(...)Die Dokumente sprechen eine deutliche Sprache, deutlicher, als sie ideologisierte Interpretationen vermitteln könnten. Ihr Grundtenor ist der Hass und die Arroganz der Besitzer der einzigen, der marxistischen Wahrheit. Die Regierenden wollten nicht zur Kenntnis nehmen, dass sie nur eine Minderheit repräsentierten und eigentlich nur dank der Uneinigkeit der Bürgerlichen an die Macht gelangen konnten. Sie glaubten sich "revolutionär" legitimiert, eine zugegebenermassen fehlerhafte Demokratie in ein totalitäres Machtgebilde nach damals bestehenden Vorbildern verwandeln zu können, auch wenn auf dem Weg dahin in den wenigen Regierungsjahren der UP Disziplinlosigkeit, administratives Chaos und Faktionalismus dem zentralistisch-totalitären Ziel stellenweise entgegenwirkten. Dies verstärkt übrigens den aus dem Studium der Dokumentation gewonnen Eindruck der Regierungsunfähigkeit Allendes und seines Kreises.
Der Staatspräsident, legal an die Macht gelangt, doch die Legalität zusehends deutlicher missachtend, ein bedingungsloser Freund Castros mit demonstrativ zur Schau getragenen Sympathien für "Guevaristen" - nach heutiger Lesart: Terroristen - jeglicher Nationalität, zeichnete sich - die Dokumente belegen es - durch Ignoranz gegenüber den Nöten der Bevölkerung, den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten, den Traditionen seines Landes und nicht zuletzt den Strömungen in den chilenischen Streitkräften aus. Darin glich er seiner Umgebung, in der der Gewalt verschriebene Elemente dominierten (einschliesslich des majoritären linken Flügels seiner Partei, des PS).
Man schürte in den Regierungskreisen eine Bürgerkriegspsychose. PS-Generalsekretär Carlos Altamirano (Foto re.) - die Dokumente belegen es eindeutig - goss wo nur möglich Öl ins Feuer, PS-Spitzenfunktionär und Aussenminister Clodomiro Almeyda (Foto u.) prägte den Negativbegriff "Wahlillusionismus", dem die Linke nicht verfallen dürfe.
Im Kreis um Allende machte man kein Hehl aus dem Vorsatz, nach der Machtübernahme keine freien Wahlen mehr zuzulassen; in einem längeren, 1965 geführten Einzelgespräch hatte dies der damalige Senator Allende auch diesem Rezensenten gegenüber angedeutet, den er irrtümlicherweise für einen DDR-Journalisten hielt ... (...)
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