr industrielles, wissenschaftliches und selbst biologisches Potential als andere (nach deutscher Ansicht weniger berufene) Staaten.

    9. »Aggressivität« ist keine spezifische Eigentümlichkeit der deutschen Politik. Sämtliche Staaten behaupten sich bis zu den Grenzen ihrer Kraft durch die ihnen zugänglichen Mittel - militärischer, wirtschaftlicher oder moralischer Art. Das Schicksal hat gewollt, daß Deutschland augenblicklich der mächtigste Träger des aggressiven Impulses in Europa ist, wie früher einmal Spanien und dann Frankreich. Der Impuls wird vielleicht nachlassen, aber dann aus Gründen, die man von außen nicht kontrollieren kann.

    10. Deutschland ist nicht aggressiv gewesen. Es hat sich nur gegen Bedrohungen von außen gewehrt, z. B. gegen die Einkreisung oder die slawische Gefahr.

    11. Der Begriff »Aggression ist, da er eine moralische Verurteilung einschließt, unangebracht. Die Deutschen haben nur ihre Rechte als überlegenes Volk gegenüber unterlegenen Gegnern geltend gemacht. Zwar gibt es kein anderes Kriterium für seine Rechte als Deutschlands eigenes Urteil, aber die schwachen Reaktionen Europas liefen auf ihre Anerkennung hinaus.

    12. Deutschland hat seine Zuflucht im Krieg gesucht, um Europa vor jüdischen und bolschewistischen Einflüssen zu retten und vor der althergebrachten britischen Politik des Zwiespaltsäens; ferner, um die von dem gegenwärtigen historischen Augenblick verlangte Aufgabe zu erfüllen, nämlich die Schaffung der europäischen Einheit.«

  4. #1414
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    Standard AW: War die Ruestung Deutschlands 1939 auf einen Angriffskrieg ausgelegt?

    Zitat Zitat von Nereus Beitrag anzeigen
    Im SPIGEL ist nichts zu finden , aber im SPIEGEL 59/1975 gehört der Artikel von Wilhelm Bittorf über den "Council on Foreign Relations" zu den wenigen besonders lesenswerten Insider-Informationen über die „überstaatlichen Mächte“. 1974 war das ASPEN-Institut in Westberlin, Ableger eines US-Denkerklubs, vom ehemaligen US-Hochkommissar für Deutschland, Direktor der FORD Foundation und Mitgründer der „Freien Universitiät“ (FU) S. Stone installiert worden. (zu den amerikanischen Mitgliedern zählten u.a. H. Kissinger und R.O.Anderson (OIL).
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    Also mußte den westdeutschen und europäischen Eliten gesagt werden, wo die Musik in der Welt spielt, was gegeigt wird und wer dirigiert.

    Dein „Chatroom“ (habe die Berichtigung gelesen) gibt mir die Gelegenheit nun wieder etwas zum Strangthema zu schreiben. Ob „Deutschland“, eigentlich die damalige Hitler-Regierung, zum Krieg gerüstet war, ob es ein „Angriffskrieg war oder ein Verteidigungskrieg“, ob „Hitler überhaupt einen Krieg wollte oder nur Frieden“, ob „Hitler zum Krieg gezwungen wurde oder viele Väter den Krieg inszenierten“ erzählt uns möglicherweise die Publikation einer RIIA-Studiengruppe von 1942, veröffentlich 1945.





    “DAS PROBLEM DEUTSCHLAND – Bericht einer Studiengruppe des Chatham-House“, Herausgegeben vom ROYAL INSTITUTE of INTERNAIONAL AFFAIRS, London, Europa Verlag Zürich/New York 1945.



    »VORWORT
    Das Forschungsinstitut für internationale Angelegenheiten (Royal Institute of International Affairs) lud vor einiger Zeit eine Reihe berufener Persönlichkeiten der verschiedensten Einstellung und Erfahrung ein, eine Studiengruppe zu bilden zur Erörterung der mit der Behandlung Deutschlands nach dem Krieg verknüpften Fragen. Der Bericht des Instituts liegt nun hier vor. Er erhebt nicht den Anspruch, das Schlußwort über diesen riesigen Fragenkomplex auszusagen, einfach weil sich etwas Abschließendes darüber nicht aussagen läßt - nicht einmal, wenn die Art des Sieges sehr viel klarer geworden ist als heute. Doch wenn er dazu beiträgt, realistisches Denken zu wecken und zu verbreiten, Illusionen zu zerstören, die Kernfragen herauszuschälen und anzudeuten, welche Wirkungen von den verschiedenen Arten des Vorgehens zu erwarten sind, so war die Tätigkeit der Studiengruppe gerechtfertigt.

    Der Ausschuß hofft, demnächst Spezialuntersuchungen über wirtschaftliche Fragen der Nachkriegswelt und der Zukunft Europas veröffentlichen zu können. Deswegen enthält der vorliegende Bericht keine detaillierte Darstellung der wirtschaftlichen Seite des Problems, Auch hat sich die Studiengruppe durch ihre Aufgabe nicht verleiten lassen, in der Behandlung Deutschlands das einzige politische Hauptproblem nach der Erringung des Sieges zu sehen. Sie ist vielmehr zu dem Schluß gekommen, daß das deutsche Problem gänzlich und auf die Dauer nicht zu lösen ist, wenn man es völlig aus dem größeren Zusammenhang der Weltpolitik löst.

    Bei einem Bericht wie dem vorliegenden geht es nicht an, seinen Inhalt in ein paar Stichworte zusammenzufassen. Er geht in der Weise vor, daß er die beiden extremen Hypothesenn analysiert: Die einer totalen und dauernden Kontrolle alles Lebens in Deutschland einerseits und die eines totalen Zusammengehens mit einem besiegten Deutschland auf der Grundlage der Gleichheit anderseits. Aus Gründen, die eingehend dargelegt sind, werden diese extremen Methoden beide verworfen. Es wird ein realpolitischer Kurs aufgezeigt, der sowohl durchführbar wie geeignet ist, eine Wiederholung des deutschen Angriffs zu verhindern, und der sich außerdem der britischen Oeffentlichkeit höchstwahrscheinlich empfehlen dürfte. Ihr fällt kein kleiner Teil der Verantwortung für die Einhaltung des Kurses zu.

    Die für die kommenden Jahre hinsichtlich Großbritanniens und Deutschlands anzusetzenden Machtfaktoren werden aufgezählt und gegeneinander abgewogen. Fragen von den zukünftigen Grenzen Deutschlands werden behandelt, unter Herausarbeitung allgemeiner Gesichtspunkte, die zu ihrer Beantwortung vielleicht unerläßlich sein werden, wenn die Hoffnungen auf Sicherheit und einen dauernden Frieden in Erfüllung gehen sollen. Doch es wird anerkannt, daß kein Einzelfall allein auf Grund einfacher allgemeiner Gesichtspunkte entschieden werden kann; bei jedem werden nur für ihn geltende, vielfach ineinander verflochtene Umstände mitspielen. Es werden die Vorzüge der verschiedenen Verhaltungsweisen erwogen, die bei einer Aufrechterhaltung der politischen Einheit oder einer inneren Aufteilung des Deutschen Reichs eingeschlagen werden können. Ferner wird die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit, seine künftige Regierungsform beeinflussen zu wollen, untersucht und die bürgerlichen und politischen Rechte, die dem deutschen Volk eingeräumt werden können. Vor allem in dieser Beziehung wird die Verflechtung der deutschen Frage mit umfassenderen europäischen Ordnungsproblemen dargetan.

    Man wird erkennen, welch offensichtliches Gefahrenmoment in dem Widerspruch zwischen den Wirtschafts- und den Abrüstungsklauseln der Atlantik-Charta verborgen liegt, sobald man ihre praktische Anwendung ins Auge faßt; die Wahl zwischen Prosperität und Sicherheit kann Schwierigkeiten verursachen. Dieses Gefahrenmoment kann gemindert werden, falls die Abrüstungsmethoden richtig durchdacht und geplant werden, aber die Alliierten werden fest bei ihren Beschlüssen bleiben müssen, wenn die Abrüstung Deutschlands auch in solchen Zeiten aufrechterhalten werden soll, wo eine Lockerung - und nicht nur im Innern Deutschlands, sondern im Namen der europäischen Prosperität - bestimmt verlangt werden wird. Die wichtigste Lehre, die der Bericht aus der geschichtlichen Untersuchung der Abrüstung nach dem vorigen Krieg zieht, ist die, daß die technischen Schwierigkeiten, die sich der Verhinderung einer deutschen Wiederaufrüstung entgegenstellen, nicht unüberwindbar sind; das eigentliche Gefahrenmoment ist ein Schwächerwerden der Entschlossenheit bei den Alliierten, eine solche Wiederaufrüstung zu verhindern. Nach der wohlerwogenen Auffassung der Studiengruppe ist die Verhinderung der Wiederaufrüstung die einzige Zwangsmaßnahme gegenüber Deutschland, auf der England bedingungslos bestehen soll.

    Doch nicht allein einer Herausforderung mit den Waffen, auch einer Herausforderung der Ideen ist zu begegnen. Eine endgültige Sicherheit läßt sich erst erreichen, nachdem eine Mentalität der Verständigung - in Wahrheit und nicht nur dem Anschein nach - sowohl im deutschen Menschen, wie im deutschen Staat sich entwickelt hat. Das letzte Kapitel des Berichtes untersucht in tiefschärfender Weise die hiefür bestehenden Aussichten, sowie den Anteil, der der britischen Politik und Haltung dabei zukommt. Es gilt für England und die andern siegreichen Länder, Ziele zu verfolgen, die dem deutschen Volke eine bessere Lösung der dringlichsten Gegenwartsprobleme bringen können und sollen, als irgend eine Nazi-Idee es kann. In den Vier Freiheiten können wir den gemeinsamen Zielpunkt am klarsten erblicken, auf den alle Hoffnung auf praktische Zusammenarbeit unter den Völkern gerichtet ist. Doch dürfen wir nie vergessen, daß die Voraussetzung dafür Sicherheit ist.

    Das Institut ist eine nichtoffizielle und unpolitische Körperschaft, der auf Grund ihrer Stiftungsurkunde die Aeußerung irgendwelcher Meinungen über weltpolitische Angelegenheiten versagt ist. Die Verantwortung für die in dem Bericht zum Ausdruck kommenden Meinungen bleibt ausschließlich den vom Ausschuß des Instituts zur Durchführung dieser Spezialuntersuchung aufgeforderten Mitgliedern der Studiengruppe überlassen.
    Es ist mir eine Freude, an dieser Stelle den Mitgliedern der Studiengruppe im Namen des Ausschusses dafür danken zu können, daß sie der Ausarbeitung des vorliegenden Berichts so viel Zeit gewidmet haben.
    ASTOR
    Präsident des Ausschusses.
    Chatham-House, 10 St. Jame's Square, London, SW. 1.
    Mai 1943«
    *****************************
    »Anhang I
    Theorien über die Gründe der deutschen Flucht in den Krieg

    (Anmerkung: Diese Zusammenstellung erhebt keinen Anspruch darauf, sämtliche möglichen Theorien über die Gründe, bzw. über die Verflechtung von Gründen, welche Deutschlands Vorgehen bestimmten, aufzuzählen. Sie stellt nur eine gestaffelte Liste von einigen der weiter verbreiteten Theorien und Erklärungen dar, die bei uns oder von den Deutschen selbst häufig zu hören sind. Von den angeführten Gründen ist unserer Studiengruppe keiner als völlig der Wahrheit entsprechend erschienen; wir finden vielmehr Elemente der Wahrheit bei verschiedenen von ihnen.)

    1. Die Deutschen sind von Natur ein aggressives Volk; und wegen dieser ihnen anhaftenden Aggressivität sind sie (so scheint es für viele) weniger zivilisiert geblieben als andere europäische Völker, und aus demselben Grunde ist das Christentum bei ihnen weniger tief eingedrungen. Das ist ein Zustand, der zu unsern Lebzeiten nicht grundlegend geändert werden kann. Die Deutschen fügen sich nur überlegener Gewalt, insoweit und solange diese von Bestand sein kann.

    2. Die Deutschen sind in erster Linie menschliche Geschöpfe und als solche zu verstehen: Verallgemeinerungen, die einem ganzen Volk unveränderliche Wesensmale zuschreiben, sind irreführend. Die Aggressivität, die sie als politische Gruppe zweifellos an den Tag gelegt haben, ist auch, selbst falls sie teilweise von der Rasse herrührt, auf die Verhältnisse und insbesondere auf die Erziehung zurückzuführen. Die Lehrer, auf die die Deutschen bisher am bereitwilligsten gehört haben, waren Gruppen (preußische Militaristen, Nazis) oder einzelne, deren verschiedene »Weltanschauungen« unter einander dies eine gemein hatten, daß die Rechte von anderen - wenn es einem so besser paßt - gewaltsam zertreten werden dürfen; es ist aber möglich, daß viele Deutsche diese Auffassung bereits verwerfen und daß die Nation im ganzen (mit Ausnahme einiger beschränkter Kategorien von Unheilbaren) dazu erzogen werden könnte, sie zu verwerfen.

    3. Die bis jetzt von Deutschland an den Tag gelegte Aggressivität ist in beträchtlichem Maße auf die Entbehrungen zurückzuführen, die es nach 1918 auszustehen hatte. Eine Ansicht geht dahin, daß die Hauptursache dieser Entbehrungen die unnötige Strenge des Versailler Vertrages war, und daß die deutsche Politik größere Bereitschaft zur Verständigung gezeigt hätte, wenn der Friedensvertrag weniger streng gewesen wäre. Demgegenüber geht eine andere Ansicht dahin, daß nicht die Vertragsbestimmungen die Ursache der zweifellos von den Deutschen ausgestandenen Entbehrungen waren, daß aber die Propaganda in Deutschland, die man anderwärts im großen und ganzen duldete und sogar unterstützte, die Deutschen davon überzeugte, daß dem so sei. Diese Ueberzeugung, im Verein mit Verletzungen von Deutschlands »Prestige« und anderm psychologischen Zündstoff, war eine Hauptursache der Aggressivität.

    4.. Wenngleich ein weniger strenger Friedensvertrag und eine entsprechend mildere Behandlung danach zwar die Entwicklung einer Aggressivpolitik nicht verhindert hätten, so hätte dies doch dadurch geschehen können, daß man Deutschlands Besitzlosigkeit einsah und es durch vielleicht große, aber immer noch begrenzte Zugeständnisse in eine besitzende Macht verwandelt hätte.

    5. Die von Deutschland bis jetzt an den Tag gelegte Aggressivität ist darauf zurückzuführen, daß es nach 1918 zu milde behandelt worden ist: kein siegreicher Einmarsch, keine feste Rüstungskontrolle usw. Durch geeignete Maßnahmen hätte man es im Zaum halten können.

    6. Die von Deutschland bis jetzt an den Tag gelegte Aggressivität ist darauf zurückzuführen, daß seine Führer Ziele verfolgten, die nur durch Krieg zu erreichen waren, oder zumindest - wie in der Wirtschaftspolitik - Methoden anwandten, die natürlicherweise den Krieg nach sich ziehen. Das Volk, oder hinreichend wichtige Teile des Volkes, folgten ihren Führern, weil:
    a) sie kämpfen wollten oder wenigstens Belohnung erwarteten; oder
    b) sie den Krieg als für die »Sendung« des Dritten Reiches notwendig erachteten; oder
    c) die politische Unreife der Massen, obwohl sie gegen den Krieg waren, sie entweder hinderte, die Gefahr zu erkennen oder - falls sie sie erkannten - ihre Führer zu stürzen; oder
    d) sie bereit waren, jeden beliebigen zu unterstützen, ganz gleich wie groß das Risiko sei, der sie herausführte aus der Massenarbeitslosigkeit.

    7. Ein Angriff wie der, zu dem Deutschland im Jahre 1939 seine Zuflucht nahm, ist hinreichend erklärbar als das unvermeidliche Ergebnis des Monopolkapitalismus auf einer bestimmten Entwicklungsstufe.

    8. Deutschlands Aggressivität ist ein Versuch, bewußt und mit Gewalt eine Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen, die ihm von geschichtlichen Zufällen auferlegt worden ist. Während Rußland, Frankreich, England und die Vereinigten Staaten sich Weltreiche schufen und ausbauten, war Deutschland nur eine geographische Bezeichnung. Es hatte noch nicht das Nationalgefühl, die Einheit und den weltstädtischen Kern entwickelt, die zur Weltreichsbildung notwendig sind. Als es schließlich so weit gekommen war, hatte sich die Ausbreitungsmöglichkeit gewaltig verengt. Als Volk und Staat besaßen die Deutschen weniger Abflüsse für ihr industrielles, wissenschaftliches und selbst biologisches Potential als andere (nach deutscher Ansicht weniger berufene) Staaten.

    9. »Aggressivität« ist keine spezifische Eigentümlichkeit der deutschen Politik. Sämtliche Staaten behaupten sich bis zu den Grenzen ihrer Kraft durch die ihnen zugänglichen Mittel - militärischer, wirtschaftlicher oder moralischer Art. Das Schicksal hat gewollt, daß Deutschland augenblicklich der mächtigste Träger des aggressiven Impulses in Europa ist, wie früher einmal Spanien und dann Frankreich. Der Impuls wird vielleicht nachlassen, aber dann aus Gründen, die man von außen nicht kontrollieren kann.

    10. Deutschland ist nicht aggressiv gewesen. Es hat sich nur gegen Bedrohungen von außen gewehrt, z. B. gegen die Einkreisung oder die slawische Gefahr.

    11. Der Begriff »Aggression ist, da er eine moralische Verurteilung einschließt, unangebracht. Die Deutschen haben nur ihre Rechte als überlegenes Volk gegenüber unterlegenen Gegnern geltend gemacht. Zwar gibt es kein anderes Kriterium für seine Rechte als Deutschlands eigenes Urteil, aber die schwachen Reaktionen Europas liefen auf ihre Anerkennung hinaus.

    12. Deutschland hat seine Zuflucht im Krieg gesucht, um Europa vor jüdischen und bolschewistischen Einflüssen zu retten und vor der althergebrachten britischen Politik des Zwiespaltsäens; ferner, um die von dem gegenwärtigen historischen Augenblick verlangte Aufgabe zu erfüllen, nämlich die Schaffung der europäischen Einheit.«
    Ich habe immer Hemmungen, so etwas hier einzustellen. Diese sogen. "Studie" ist letztlich das Sammelsurium an verschiedenen Meinungen, wie sie bei Chatham's üblich sind. Die "Bilderberger" verfahren, wie anders, nach dem gleichen Muster der "Chatham House Rule".

    Wer mag, kann sich das Passende für sich jetzt raussuchen. Eine Antwort darauf, ob die Wehrmacht für einen Weltkrieg gerüstet war und ob Hitler einen Krieg überhaupt wollte, gibt die Studie natürlich nicht. Allenfalls lässt sich herauslesen, warum man Deutschland "leider kurz und klein schlagen musste".

    Eine ähnliche Studie gab Maggy Thatcher 1990 in Auftrag, um herauszufinden, wie "die Deutschen heute sind", also im Jahr der "Wiedervereinigung".

    Vielleicht aber lohnt es sich, über die obige Studie des Chatham House einmal intensiver to diskutieren?

  5. #1415
    Sozialdemokrat Benutzerbild von Alter Stubentiger
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    Standard AW: War die Ruestung Deutschlands 1939 auf einen Angriffskrieg ausgelegt?

    Nein. Lohnt sich nicht. Die Welt hat sich weiter gedreht.

  6. #1416
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    Standard AW: War die Ruestung Deutschlands 1939 auf einen Angriffskrieg ausgelegt?

    Zitat Zitat von Alter Stubentiger Beitrag anzeigen
    Nein. Lohnt sich nicht. Die Welt hat sich weiter gedreht.
    Lohnt also nicht....dann halten Sie sich ab sofort aus diesem Strang heraus und versuchen sich in der Witzeabteilung !

  7. #1417
    Freigeist Benutzerbild von Nereus
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    Standard AW: War die Ruestung Deutschlands 1939 auf einen Angriffskrieg ausgelegt?

    Um den Faden wieder aufzunehmen, möchte ich den sowjetischen Diplomaten in London, Maiski, zitieren, der die Frage nach der Rüstung Großdeutschlands für einen Angriffskrieg aus seiner Sicht plausibel beantwortete:

    »DIE NIEDERLAGE FRANKREICHS (ab Seite 573)
    Der Durchbruch bei Sedan hatte sich wie ein drohender Schatten über Frankreich gelegt. Heute wissen wir, daß Frankreich damals nur noch einen einzigen Monat als selbständige Großmacht bestand. Damals wußten wir das nicht genau, doch schon Mitte Mai machten sich weite politische Kreise in England große Sorge um die Zukunft Frankreichs. Viele wollten es nicht offen aussprechen, bangten aber insgeheim um das Morgen ihres wichtigsten Verbündeten auf dem europäischen Festland. Diese Besorgnis verbreitete sich auch jenseits des Atlantiks. Höchst bezeichnend ist, daß Roosevelt bereits am 15. Mai, also gleich nach dem Durchbruch bei Sedan, Mussolini ermahnte, von einer neuerlichen Ausweitung des Krieges Abstand zu nehmen. Diese Mahnung stieß bei Mussolini natürlich auf taube Ohren, doch hätte der Präsident der Vereinigten Staaten einen solchen Schritt gewiß nicht getan, wenn er nicht Frankreichs baldigen Zusammenbruch befürchtet hätte. Aus meiner Umfrage ergab sich ebenfalls, daß so kompetente Leute wie Lloyd George und die Webbs die nahe Niederlage Frankreichs für höchst wahrscheinlich hielten.

    Ähnlich äußerten sich auch andere Bekannte, die ich unter Parlamentariern, Politikern und Journalisten hatte. Natürlich verfolgte ich das gesamte Frontgeschehen mit größter Aufmerksamkeit und nicht geringerer Sorge. Es gestaltete sich immer bedrohlicher.

    Mitte Mai war das Schicksal Belgiens und Hollands eigentlich besiegclt. Die niederländische Armee hatte kapituliert, aber Königin Wilhelmina und ihre Regierung, die nach. England gegangen waren, hatten erklärt, daß sie sich der französisch-britischen Koalition anschlössen und den Krieg gegen Deutschland fortsetzten. Die belgische Armee kapitulierte formal erst am 28. Mai, aber schon Mitte Mai wurde klar, daß sie geschlagen war und daß die französisch-britische Hilfe sie nicht mehr retten konnte. Zudem war es, wie bereits erwähnt, zwischen dem belgischen König Leopold und seiner Regierung, an deren Spitze Pierlot stand, zum Bruch gekommen: Der König ergab sich dem Sieger auf Gnade und Ungnade, die Regierung dagegen beschloß, den Krieg fortzusetzen, und nahm ihren Sitz zunächst in Frankreich und später in England.

    Nun war Hitler nur noch ein Gegner auf dem Kontinent verblieben. Frankreich, dem er am 14. Mai bei Sedan einen gefährlichen Schlag versetzen konnte. Das führte in Frankreich zu einer politischen wie militärischen Reaktion. Die Regierung Reynaud, die nach dem sowjetisch-finnischen Krieg das Kabinett Daladier abgelöst hatte, wurde von einem regelrechten Reorganisierungsfieber befallen. Am 10. Mai, sofort nach dem Oberfall Deutschlands auf Holland und Belgien, beschloß der Ministerpräsident, seine Regierung dadurch zu „festigen", daß er sie erweiterte, aber nicht nach links, zum Volke hin, sondern nach rechts, zu den „200 Familien". Vertreter faschistischer Elemente wurden ins Kabinett geholt.
    Am 18. Mai, kurz nach dem Durchbruch bei Sedan, nahm Reynaud eine neuerliche Kabinettsumbildung vor. Als Stellvertreter des Ministerpräsidenten wurde der berüchtigte Marschall Petain in die Regierung berufen, der sich bei der Kapitulation Frankreichs als Erzverräter erweisen sollte.
    Am 19. Mai wurde Gamelin als Oberbefehlshaber der französischen Streitkräfte von Weygand abgelöst. Aber alle diese Umbesetzungen änderten nichts am Wesen der Sache, stammten doch die neuen Minister und Generale aus dem gleichen durch und durch verrotteten Milieu der „200 Familien", die Hitler der Volksfront vorzogen.
    Kein Wunder, daß solche „Führer" weder die Volksmassen zum Kampf zu führen noch im Augenblick der höchsten Gefahr Wege zur Rettung Frankreichs zu finden vermochten. Das sollte sich sehr bald in der Praxis erweisen.

    Auf dem Papier war das Kräfteverhältnis der deutschen und der französisch-britischen Truppen, die im Mai 1940 im Westen gegeneinander kämpften, fast gleich. Churchill berichtet in seinen Kriegserinnerungen, daß die Deutschen ihre Offensive mit hundertsechsunddreißig (136) Divisionen (darunter zehn Panzerdivisionen mit beinahe dreitausend (3000) Panzerwagen) begannen und daß ihnen hundertfünfunddreißig (135) französische, britische, belgische und holländische Divisionen gegenüberstanden.

    In Wirklichkeit waren die Deutschen jedoch weit stärker als die Alliierten, vor allem aus drei Gründen.

    Erstens
    war die deutsche Armee ihren Gegnern in der Waffentechnik und den Methoden der Kriegführung überlegen. Panzer, Panzerwagen, Motorräder und motorisierte Infanterie verliehen ihr eine gewaltige Stoßkraft und sicherten ihr eine schwungvolle Vorwärtsbewegung. Hinzu kam eine Luftwaffe, wie sie noch nicht dagewesen war.
    Dagegen waren die alliierten Armeen samt ihrem Offizierskorps in den Traditionen der Vergangenheit erstarrt und hinsichtlich der modernsten Technik jener Zeit weit hinter der deutschen Armee zurück. Erwähnt sei nur, daß die Franzosen den zehn deutschen Panzerdivisionen eine einzige und die Engländer überhaupt keine Panzerdivision entgegenzusetzen hatten. Die Alliierten bildeten ihre Armeen zwischen den beiden Weltkriegen im Grunde genommen nach den Erfahrungen des ersten Krieges aus, ohne eine rechte Vorstellung davon zu haben, wie ein neuer Weltkrieg aussehen würde.
    Darum war selbst ein so kluger Politiker wie Lloyd George so erstaunt darüber, daß bei den Kämpfen auf deutscher Seite nur Maschinen und fast keine Menschen zu sehen waren.

    Zweitens hatte die faschistische Wehrmacht in diesem Krieg in der Geschichte völlig neue Kampfmethoden angewandt, wie sie sich aus dem hohen Grad ihrer technischen Ausrüstung ergaben. Das Zusammenwirken motorisierter und Panzerverbände mit Stukageschwadern wurde zum Hauptmittel, um die Front zu durchbrechen und den Gegner aufzureiben.
    Das hatte es nie zuvor gegeben; die alliierten Armeen waren darauf weder technisch noch moralisch eingestellt und hielten deshalb in der Regel den feindlichen Angriffen nicht stand. Die Frontlinie wurde sofort durchbrochen, in den Durchbruch drangen sehr schnell Panzer und Panzerwagen ein, überrollten alles und stießen den alliierten Truppen unglaublich schnell in den Rücken oder in die Flanken. Weder die Franzosen noch die
    Engländer hatten die technischen Mittel, die Ausbildung oder die Methoden zur Abwehr derartiger Angriffe, und darum gerieten ihre Armeen in Verwirrung, ja in Panik und wichen zurück.

    Drittens wurde die Hitlerwehrmacht von einem einheitlichen Kommando gelenkt und war von aggressivem Geist erfüllt, während die Armeen der Alliierten mehreren Kommandos (dem englisch-französischen, dem belgischen, dem niederländischen) unterstanden, vor allem aber vom zersetzenden Defätismus beherrscht waren, der von den „200 Familien" ausging.

    Churchill will in seinen Kriegserinnerungen die UdSSR und die Kommunisten für die Zersetzung der französischen Armee im Frühjahr 1940 verantwortlich machen. Er schreibt:
    „Die französische Armee, angenagt vom sowjetinspirierten Kommunismus und entmutigt durch den langen trüben Winter an der Front, hatte tatsächlich an Wert eingebüßt. .."
    Welch flagrante Geschichtsfälschung! Mußte doch Churchill wissen, daß nach dem Fall Frankreichs gerade aus den „sowjetinspirierten" Kreisen Tausende der heldenhaftesten Kämpfer der Resistance, Kämpfer gegen die Unterjochung ihres Landes durch die Nazis, hervorgegangen sind. Nein, die Hilflosigkeit der französischen Armee im Kampf gegen den Feind erklärte sich nie und nimmer aus dem „sowjetinspirierten Kommunismus", sondern aus dem faktischen Landesverrat der „200 Familien" und der mit ihnen liierten französischen Generale. Churchills Behauptung ist um so befremdender, als die Kapitel seiner eigenen Erinnerungen, welche die Niederlage Frankreichs behandeln, eindrucksvoll die tiefgehende Zersetzung innerhalb der politischen und militärischen Oberschicht des Landes schildern. Hier nur ein Beispiel für viele.
    Über eine so maßgebliche Figur wie Weygand, der doch Frankreich vor der Niederlage retten sollte, schreibt Churchill:
    „Er empfand eine tiefe, lebenslange Abneigung gegen das parlamentarische Regime der Dritten Republik. Als überzeugter und eifriger Katholik sah er in dem Unglück, das über sein Land hereingebrochen war, die Strafe Gottes für die Abkehr vom christlichen Glauben."'
    Wie hätte ein Mann mit solchen Ansichten eine Armee in den Kampf gegen den Feind führen können?

    Kein Wunder also, daß es den deutschen Truppen bereits sechs Tage nach ihrem Durchbruch bei Sedan gelang, ganz Frankreich in der Ost-West-Richtung zu durchqueren und am 19. Mai Abbeville an der Atlantikküste zu erreichen. Damit waren die französisch-britische Front in zwei Teile gespalten, Nordfrankreich abgeschnitten, alle alliierten Kräfte, die sich im Norden befanden, darunter auch das von General Gort befehligte Britische Expeditionskorps, in eine Falle geraten und an die Küste der Nordsee und des Ärmelkanals gedrängt worden.
    In Paris brach eine regelrechte Panik aus. Churchill berichtet in seinen Memoiren, am Morgen des 15. Mai, das heißt am Tage, nach dem Durchbruch, habe ihn der französische Ministerpräsident Reynaud angerufen und gejammert: „Wir sind geschlagen!" Churchill suchte ihm Mut einzuflößen und zu beweisen, daß jede Lücke gestopft werden könne, aber vergeblich. Darum begab er sich am 16. Mai mit den Generalen Dill und Ismay auf dem Luftweg nach Paris, um den Widerstandswillen der französischen Führer zu stärken. Er fand Verwirrung und Hilflosigkeit vor. General Gamelin, damals noch Oberbefehlshaber, war ratlos. Als Churchill fragte, wo denn die französischen strategischen Reserven seien, zuckte Gamelin nur die Achseln und antwortete: „Wir haben keine" („Aucune"). Diese reaktionären Generale taugten nicht einmal als Militärs etwas!
    Damals kannte ich noch nicht alle Einzelheiten, über die Churchill schreibt, aber das Wichtigste war schon im Mai 1940 klar. Darum hatte ich ja gerade in jenen Tagen meine Umfrage über die vermutliche Haltung Englands nach einem Ausscheiden Frankreichs aus dem Krieg angestellt.
    Sobald die deutschen Truppen den Norden Frankreichs abgeschnitten hatten, gingen sie daran, die dort eingekreisten alliierten Kräfte aufzuspalten, um sie nacheinander gefangenzunehmen. Die Kapitulation der belgischen Armee erleichterte ihnen diese Aufgabe bedeutend. Die französischen und britischen Truppen wehrten sich hartnäckig, mußten aber Schritt für Schritt an die Küste zurückweichen. Ihr Rückzug nach England wurde höchst akut. Die Alliierten mußten dazu mehrere Häfen halten und dort „blitzartig" eine ausreichende Anzahl Schiffe zusammenziehen. Das erwies sich als sehr schwer.
    Ursprünglich waren dafür Boulogne, Calais und {b]Dünkirchen[/b] vorgesehen, doch vermochten die Alliierten die beiden erstgenannten Häfen nicht gegen den Ansturm der Hitlerwehrmacht zu behaupten. Schließlich war ihnen nur noch Dünkirchen mit einem schmalen Küstenstreifen verblieben. Auf diesem Brückenkopf waren nun über dreihunderttausend (300.000) Mann zusammengedrängt, zum größten Teil Engländer, die es abzutransportieren galt.

    Die Lage war sehr schwer. Die deutschen Landstreitkräfte hatten den Raum Dünkirchen mit ihren vielen Panzern und Panzerwagen wie mit einem eisernen Ring umklammert, und die Luftwaffe belegte ihn pausenlos mit Bomben. Die hier eingekesselten alliierten Truppen waren ebenso wie die zum Abtransport bestimmten Schiffe einem lawinenartigen Trommelfeuer ausgesetzt. Sehr bald wurde klar, daß der Rückzug binnen weniger Tage erfolgen mußte, sonst würden die hier eingeschlossenen britisch-französischen Kräfte unweigerlich aufgerieben werden oder in deutsche Gefangenschaft geraten. Doch für einen so raschen Rückzug derart starker Verbände war der Hafen Dünkirchen zu klein. Daher mußten die Mannschaften unmittelbar vom Strand aus eingeschifft werden: dazu wiederum waren viele Wasserfahrzeuge mit geringem Tiefgang erforderlich, die dicht an die Küste herankommen konnten. Wie sollte man sie auftreiben?

    Da geschah etwas, das die ganze Welt tief beeindruckte. Wie ein Blitz durchzuckte es ganz England: Jeder wollte etwas zur Rettung „our Boys" („unserer Jungs") tun, die dort am Strand von Dünkirchen ausharrten. Besitzer von Jachten, Motorbooten, Jollen, Kuttern, Schleppdampfern, ja selbst von Segelbooten bestürmten die Admiralität und erboten sich, britische Soldaten von der französischen Küste abzutransportieren. Das war eine schwierige, höchst riskante Operation: Luftwaffe und Artillerie der Faschisten setzten alles daran, den Rückzug zu vereiteln. Doch die Gefahr wurde in Kauf genommen. Die Admiralität verstand es, den mächtigen Impuls, der die Nation erfaßt hatte, organisatorisch zu steuern, und so konnten rund vierhundert kleine Wasserfahrzeuge am Unternehmen „Dynamo" (das war das Losungswort für den Rückzug der alliierten Truppen aus Dünkirchen) teilnehmen. Obwohl fast die Hälfte von ihnen verlorenging, brachten sie einen gewaltigen Nutzen. Sie fuhren dicht an die Küste, nahmen die Männer von Booten oder direkt aus dem Wasser an Bord, brachten sie schleunigst nach Dover oder einem anderen britischen Hafen und kehrten sogleich an die französische Küste zurück, um eine neue Gruppe abzuholen. Viele von ihnen legten diesen Weg unter Bomben- und Geschoßhagel Dutzende Male zurück, vorwiegend im Schutze der Dunkelheit. Gleichzeitig transportierten große Dampfer und Kriegsschiffe unter dem Schutz britischer Flugzeuge ganze Truppenteile und -verbände ab. Das war ein wahrhaft heroischer Rückzug, und die Engländer waren mit Recht stolz darauf. Er dauerte zehn Tage, vom 26. Mai bis zum 4. Juni, und war zweifellos ein Erfolg. Allerdings mußten alle Waffen und Vorräte in Frankreich zurückgelassen werden, doch gerettet und nach England gebracht wurden dreihundertachtunddreißigtausend (338.000) Mann, darunter einhunderttausend Mann, die von kleinen Fahrzeugen direkt am Strand aufgenommen worden waren. Unter den Geretteten befanden sich etwa fünfzigtausend Franzosen. Von den achthunderteinundsechzig Fahrzeugen, die an dem Unternehmen „Dynamo" teilgenommen hatten, wurden zweihundertdreiundvierzig versenkt.

    Das Land atmete erleichtert auf, als diese ganze Operation abgeschlossen war. Man sah auf Schritt und Tritt, wie die sonst so zurückhaltenden und kaltblütigen Engländer einander beglückwünschten, und ihre Mienen hellten sich dabei auf.
    Mir ist aus jenen Tagen eine kleine, aber charakteristische Begebenheit in Erinnerung geblieben. Unweit der sowjetischen Botschaft gab es ein gemütliches Cafe, in dem ich manchmal eine Tasse Tee oder eine Flasche Bier trank. Nach und nach war ich mit dem Besitzer bekannt geworden, der immer am Schanktisch stand. Ich hielt ihn für einen typischen Durchschnittsengländer, einen Mann an der Grenze zwischen.Kleinbürgertum
    und mittlerer Bourgeoisie. Um Politik kümmerte er sich nicht, bei Wahlen stimmte er (wenn überhaupt) für die Konservativen. In der Zeitung interrssierten ihn nur die Aktienkurse und die Sportmeldungen, vor allem aber hatte er sein Cafe und das eigene Wohlergehen im Sinn.
    Während der Ereignisse von Dünkirchen kam ich eines Tages in das Cafe, sah aber anstelle des Besitzers seine Frau hinter dem Schanktisch und fragte aus Höflichkeit, wo denn ihr Gatte sei. Ernst und gefaßt antwortete sie:
    „Dort." Eine unbestimmte Geste in den Raum hinein begleitete dieses Wort.
    „Dort?" fragte ich verständnislos.
    „Nun, dort", erwiderte sie und sah mich befremdet an, „in Dünkirchen."
    „In Dünkirchen?" Meine Stimme verriet Überraschung. „Was hat er denn dort zu tun?"
    „Was er dort zu tun hat?" rief sie aufgebracht. „Dasselbe wie alle: Er rettet our boys vor den Deutschen."
    Und sie fügte mit plötzlicher Wehmut - ganz liebende Gattin - hinzu
    „Wenn Sie wüßten, wie aufgeregt ich bin, wie ich mich fürchte ... Wo es doch dort so gefährlich ist ... Was kann alles passieren ... Wir haben ein kleines Motorboot, und als mein Mann erfuhr, wie nötig kleine Fahrzeuge sind, um our boys herauszuholen, war er nicht mehr zu halten ... Wenn es nur gut geht!"

    Ich war überrascht. Am allerwenigsten hätte ich erwartet, daß ein Mann wie dieser Kaffeehausbesitzer sich freiwillig an dem Unternehmen „Dynamo" beteiligte. Aber es war Tatsache, und zwar eine höchst bezeichnende. Ein solches Volk ist schwer zu besiegen - ging es mir durch den Kopf.

    Am 4. Juni berichtete Churchill dem Parlament über die militärische Lage und das Unternehmen „Dynamo". Nachdem er mit großer Offenheit die Vorgänge der letzten Wochen geschildert und eingehend über
    Dünkirchen gesprochen hatte, gab er zu, daß sich in Frankreich und Belgien eine militärische Katastrophe von unabsehbaren Folgen ereignet hatte. Er schloß mit den Worten:
    „Wir werden bis ans Ende durchhalten. Wir werden in Frankreich kämpfen, wir werden auf den Meeren und Ozeanen kämpfen, wir werden mit wachsendem Vertrauen und wachsender Kraft in der Luft kämpfen; wir werden unsere Insel verteidigen, was es auch kosten mag. . .
    Und wenn selbst, was ich keinen Augenblick glaube, diese Insel oder ein großer Teil von ihr unterjocht und ausgehungert werden sollte, dann würde unser Reich jenseits des Meeres, bewaffnet und beschützt von der britischen Flotte, den Kampf fortsetzen, bis zur gottgewollten Stunde, die Neue Welt mit all ihrer Macht und Kraft zur Hilfe und Befreiung der Alten Welt auftritt!"
    Ich wohnte der Sitzung des Unterhauses vom 4. Juni bei und konnte sehen, wie seine Mitglieder gestimmt waren. Im Saal herrschte ernste, feierliche Stille. Ohne Unterschied der Parteien empfanden alle Erleichterung und Genugtuung: Erleichterung, weil „our boys" gerettet waren, Genugtuung, weil das Land endlich eine Regierung hatte, die einen wirklichen Kampf gegen Nazideutschland führen konnte und wollte. Nach Dünkirchen und dem mächtigen Aufschwung unter den Volksmassen klangen Churchills Worte vom unbeugsamen Kampfeswillen Englands weder bombastisch noch romantisch.
    Während der Fahrt vom Parlament nach Hause überlegte ich: Was ich eben im Unterhaus gesehen habe, bestätigt eindeutig die Meinung, die ich erst kürzlich von den Webbs und von Lloyd George hörte. Es war klar, daß England sich selbst nach der Niederlage Frankreichs, an der nicht mehr zu zweifeln war, nicht auf einen Frieden mit Deutschland einlassen, sondern den Krieg fortsetzen würde.

    Im Zusammenhang mit Dünkirchen entbrannten schon während des Krieges und erst recht danach heftige Diskussionen darüber, weshalb wohl Hitlerdeutschland den Rückzug so großer alliierter Truppenteile,
    die in einer Falle zu sitzen schienen, zugelassen hatte. Dabei wurde insbesondere darauf verwiesen, daß große Panzerverbände, die unmittelbar bei Dünkirchen zur Verfügung standen, nicht gegen die Engländer und Franzosen eingesetzt wurden. Hätte man sie eingesetzt, so wäre Dünkirchen für die Alliierten eine regelrechte Katastrophe geworden.

    „Gutinformierte Personen" mit und ohne Uniform haben mehrere Theorien entwickelt, die das seltsame Verhalten Deutschlands erklären sollen.

    - Die einen behaupteten, Hitler habe die Engländer absichtlich bei Dünkirchen „entkommen" lassen, weil ihm viel daran gelegenn war, gleich nach der Niederschlagung Frankreichs mit Großbritannien Frieden zu schließen, und er die erwünschte Verständigung durch die Gefangennahme von hunderttausend britischen Soldaten nicht erschweren wollte.

    - Andere sagten, zum Zeitpunkt des Rückzugs wären die in der Nähe befindlichen Panzerverbände der Faschisten zu erschöpft gewesen: Nach dem vorangegangenen langen Marsch mußten sie ihre Maschinen überholen und die erforderlichen Vorbereitungen treffen für die zweite Phase der „Schlacht um Frankreich", die ihnen die Tore von Paris öffnen und Frankreich zur Kapitulation zwingen sollte. Da Deutschland den Frankreich-Feldzug möglichst rasch abschließen wollte, hätte es seine motorisierten Kräfte nicht von dieser Hauptaufgabe ablenken wollen und deshalb darauf verzichtet, sie für die relativ zweitrangige Operation der
    Gefangennahme des Britischen Expeditionskorps einzusetzen.

    - Wieder andere beteuerten, die deutsche Kriegsmaschine hätte gerade in den Tagen von Dünkirchen zufällig versagt: Irgend jemand sollte Hitlers Worte nicht richtig verstanden oder einen Befehl höchster Instanzen nicht richtig übermittelt haben, und als das bemerkt wurde, wäre es schon zu spät und der Abtransport der Engländer und Franzosen bereits zu Ende gewesen.

    - Noch andere schließlich nahmen an, das deutsche Oberkommando, damals noch ohne große Erfahrung in der Luftkriegführung, hätte die Bedeutung der Luftwaffe überschätzt und gemeint, es könnte den Rückzug allein, ohne Unterstützung durch motorisierte Bodentruppen, verhindern.

    Ich muß sagen, daß die in den Nachkriegsjahren veröffentlichten Dokumente, Erinnerungen und Studien keine eindeutige und überzeugende Antwort auf die Frage geben. Ich glaube deshalb, daß das „Wunder von Dünkirchen" auf eine Verknüpfung verschiedenster politischer, militärischer und psychologischer Umstände zurückzuführen ist sowie auf einen zufälligen, aber höchst wichtigen Faktor: Während der ganzen kritischen Tage war das Meer völlig ruhig. Dadurch wurde es möglich, zum Abtransport zahlreiche kleine Fahrzeuge einzusetzen und hunderttausend Soldaten direkt vom Strand oder sogar aus dem Wasser an Bord zu nehmen.

    Am 5. Juni 1940 begann die zweite Phase der „Schlacht um Frankreich".

    Nachdem die Hitlerwehrmacht den Norden besetzt hatte, vollzog sie nun eine Schwenkung nach Süden, um vor allem Paris einzunehmen, und, falls das nicht zu Frankreichs Kapitulation führen sollte, den Vormarsch in allen Richtungen fortzusetzen, bis ganz Frankreich besetzt wäre. Aber das war nicht nötig.
    Die Regierung Reynaud und die Armeeführung unter Weygand dachten nicht an ernsten Widerstand, obwohl Frankreich noch über große militärische Kräfte verfügte. Im Gegenteil, sie hatten nunmehr nur das eine im Sinn: das Feuer möglichst schnell einzustellen und Waffenstillstand zu schließen. Eine besonders verhängnisvolle Rolle spielten dabei Petain und Weygand. Gerüchtweise kam mir das schon damals zu Ohren.
    Was ich aber damals nicht wußte und was erst viel später klar wurde, war die Haltung Lavals. (Laval gehörte zu jener Zeit nicht der Regierung an, besaß aber starken Einfluß auf ihr nahestehende Kreise.) Laval begnügte sich nicht damit, Frankreichs Ausscheiden aus dem Krieg und den Friedensschluß mit Deutschland zu fordern, nein, er bestand darauf, daß Frankreich auf Deutschlands Seite überginge und Hitlers Eroberungspolitik
    unterstützte.
    Die Folgen solcher Stimmungen in der herrschenden Klasse blieben nicht aus. Die deutschen Einheiten durchbrachen die französische Front ...«
    (Hervorhebungen durch Nereus)

    Quelle:Maiski, Memoiren eines sowjetischen Botschafters. Dietz Verlag: Berlin, 1967 (Viel gelesenes Buch über seine Zeit als Botschafter in Großbritannien, das auf seinen Tagebuchnotizen beruht, die von der Yale University Press veröffentlicht und ins Netz gestellt werden sollen. Wichtig für die Vorgeschichte zum Zweiten Weltkrieg.)
    [Links nur für registrierte Nutzer]

    Aus weiteren Beobachtungen Maiskis ergibt sich, daß die französische Oberschicht, die “200” Familien, nicht richtig gegen Großdeutschland kämpfen wollten, sondern nach dem seltsamen “Sitzkrieg”, ohne Polen zur Hilfe zu eilen, sich problemlos besiegen ließen. Wie nach einem geheimen überstaatlichen Plan, wurden die mehrheitlich katholisch-autoritären Länder für einen Krieg gegen die gottlose Sowjetunion arbeitsteilig aufgestellt: die einen als Rüstungslieferanten und die anderen als Angriffstruppen.

  8. #1418
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    Standard AW: War die Ruestung Deutschlands 1939 auf einen Angriffskrieg ausgelegt?

    Zitat Zitat von nethead Beitrag anzeigen
    Die groesste Landstreitkraft Europas, also Frankreich, in 3 Tagen zu besiegen ist schon etwas besser wie "hat gerade noch geklappt".



    Das ist ja auch meine Meinung allerdings brauche ich mehr Belege.
    Man sagt mir immer das Albert Speer's Buch "Erinnerungen" eine Lüge ist usw.. Er würde eine umstrittene Rolle spielen komischerweise werden die gesamten fachlichen Aussagen von ihm hier bestätigt. Also viel wird er auch nicht geflunkert haben. Wobei, was ideologisch mit war, weiss ich und ehrlich gesagt ich will's gar nicht wissen. Wollte nur wissen was mit der Rüstung damals sache war.

  9. #1419
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    Standard AW: War die Ruestung Deutschlands 1939 auf einen Angriffskrieg ausgelegt?

    Zitat Zitat von mabac Beitrag anzeigen
    Dietls Division (3. Gebirgs-Division ) kapitulierte in der Tschechei vor den Russen, Dietls Armee (20. Gebirgs-Armee) in Norwegen vor den Briten. Irgendetwas stimmt an Ihrer Geschichte nicht.
    Ich bin Ihnen noch eine Antwort schuldig. ---> [Links nur für registrierte Nutzer]

    Werter @Mabac, nun hatte ich doch noch Gelegenheit mit diesem Zeitzeugen zu reden.

    Er wurde bei der Ausschiffung von Norwegen von Schotten in Bremen gefangen genommen.
    Mit dem Zug ging es dann Richtung Süden.

    Sie wurden getrennt nach Deutschen, Sudetendeutschen und Österreichern. Er kam dann in ein Gefangenenlager in der Nähe von Heilbronn. Hat also mit den berüchtigten Rheinwiesenlagern nur entfernt zu tun.

    Sie bekamen als Unterkünfte Zelte, ... ohne Boden. Die SS hatte nach seiner Aussage keine Unterkünfte. Sie hausten in Löchern außerhalb im gleichen Lager.

    Die Verpflegung war wie in Bacque´s Buch beschrieben. Den Gefangenen Essen zu bringen, war nicht erlaubt.

  10. #1420
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    Standard AW: War die Ruestung Deutschlands 1939 auf einen Angriffskrieg ausgelegt?

    Betrifft "Chatham House "Studie""

    Der Vorwurf seitens Englands, Deutschland "Aggressivitaet" vorzuwerfen ist vollkommen Laecherlich.
    Geändert von nethead (23.12.2013 um 04:56 Uhr)
    "A totalitarian society not only does not tolerate a freedom of opinion, but it cultivates by all means in its power a "received opinion," which all have to parrot, not only without checking it, but often without any understanding of what it means. " - David Cole

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