I

Nach dem Frühstück zur Arbeit fahren. Die Kälte draußen überrascht Nase und Wangen. Aus den Kanaldeckeln dampft es. Der Geruch brennender Kohle liegt in der Luft. Ich denke an mein Auto, ich hoffe es springt an.

Am Parkplatz habe ich noch den Geschmack von Kaffee und Leberwurstsemmel im Mund. Da steht mein Wagen. Es hat nicht geschneit. Kratzen muss ich trotzdem.

Mir scheint, am Beifahrersitz sitzt jemand. Unerwünscht in jedem Fall, kein Gedanke an Fahrgemeinschaft. Ein Hauch von Grusel in früher Morgenstunde. Ich kratze das Eis von der Windschutzscheibe, will nicht glauben was ich sehe, rede mir ein, es ist die Kopfstütze. Doch dann bewegt sich die dunkle Silhouette.

Ich bleibe nicht kalt, wie dieser verfluchte Februar. Ärger, Schreck, ein wenig Angst und die Mahnung zur Vorsicht schießen mir heiß und kalt den Rücken herab. Drinnen – in meinem Auto – ein Mann. Kaum etwas von ihm ist zu erkennen. Ich reiße die Tür auf. Die Innenbeleuchtung ist schwach, offenbart indes ein Gesicht mit großer, derber Nase und dichten Augenbrauen, die über der Nasenwurzel zusammengewachsen sind. Er spricht abgehakt, gebrochen: „War kalt. Will nur zu Fabrik!“
„Als ob es da drinnen wärmer ist!“, brülle ich zurück.
Er scheint ängstlich. „Bitte. Mitnehmen!“
Am Innenspiegel hängt die Kette mit dem Kreuz. Oma hat sie mir gegeben und gesagt, so würde mir nichts geschehen. Das Kreuz reflektiert das Licht der kleinen Lampe.
„Welche Fabrik?“
Der Mann wirkt klein. „Nicht weit.“
Eine Art Anhalter, sage ich mir. Wenn er mehr nicht will, so nehme ich ihn mit; man ist ja Christenmensch.

Die Fahrt verläuft ruhig. Gedanken gehen mir durch den Kopf. Abschließen im Winter ist so eine Sache. Wie schnell ist das Schloss zugefroren?
Wortlos sitzen wir nebeneinander. Bei der Fabrik steigt er aus. Sie lag am Weg. Er bedankt sich immerfort. Dann verschwindet er im Pulk, der durchs Werkstor geht.


II

Am nächsten Morgen dasselbe Spiel. Fast jedenfalls, denn jetzt sind es zwei; er und ein Freund. Ihre Namen sagen mir nichts. Fremdländisches Gebrabbel allemal.

Wir fahren los. Eigentum. Ist das ein Traum? Sie reden miteinander, in ihrer Sprache. Ich verstehe kein Wort, frage mich nur, wie ich sie loswerde. An der Ampel, Pendler vor mir. Der Auspuff qualmt. Absperren, sage ich zu mir. Das Kreuz schwingt hin und her. Der Kerl meint: „Nix gut Gott.“
„Warum?“
„Nix gut Gott,“, sagt sein Freund.
Eine Garage müßte man haben.
Bei der Fabrik steigen sie aus. Sie bedanken sich wortreich. Überwältigende Freundlichkeit macht nicht vergessen, der Tag, die Arbeit, die Kollegen, – schon.


III

Nächster Morgen. Sie sind zu viert. „Hast du einmal Ja gesagt...?“, denke ich mir und schäme mich. Ein Gewitter aus Entschuldigungen blitzt durch meinen Kopf. Als hätte ich niemals Ja gesagt; als wäre ich gefragt worden; als wäre alles ohne mein Zutun geschehen. Das Kreuz blitzt im Licht des Gegenverkehrs. Ich weiß, es ist eine Ausrede für meine Tatenlosigkeit.

Mein Auto ist voll. Mein Auto? Hinter mir sitzen sie zu dritt. Ein Neger ist dabei. Er spricht kein Wort. Wortloser Raub. Ich denke ans Lechfeld. Soll ich bremsen? Bin nicht angeschnallt. Diesen Gurt hat der Staat verboten.

Der Neger beginnt zu murmeln. Ich fühle mich fremd in meinem Eigentum. Die anderen reden unverständliches Zeug. Man nickt sich zu. Ich befürchte das Schlimmste. Sich wehren! Man muß sich nur wehren!
„Fahr mal da!“, sagt einer von hinten.
„Nein.“, höre ich mich sagen.
„Los! Fahr nach da! Da Moschee!“
„Nein!“
Der Neger murmelt.
Ich sage: „Das ist mein Auto!“
„Nehme dir nix weg! Auto keine Seife, geht nix von ab!“
Ich falle. Dunkelheit überall. Mir ist kalt. Eine Stimme ruft: „Steh auf!“

Es ist Sandra, meine Frau. Der Kaffee ist fertig, die Arbeit ruft. Bilder des Alptraums prasseln auf mich ein wie Harris seine Bomben. „Nein, nein, nein!“, schreie ich und halte das Bettzeug in den Händen, als würge ich den Neger.

Helle Panik zur frühen Morgenstunde. Oma hat es anders gemeint. Raus aus dem Auto! Raus aus der Fabrik! Raus aus dem Land! Nie wieder Mitleid! Nie wieder durch ein zufällig blitzendes Kreuz überreden lassen. Absperren, auch wenn es kalt ist; auch wenn das Schloß zufriert. Jetzt, jetzt, jetzt!

Mit freundlichen Grüßen
Der Deutsche

P.S. Wem diese Kurzgeschichte gefällt, der darf sie gerne weiterverbreiten.