08.01.1996
Atombomben
Heiße Ladung
Steckte deutsches Uran in der Hiroschima-Bombe? Ein frühererUS-Geheimdienstler hält das für wahrscheinlich.
Mit kapitaler Beute glitt der US-Zerstörer "Sutton" am 19. Mai1945 in den Marinehafen Portsmouth im Bundesstaat New Hampshire: Er hatte das deutsche U-Boot U 234 im Schlepptau, mit 90 Meter Länge eines der größten U-Boote Nazi-Deutschlands. Seit Ende März war U234 in geheimer Mission unterwegs nach Japan. Eine Woche nach der deutschen Kapitulation hatte sich die Besatzung auf hoher See den Amerikanern ergeben.
An der Hafenmole von Portsmouth drängten sich die Reporter und bestaunten das streng abgeschirmte Nazi-Ungetüm. Auch abgebrühte US-Militärs gerieten außer sich: Die letzte Fracht von U 234 war im Wortsinne höchst brisant.
Die Stahlröhre aus dem Hitlerreich barg - neben großen Mengen französischen Cognacs - insgesamt 240 Tonnen geheimer Waffenlieferungen, bestimmt für die japanischen Verbündeten. In den Stauräumen befand sich ein zerlegtes Exemplar des ersten Düsenjagdflugzeuges der Welt, der Messerschmitt Me 262, aber auch Blaupausen für Raketen und panzerknackende Granaten waren mit an Bord.
Den heißesten Teil der Ladung spürten die Amerikaner in Bugnähe auf, eingelassen in die vorderen Minenschächte: In zehn Behälternlagen dort 560 Kilogramm Uranoxid - möglicher Rohstoff für die Atombombe, deren Fertigstellung in den USA unmittelbar bevorstand.Als Empfänger des "streng geheimen" Materials vermerkte die deutsche Ladeliste: "Japanische Armee".
Was geschah nach diesen Maitagen 1945 mit dem Uran aus dem Bauch von U 234? Historiker haben den Verbleib des Bombenstoffs bisher nicht klären können, denn in den Archiven verlieren sich seine Spuren schon in Portsmouth. Ist das für Japan bestimmte deutsche Uran womöglich in die Atombombe gelangt, die nur Wochen später über Hiroschima explodierte und auf einen Schlag über 70 000 Menschentötete?