Zitat von
Mütterchen
In meiner Kindheit hatte ich praktisch gar keinen Begriff davon, dass es wenige Jahrzehnte zuvor in Deutschland ein Krieg gegeben hatte, der das Leben meiner Großeltern beherrschte und den auch meine Eltern noch als Kinder erlebt hatten. Über das Thema wurde schlicht und einfach geschwiegen, nur ganz gelegentlich gab es Bemerkungen und/oder kurze Sätze darüber. Etwa, dass der Großvater in Russland verwundet worden war, ich wusste auch vage von Toten. Diese Bemerkungen und kurze Erzählungen fand ich sehr interessant, aber, wie gesagt, es war sehr selten. In meinem Ort waren praktisch auch keine sichtbaren Spuren des Krieges mehr zu sehen.
Richtig bewusst wurde mir das Thema erst in der weiterführenden Schule durch die Lehrer, die, obwohl sie meiner Großelterngeneration angehörten, scheinbar alle persönlich nichts mit Krieg und Deutschland verbunden hatte, so, wie sie sich selbst distanzierten und dem Rest der Deutschen eine kollektive Schuld zuschoben. Ich weiß nicht, ob das von euch auch jemand so extrem erlebt hat. Mich hat das damals stark beeinflusst und das ist etwas, was mir noch Jahrzehnte später Leid tut. So hätte das nicht laufen dürfen, obwohl ich nachvollziehen kann, warum die Menschen im Ort, meine Großelterngeneration, geschwiegen hat. Ich wünschte nur, ich hätte sie gefragt, und zwar ganz ohne selbstgerechte wie konntet ihr nur, warum habt ihr Satzanfänge. Die habe ich nämlich einige Male benutzt und bin auf die Antworten ( es war nicht so, wie du denkst, du weißt nicht alles), auch gar nicht eingegangen.
Als ich Jugendliche war, bin ich am Volkstrauertag immer nach dem Gottesdienst mit de Gemeinde zum Denkmal für die Gefallenen. Dort sprach der Pfarrer einige Worte, die, obwohl geschickter verpackt, doch ähnlich wie die meinigen mit Vorwürfen und Mahnungen gespickt waren. Ich werde niemals vergesssen, wie die Männer, die den Krieg doch miterlebten, als schweigende Menge dastand. Ich denke mir oft: was hätten sie mir erzählen können.
Die wenigen persönlichen Erlebnisberichte aus dem Krieg, die mir mitgeteilt wurden ( später habe ich versucht, noch so viele Informationen wie möglich zu bekommen, aber da war der größte Teil der Erinnerungsträger tot), die sind für mich die wirklich greifbaren. Bloße Daten und Fakten bleiben, damit verglichen, abstrakter.
Langer Rede, kurzer Sinn - ich wünschte, ich hätte viel, viel mehr von dem gehört, was die Zeitzeugen der Hitlerzeit in ihrem Gedächtnis abgespeichert hatten.