Im SPIGEL ist nichts zu finden
, aber im SPIEGEL 59/1975 gehört der Artikel von Wilhelm Bittorf über den "Council on Foreign Relations" zu den wenigen besonders lesenswerten Insider-Informationen über die „überstaatlichen Mächte“. 1974 war das ASPEN-Institut in Westberlin, Ableger eines US-Denkerklubs, vom ehemaligen US-Hochkommissar für Deutschland, Direktor der FORD Foundation und Mitgründer der „Freien Universitiät“ (FU) S. Stone installiert worden. (zu den amerikanischen Mitgliedern zählten u.a. H. Kissinger und R.O.Anderson (OIL).
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Also mußte den westdeutschen und europäischen Eliten gesagt werden, wo die Musik in der Welt spielt, was gegeigt wird und wer dirigiert.
Dein „Chatroom“ (habe die Berichtigung gelesen) gibt mir die Gelegenheit nun wieder etwas zum Strangthema zu schreiben. Ob „Deutschland“, eigentlich die damalige Hitler-Regierung, zum Krieg gerüstet war, ob es ein „Angriffskrieg war oder ein Verteidigungskrieg“, ob „Hitler überhaupt einen Krieg wollte oder nur Frieden“, ob „Hitler zum Krieg gezwungen wurde oder viele Väter den Krieg inszenierten“ erzählt uns möglicherweise die Publikation einer RIIA-Studiengruppe von 1942, veröffentlich 1945.
“DAS PROBLEM DEUTSCHLAND – Bericht einer Studiengruppe des Chatham-House“, Herausgegeben vom ROYAL INSTITUTE of INTERNAIONAL AFFAIRS, London, Europa Verlag Zürich/New York 1945.
»VORWORT
Das Forschungsinstitut für internationale Angelegenheiten (Royal Institute of International Affairs) lud vor einiger Zeit eine Reihe berufener Persönlichkeiten der verschiedensten Einstellung und Erfahrung ein, eine Studiengruppe zu bilden zur Erörterung der mit der Behandlung Deutschlands nach dem Krieg verknüpften Fragen. Der Bericht des Instituts liegt nun hier vor. Er erhebt nicht den Anspruch, das Schlußwort über diesen riesigen Fragenkomplex auszusagen, einfach weil sich etwas Abschließendes darüber nicht aussagen läßt - nicht einmal, wenn die Art des Sieges sehr viel klarer geworden ist als heute. Doch wenn er dazu beiträgt, realistisches Denken zu wecken und zu verbreiten, Illusionen zu zerstören, die Kernfragen herauszuschälen und anzudeuten, welche Wirkungen von den verschiedenen Arten des Vorgehens zu erwarten sind, so war die Tätigkeit der Studiengruppe gerechtfertigt.
Der Ausschuß hofft, demnächst Spezialuntersuchungen über wirtschaftliche Fragen der Nachkriegswelt und der Zukunft Europas veröffentlichen zu können. Deswegen enthält der vorliegende Bericht keine detaillierte Darstellung der wirtschaftlichen Seite des Problems, Auch hat sich die Studiengruppe durch ihre Aufgabe nicht verleiten lassen, in der Behandlung Deutschlands das einzige politische Hauptproblem nach der Erringung des Sieges zu sehen. Sie ist vielmehr zu dem Schluß gekommen, daß das deutsche Problem gänzlich und auf die Dauer nicht zu lösen ist, wenn man es völlig aus dem größeren Zusammenhang der Weltpolitik löst.
Bei einem Bericht wie dem vorliegenden geht es nicht an, seinen Inhalt in ein paar Stichworte zusammenzufassen. Er geht in der Weise vor, daß er die beiden extremen Hypothesenn analysiert: Die einer totalen und dauernden Kontrolle alles Lebens in Deutschland einerseits und die eines totalen Zusammengehens mit einem besiegten Deutschland auf der Grundlage der Gleichheit anderseits. Aus Gründen, die eingehend dargelegt sind, werden diese extremen Methoden beide verworfen. Es wird ein realpolitischer Kurs aufgezeigt, der sowohl durchführbar wie geeignet ist, eine Wiederholung des deutschen Angriffs zu verhindern, und der sich außerdem der britischen Oeffentlichkeit höchstwahrscheinlich empfehlen dürfte. Ihr fällt kein kleiner Teil der Verantwortung für die Einhaltung des Kurses zu.
Die für die kommenden Jahre hinsichtlich Großbritanniens und Deutschlands anzusetzenden Machtfaktoren werden aufgezählt und gegeneinander abgewogen. Fragen von den zukünftigen Grenzen Deutschlands werden behandelt, unter Herausarbeitung allgemeiner Gesichtspunkte, die zu ihrer Beantwortung vielleicht unerläßlich sein werden, wenn die Hoffnungen auf Sicherheit und einen dauernden Frieden in Erfüllung gehen sollen. Doch es wird anerkannt, daß kein Einzelfall allein auf Grund einfacher allgemeiner Gesichtspunkte entschieden werden kann; bei jedem werden nur für ihn geltende, vielfach ineinander verflochtene Umstände mitspielen. Es werden die Vorzüge der verschiedenen Verhaltungsweisen erwogen, die bei einer Aufrechterhaltung der politischen Einheit oder einer inneren Aufteilung des Deutschen Reichs eingeschlagen werden können. Ferner wird die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit, seine künftige Regierungsform beeinflussen zu wollen, untersucht und die bürgerlichen und politischen Rechte, die dem deutschen Volk eingeräumt werden können. Vor allem in dieser Beziehung wird die Verflechtung der deutschen Frage mit umfassenderen europäischen Ordnungsproblemen dargetan.
Man wird erkennen, welch offensichtliches Gefahrenmoment in dem Widerspruch zwischen den Wirtschafts- und den Abrüstungsklauseln der Atlantik-Charta verborgen liegt, sobald man ihre praktische Anwendung ins Auge faßt; die Wahl zwischen Prosperität und Sicherheit kann Schwierigkeiten verursachen. Dieses Gefahrenmoment kann gemindert werden, falls die Abrüstungsmethoden richtig durchdacht und geplant werden, aber die Alliierten werden fest bei ihren Beschlüssen bleiben müssen, wenn die Abrüstung Deutschlands auch in solchen Zeiten aufrechterhalten werden soll, wo eine Lockerung - und nicht nur im Innern Deutschlands, sondern im Namen der europäischen Prosperität - bestimmt verlangt werden wird. Die wichtigste Lehre, die der Bericht aus der geschichtlichen Untersuchung der Abrüstung nach dem vorigen Krieg zieht, ist die, daß die technischen Schwierigkeiten, die sich der Verhinderung einer deutschen Wiederaufrüstung entgegenstellen, nicht unüberwindbar sind; das eigentliche Gefahrenmoment ist ein Schwächerwerden der Entschlossenheit bei den Alliierten, eine solche Wiederaufrüstung zu verhindern. Nach der wohlerwogenen Auffassung der Studiengruppe ist die Verhinderung der Wiederaufrüstung die einzige Zwangsmaßnahme gegenüber Deutschland, auf der England bedingungslos bestehen soll.
Doch nicht allein einer Herausforderung mit den Waffen, auch einer Herausforderung der Ideen ist zu begegnen. Eine endgültige Sicherheit läßt sich erst erreichen, nachdem eine Mentalität der Verständigung - in Wahrheit und nicht nur dem Anschein nach - sowohl im deutschen Menschen, wie im deutschen Staat sich entwickelt hat. Das letzte Kapitel des Berichtes untersucht in tiefschärfender Weise die hiefür bestehenden Aussichten, sowie den Anteil, der der britischen Politik und Haltung dabei zukommt. Es gilt für England und die andern siegreichen Länder, Ziele zu verfolgen, die dem deutschen Volke eine bessere Lösung der dringlichsten Gegenwartsprobleme bringen können und sollen, als irgend eine Nazi-Idee es kann. In den Vier Freiheiten können wir den gemeinsamen Zielpunkt am klarsten erblicken, auf den alle Hoffnung auf praktische Zusammenarbeit unter den Völkern gerichtet ist. Doch dürfen wir nie vergessen, daß die Voraussetzung dafür Sicherheit ist.
Das Institut ist eine nichtoffizielle und unpolitische Körperschaft, der auf Grund ihrer Stiftungsurkunde die Aeußerung irgendwelcher Meinungen über weltpolitische Angelegenheiten versagt ist. Die Verantwortung für die in dem Bericht zum Ausdruck kommenden Meinungen bleibt ausschließlich den vom Ausschuß des Instituts zur Durchführung dieser Spezialuntersuchung aufgeforderten Mitgliedern der Studiengruppe überlassen.
Es ist mir eine Freude, an dieser Stelle den Mitgliedern der Studiengruppe im Namen des Ausschusses dafür danken zu können, daß sie der Ausarbeitung des vorliegenden Berichts so viel Zeit gewidmet haben.
ASTOR
Präsident des Ausschusses.
Chatham-House, 10 St. Jame's Square, London, SW. 1.
Mai 1943«
*****************************
»Anhang I
Theorien über die Gründe der deutschen Flucht in den Krieg
(Anmerkung: Diese Zusammenstellung erhebt keinen Anspruch darauf, sämtliche möglichen Theorien über die Gründe, bzw. über die Verflechtung von Gründen, welche Deutschlands Vorgehen bestimmten, aufzuzählen. Sie stellt nur eine gestaffelte Liste von einigen der weiter verbreiteten Theorien und Erklärungen dar, die bei uns oder von den Deutschen selbst häufig zu hören sind. Von den angeführten Gründen ist unserer Studiengruppe keiner als völlig der Wahrheit entsprechend erschienen; wir finden vielmehr Elemente der Wahrheit bei verschiedenen von ihnen.)
1. Die Deutschen sind von Natur ein aggressives Volk; und wegen dieser ihnen anhaftenden Aggressivität sind sie (so scheint es für viele) weniger zivilisiert geblieben als andere europäische Völker, und aus demselben Grunde ist das Christentum bei ihnen weniger tief eingedrungen. Das ist ein Zustand, der zu unsern Lebzeiten nicht grundlegend geändert werden kann. Die Deutschen fügen sich nur überlegener Gewalt, insoweit und solange diese von Bestand sein kann.
2. Die Deutschen sind in erster Linie menschliche Geschöpfe und als solche zu verstehen: Verallgemeinerungen, die einem ganzen Volk unveränderliche Wesensmale zuschreiben, sind irreführend. Die Aggressivität, die sie als politische Gruppe zweifellos an den Tag gelegt haben, ist auch, selbst falls sie teilweise von der Rasse herrührt, auf die Verhältnisse und insbesondere auf die Erziehung zurückzuführen. Die Lehrer, auf die die Deutschen bisher am bereitwilligsten gehört haben, waren Gruppen (preußische Militaristen, Nazis) oder einzelne, deren verschiedene »Weltanschauungen« unter einander dies eine gemein hatten, daß die Rechte von anderen - wenn es einem so besser paßt - gewaltsam zertreten werden dürfen; es ist aber möglich, daß viele Deutsche diese Auffassung bereits verwerfen und daß die Nation im ganzen (mit Ausnahme einiger beschränkter Kategorien von Unheilbaren) dazu erzogen werden könnte, sie zu verwerfen.
3. Die bis jetzt von Deutschland an den Tag gelegte Aggressivität ist in beträchtlichem Maße auf die Entbehrungen zurückzuführen, die es nach 1918 auszustehen hatte. Eine Ansicht geht dahin, daß die Hauptursache dieser Entbehrungen die unnötige Strenge des Versailler Vertrages war, und daß die deutsche Politik größere Bereitschaft zur Verständigung gezeigt hätte, wenn der Friedensvertrag weniger streng gewesen wäre. Demgegenüber geht eine andere Ansicht dahin, daß nicht die Vertragsbestimmungen die Ursache der zweifellos von den Deutschen ausgestandenen Entbehrungen waren, daß aber die Propaganda in Deutschland, die man anderwärts im großen und ganzen duldete und sogar unterstützte, die Deutschen davon überzeugte, daß dem so sei. Diese Ueberzeugung, im Verein mit Verletzungen von Deutschlands »Prestige« und anderm psychologischen Zündstoff, war eine Hauptursache der Aggressivität.
4.. Wenngleich ein weniger strenger Friedensvertrag und eine entsprechend mildere Behandlung danach zwar die Entwicklung einer Aggressivpolitik nicht verhindert hätten, so hätte dies doch dadurch geschehen können, daß man Deutschlands Besitzlosigkeit einsah und es durch vielleicht große, aber immer noch begrenzte Zugeständnisse in eine besitzende Macht verwandelt hätte.
5. Die von Deutschland bis jetzt an den Tag gelegte Aggressivität ist darauf zurückzuführen, daß es nach 1918 zu milde behandelt worden ist: kein siegreicher Einmarsch, keine feste Rüstungskontrolle usw. Durch geeignete Maßnahmen hätte man es im Zaum halten können.
6. Die von Deutschland bis jetzt an den Tag gelegte Aggressivität ist darauf zurückzuführen, daß seine Führer Ziele verfolgten, die nur durch Krieg zu erreichen waren, oder zumindest - wie in der Wirtschaftspolitik - Methoden anwandten, die natürlicherweise den Krieg nach sich ziehen. Das Volk, oder hinreichend wichtige Teile des Volkes, folgten ihren Führern, weil:
a) sie kämpfen wollten oder wenigstens Belohnung erwarteten; oder
b) sie den Krieg als für die »Sendung« des Dritten Reiches notwendig erachteten; oder
c) die politische Unreife der Massen, obwohl sie gegen den Krieg waren, sie entweder hinderte, die Gefahr zu erkennen oder - falls sie sie erkannten - ihre Führer zu stürzen; oder
d) sie bereit waren, jeden beliebigen zu unterstützen, ganz gleich wie groß das Risiko sei, der sie herausführte aus der Massenarbeitslosigkeit.
7. Ein Angriff wie der, zu dem Deutschland im Jahre 1939 seine Zuflucht nahm, ist hinreichend erklärbar als das unvermeidliche Ergebnis des Monopolkapitalismus auf einer bestimmten Entwicklungsstufe.
8. Deutschlands Aggressivität ist ein Versuch, bewußt und mit Gewalt eine Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen, die ihm von geschichtlichen Zufällen auferlegt worden ist. Während Rußland, Frankreich, England und die Vereinigten Staaten sich Weltreiche schufen und ausbauten, war Deutschland nur eine geographische Bezeichnung. Es hatte noch nicht das Nationalgefühl, die Einheit und den weltstädtischen Kern entwickelt, die zur Weltreichsbildung notwendig sind. Als es schließlich so weit gekommen war, hatte sich die Ausbreitungsmöglichkeit gewaltig verengt. Als Volk und Staat besaßen die Deutschen weniger Abflüsse für ihr industrielles, wissenschaftliches und selbst biologisches Potential als andere (nach deutscher Ansicht weniger berufene) Staaten.
9. »Aggressivität« ist keine spezifische Eigentümlichkeit der deutschen Politik. Sämtliche Staaten behaupten sich bis zu den Grenzen ihrer Kraft durch die ihnen zugänglichen Mittel - militärischer, wirtschaftlicher oder moralischer Art. Das Schicksal hat gewollt, daß Deutschland augenblicklich der mächtigste Träger des aggressiven Impulses in Europa ist, wie früher einmal Spanien und dann Frankreich. Der Impuls wird vielleicht nachlassen, aber dann aus Gründen, die man von außen nicht kontrollieren kann.
10. Deutschland ist nicht aggressiv gewesen. Es hat sich nur gegen Bedrohungen von außen gewehrt, z. B. gegen die Einkreisung oder die slawische Gefahr.
11. Der Begriff »Aggression ist, da er eine moralische Verurteilung einschließt, unangebracht. Die Deutschen haben nur ihre Rechte als überlegenes Volk gegenüber unterlegenen Gegnern geltend gemacht. Zwar gibt es kein anderes Kriterium für seine Rechte als Deutschlands eigenes Urteil, aber die schwachen Reaktionen Europas liefen auf ihre Anerkennung hinaus.
12. Deutschland hat seine Zuflucht im Krieg gesucht, um Europa vor jüdischen und bolschewistischen Einflüssen zu retten und vor der althergebrachten britischen Politik des Zwiespaltsäens; ferner, um die von dem gegenwärtigen historischen Augenblick verlangte Aufgabe zu erfüllen, nämlich die Schaffung der europäischen Einheit.«