Na, einen innenpolitischen natürlich. Gegen einen gemeinsamen Feind von außen, noch dazu von einer dermaßen hohlen Arroganz, rücken die angegriffenen Gruppen und Länder automatisch zusammen. Das Ergebnis ließ sich am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal zu Versailles besichtigen:
"Die beiden Gelehrten Gabundus und Terentius diskutierten 14 Tage und 14 Nächte
lang über den Vokativ von Ego. Am Ende griffen sie zu den Waffen."
Umberto Eco
Nein, so kommt das nicht hin. Während die Bundesländer heute doch vom Gewicht näher beieinader liegen, war Preußen damals der eindeutig vorherrschende Teilstaat und verfügte über mehr als die Hälfte des Staatsgebiets. Das Staatsoberhaupt, der Kaiser, war immer ein preußischer König und die Verfassung war eine, die von Preußen entworfen war.
Freiheit oder AfD!
"nothing bad in your life is your fault its all those damn dirty minorities and you don't have to work to make things better just hate them enough and that will magically fix everything" - ein kluger Redditor
Danke! Im Ernst. Die Art und Weise wie kunstvoll Bismarck diesen Köder ausgelegt hat, läßt auf ein tiefes Verständnis der französischen Psychologie, ein Einfühlungsvermögen schließen, das man diesem schnauzbärtigen Walroß niemals zutrauen würde. Bismarcks optisches Pendant, Gustave Flaubert, wäre ein ähnlicher Fall.
Freiheit oder AfD!
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Dies bestätigt euch wohl, denn Bismarck schrieb später zu den Vorgängen:
"Mein erster Gedanke war, aus dem Dienste zu scheiden, weil ich nach allen beleidigenden Provocationen die vorhergegangen waren, in diesem erpreßten Nachgeben eine Demüthigung Deutschlands sah, die ich nicht amtlich verantworten wollte. Dieser Eindruck der Verletzung des nationalen Ehrgefühls durch den aufgezwungenen Rückzug war in mir so vorherrschend, daß ich den Wagen schon mit dem Entschlusse verließ, meinen Rücktritt aus dem Dienste nach Ems zu melden; ich hielt diese Demüthigung vor Frankreich und seinen renommistischen Kundgebungen für schlimmer als die von Olmütz, zu deren Entschuldigung die gemeinsame Vorgeschichte und unser damaliger Mangel an Kriegsbereitschaft immer dienen werden. Ich nahm an, Frankreich werde die Entsagung des Prinzen als einen befriedigenden Erfolg escomptiren in dem Gefühl, daß eine kriegerische Drohung, auch wenn sie in den Formen internationaler Beleidigung und Verhöhnung geschehen und der Kriegsvorwand gegen Preußen vom Zaune gebrochen wäre, genüge, um Preußen zum Rückzuge auch in einer gerechten Sache zu nöthigen, und daß auch der Norddeutsche Bund in sich nicht das hinreichende Machtgefühl trage, um die nationale Ehre und Unabhängigkeit gegen französische Anmaßung zu schützen. Ich sah kein Mittel, den fressenden Schaden, den ich von einer schüchternen Politik für unsre nationale Stellung befürchtete, wieder gut zu machen, ohne Händel ungeschickt vom Zaune zu brechen und künstlich zu suchen."
"Wenn die Deutschen zusammenhalten, so schlagen sie den Teufel aus der Hölle!"- Otto von Bismarck
"Journalisten: die Geburtshelfer und Totengräber der Zeit." -Karl Ferdinand Gutzkow
Tatsächlich war Bismarcks Kleindeutsche Lösung wohl das einzig vernünftig machbare zu dieser Zeit. Durch den Einbezug Österreichs wäre es zu einem unüberwindbaren Dualismus und Machtstreit innerhalb des Reiches gekommen. Von der Verfehlung des Nationalstaates hin zu einem Vielvölkerstaat ganz zu schweigen. Und dann muß man natürlich noch die außenpolitische Lange bedenken. Eine großdeutsche Lösung, zu diesem Zeitpunkt, hätte wahrscheinlich einen bereits vorgelagerten Europakrieg ausgelöst, der unmöglich zu gewinnen gewesen wäre. Bis dahin hatte Bismarck also alles richtig gemacht.
Doch dann gab es in der Tat noch einen schwerwiegenden Fehler, den er beging. Sich nach der Reichseinigung, auf Kosten der Deutsch-Russischen Beziehungen, so eng an Österreich-Ungarn zu binden, war dumm und auch nicht der Deutschen Sache dienend. Die Donaumonarchie war ein Auslaufmodell, welches sein Haltbarkeitsdatum bereits spätestens seit Napoleon überschritten hatte. Ein schwacher und zunehmend instabiler Verbündeter, der zudem der Deutschen Einheit im Wege stand. Stattdessen hätte Bismarck sich um jeden Preis für ein enges Deutsch-Russisches Bündnis einsetzen müssen. Notfalls auch auf Kosten einer offenen Feindschaft zu Österreich-Ungarn. So wäre die spätere Einkreisung Deutschlands vielleicht verhindert worden und Frankreich, Großbritannien und wohl auch Österreich-Ungarn hätten sich zu Beginn des Weltkrieges einer geschlossenen Deutsch-Russischen Front gegenübergesehen. (Vermutlich dann auch mit Italien auf unserer Seite.) Diese Konstellation wäre um einiges besser gewesen, als die tatsächliche mit der Donaumonarchie. Deutschland hätte keinen Zweifrontenkrieg führen müssen und wäre durch Rußland auch nicht in dem Maße in Bedrängnis durch Rohstoffmangel geraten. Die Doppelmonarchie hätte von allen Seiten bedrängt und innerlich zerrüttet nicht lange durchgehalten. Frankreich wiederum hätte dann der geballten Schlagkraft Deutschlands, Rußlands und Italiens nicht mehr viel entgegenzusetzen gehabt, und Großbritannien wäre nach dem Fall Frankreichs auch nur noch übrig geblieben, die Friedensverhandlungen aufzunehemen. Die VSvA hätten sich unter diesen Umständen gar nicht erst eingemischt.
Nach der Kapitulation des Habsburgerreiches hätte man Deutschösterreich als eigenes Königstum unter Habsburgerscher Krone in das Reich eingliedern, und damit die Deutsche Reichseinheit tatsächlich durchführen, können. Die nordslavischen Gebiete wären an Rußland gegangen, Bosnien, Herzegowina und Dalmatien eigenständig oder an Serbien angeschlossen, das Königreich Ungarn unabhängig aber mit enger Bindung an Deutschland, und Slowenien hätte man aus strategischen Gründen noch als eigenständiges Herzogtum in das Reich eingliedern können. Damit hätte Deutschland auch einen Mittelmeerzugang gehabt. Italien hätte die italienischen k.u.k.-Gebiete bekommen, und Rußland wäre noch der Balkan als Interessengebiet zugesichert worden.
Dies hätte dann ungefähr so aussehen können:
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Hätte Bismarck nicht diesen schlimmen Fehler begangen, so wäre Deutschland wohl einiges erspart geblieben und heute noch existent.
Geändert von Arthas (24.05.2011 um 00:53 Uhr)
Zur Diskussionsfrage (losgelöst von den Ausführungen des Strangerstellers):
Schwer zu sagen. Hängt alles davon ab, wie stark der preussische Adel, der ja auch in Reichswehr und Wehrmacht die wichtigsten Posten innehatte, in der Freimaurerei involviert war. Dass es in beiden Weltkriegen ein unglaubliches Maß an Verrat gegeben hat, der zu Deutschlands Untergang beigetragen hat, scheint mir gesichert. Und der preussische Adel scheint mir bei diesen Verrätern ziemlich überrepräsentiert gewesen zu sein.
Doch weil Geheimgesellschaft nun einmal sich einer objektiv-wissenschaftlichen Untersuchung entziehen, können wir die sicherlich interessante Ausgangsfrage nicht mit Sicherheit beantworten.
Nachtrag: Ich will jetzt auch nicht zu defätistisch sein. Der "Untergang" Deutschlands ist hoffentlich noch keine besiegelte Sache, und ich will die Hoffnung auf eine wundersame Regeneration noch nicht aufgeben, auch wenn die Lage natürlich nicht rosig ist.
Geändert von Eukalyptusbonbon (24.05.2011 um 06:15 Uhr)
Die Wiedergeburt des Abendlandes kann nur aus der Erneuerung der Familie erwachsen. Eugen Fischer
Geschichte handelt fast nur von […] schlechten Menschen, die später gutgesprochen worden sind. Friedrich Nietzsche
"Globalisierung ist nur ein anderes Wort für US-Herrschaft.“Henry Kissinger
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