Alltag
Deutsche Tugenden und unsere Kultur – Passt das noch zusammen?
18. August 2009 | Von Harald Mertens
Deutsche Tugenden sind oft mit Arbeit, Fleiß und Disziplin verbunden, jedenfalls im Ausland. Was und wer wir sind und wie das international ankommt scheint aber manchmal gar nicht mehr so recht zu passen zur vielbeschworenen deutschen Kultur. Sind wir noch das Land der Dichter und Denker, leben wir noch nach Tugenden, oder löst sich eine klare Linie im Strudel der Alles-kann-Nichts-muss-Gesellschaft auf?
Die bevorstehende Bundestagswahl 2009 und noch einige Dinge mehr veranlassen mich derzeit, über deutsche Tugenden nachzudenken. Ich höre immer wieder von im Ausland lebenden Freunden von dem Bild, das andere Nationen von uns haben.
Deutsche Tugenden vom Ausland her gesehen
Als deutsche Tugenden gelten im Ausland vor allem Charakterzüge wie Fleiß, Disziplin, Pünktlichkeit – kurzum: Wir sind als korrekte Spießer bekannt, die als Arbeitskräfte sehr geschätzt sind. Die deutsche Kultur wird ebenfalls hoch verehrt. Man kennt uns als das Land der Dichter und Denker, Komponisten und Wissenschaftler. Aber auch als das Land der Lederhosen tragenden, Weißwurstessenden Bierbäuche, die im Urlaub die deutsche Kultur mitsamt ihrer weißen, in Sandalen steckenden, Tennissocken ins Ausland bringen.
Darüber hinaus halten uns beispielsweise die Australier für besonders hemmungslos. Aus Deutschland, so weiß man dort, kommen die schmutzigsten Pornos. Wie das jetzt mit der deutschen Kultur und den Tugenden zusammenpasst, die man sonst so von uns kennt, ist mir unbekannt, scheint aber den Australier an sich nicht weiter zu stören. Tatsache ist: Klischees sind nur so gut, wie die Situation in der man sie benützt.
Deutsche Kultur heute
Was ich mich frage: Wie können wie unsere eigenen Klischees über deutsche Kultur und Tugenden verwerten, wie müssen wir sie überhaupt in Anbetracht der jüngsten Zeit sehen? Passt die Tugend “strebsam” zur Null-Bock-Generation, die lieber feiert und säuft, als lernt und leistet?
Sind wir denn immer noch dieses fleißige, arbeitsame Volk der Dichter und Denker, wenn man im Gegenzug die Flecke in Deutschland betrachtet, die mit einer Arbeitslosenzahl von über 20 Prozent seit Jahren existieren? Und was würde Goethe zum Fernsehprogramm am Vormittag sagen, das man eigentlich eher unter dem Begriff Arbeitslosen TV kennt?
Die deutsche Kultur hat sich gewandelt, nicht überall zum Schlechten übrigens. Es wird Zeit eine neue Definition der deutschen Tugenden.