Seit einigen Monaten fahnden immer mehr Polizeidienststellen per Facebook (oder anderen sozialen Netzwerken).
Das Thema wird kontrovers diskutiert.

Jedoch fahndet nicht nur die Polizei über Facebook etc. nach Verbrechern.

Seit kurzem gibt es die Initiative "Kony 2012", bei der über Facebook weltweit nach "Joseph Kony", einem afrikanischen Massenmörder gesucht wird!
Kony, der Anführer und Gründer der Rebellengruppe "Lord´s resistance Army" ist vom internationalen gerichtshof wegen 33 Straftaten angeklagt, darunter Mord, Versklavung, Vergewaltigung, Angriffe auf die Zivilbevölkerung, Plünderung und die Zwangsrekrutierung von Kindern (die geschätzte Zahl der Entführug von Kindern, um sie anschließend zwangsrekrutieren zu können wird auf 30.000-60.000 geschätzt!)

KONY 2012: Mit Social Media gegen den Völkermörder?
Von Eike Kühl 8. März 2012 um 09:44 Uhr

In Uganda kennt jeder Joseph Kony. Seit 1987 ist Kony der Gründer und Anführer der Lord’s Resistance Army (LRA), der Rebellengruppe, die seit mehr als zwanzig Jahren Krieg gegen die ugandische Armee führt. Seitdem hat die LRA unter Kony geschätzt zwischen 30.000 und 60.000 Kinder verschleppt. Die genaue Zahl ist unbekannt, die Straftaten Konys sind es nicht: Im Jahr 2005 wurde ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshof (ICC) gegen den Warlord erlassen. Zu den 33 Punkten der Anklage zählen unter anderem Mord, Versklavung, Vergewaltigung, Angriffe auf die Zivilbevölkerung, Plünderung und die Zwangsrekrutierung von Kindern.

Seit gestern ist Joseph Kony, jedenfalls vorübergehend, einer der bekanntesten Männer im Internet. Zu verdanken hat er es der Kampagne KONY 2012. Sie möchte ihn berühmt machen, um ihn bis Ende des Jahres hinter Gitter zu bringen. Das Vorhaben ist ambitioniert. Doch die Initiatoren stehen in der Kritik.

Hinter dem Projekt stecken mit Jason Russell und Laren Poole zwei amerikanische Filmemacher. Sie reisten 2003 das erste Mal nach Afrika, um den Völkermord in Darfur zu dokumentieren. Ein Jahr später gründeten sie die Non-Profit-Organisation Invisible Children, mit der sie auf die Entführungen von Kindern in Afrika aufmerksam machen wollen. Seitdem produzieren sie immer wieder Filme und initiieren Projekte wie interaktive Karten. KONY 2012 ist der neuste Versuch, und der mit Abstand erfolgreichste.

Im Mittelpunkt der Kampagne steht ein halbstündiger Film. KONY 2012 erzählt, ausgehend von der Geschichte des jungen Jacob, dessen Brüder in Uganda ums Leben kamen, die Hintergründe von Joseph Kony und der LRA. Es ist weniger ein Dokumentar- als ein Imagefilm, dessen geschickt eingestreute Dokumentaraufnahmen und Interview-Passagen über eine gewisse Selbstinszenierung der Regisseure hinwegtrösten. Die sind von der Tragkraft der Internets überzeugt: “Die Technologie, die unsere Welt zusammengebracht hat, hilft uns auf die Probleme unserer Freunde zu reagieren”, sagt Russell.

Es liegt vor allem an der Emotionalität des Themas, wieso KONY 2012 im Netz etwas bewegt, das selbst die Occupy-Bewegung in dieser Form nicht schaffte. Binnen 48 Stunden hat der Film mehr als sieben Millionen Views auf Vimeo bekommen, mehr als fünf Millionen auf YouTube und mehr als eine Million Likes auf Facebook. Zwischenzeitlich waren die Themen “Uganda”, “Invisible Children” und “Kony 2012″ gleichzeitig unter den Trending Topics auf Twitter. Persönlichkeiten wie Stephen Fry, Zooey Deschanel und Rihanna twitterten das Projekt – ungefragt – an Zehntausende ihrer Fans weiter.

Am 20. April soll die Kampagne dann auch in die Offline-Welt übergreifen. In vielen großen Städten sollen Tausende Poster und Sticker (die es im passenden Onlineshop zu kaufen gibt) angebracht werden.

Die Grafik zeigt die rasante Entwicklung der Klicks (Stand: 8.3., 19:30. Quelle: YouTube)

Ambitioniert ist auch das Ziel, Kony zu fassen. Seit der Anklage des ICC im Jahr 2005 versuchen es die Behörden vergeblich. Eine richtige Infrastruktur in Uganda und dem benachbarten Kongo gibt es nicht, Zeugen sind rar, und selbst die Armee traut sich nur selten in die Gebiete der LRA. Zwar hat die US-Regierung im Rahmen des Northern Uganda Recovery Acts vergangenen Herbst Truppen nach Zentralafrika geschickt, aber eine Erfolgsmeldung gibt es bis heute nicht; sollte Kony überhaupt noch leben oder im Land sein, ist er weiterhin auf freiem Fuß.

Kritik wird laut

Und dann wären da noch die Hintergründe der Initiatoren. Denn tatsächlich kritisieren viele die Arbeit von Invisible Children. So wird immer wieder die Spendenpolitik der Organisation hinterfragt: Im vergangenen Jahr steckten sie lediglich ein Drittel der eingenommenen acht Millionen US-Dollar in Aufbauhilfe in Uganda – recht wenig für eine Hilfsorganisation. Der Rest floss in die Organisations-, Film- und Lobbyarbeit. Darüber hinaus lassen die Verantwortlichen wenig Zweifel daran aufkommen, dass sie eine militärische Aktion gegen die LRA (und damit zusätzliche Opfer) in Kauf nehmen und aktiv unterstützen. Auf Bildern posieren sie mit Waffen vor der ugandischen Armee, die ihrerseits nicht frei von Vorwürfen ist. Die politische Agenda der Macher ist daher zumindest fragwürdig. (Update: Die Macher reagierten inzwischen auf die Vorwürfe, erklären die Entstehung des Bildes und legen ihre Spendenausgaben offen.)

Dazu kommt die vermeintliche Einseitigkeit der Aktion. Einige Experten sind der Meinung, dass die Verhaftung Joseph Konys kaum etwas ändern wird. Schließlich ist die Situation in Uganda weitaus komplexer, als es die Macher von KONY 2012 anklingen lassen. Auch die Vorgehensweise der ugandischen Regierung und ihrer Bündnispartner, inklusive der USA, hat Kritik auf sich gezogen. All das sind ernstzunehmende Punkte, die im Rahmen der positiven Resonanz im Netz schnell untergehen.

Ist KONY 2012 deswegen gescheitert?

Nicht unbedingt. Vielleicht sollte man an dieser Stelle die persönlichen Motive der Macher von der grundlegenden Idee trennen. Musa Okwonga, dessen Familie aus Uganda stammt, fasst im Blog des britischen Independent die Meinung vieler Internetnutzer zusammen:

I understand the anger and resentment at Invisible Children’s approach, which with its paternalism has unpleasant echoes of colonialism. I will admit to being perturbed by its apparent top-down prescriptiveness, when so much diligent work is already being done at Northern Uganda’s grassroots. On the other hand, I am very happy – relieved, more than anything – that Invisible Children have raised worldwide awareness of this issue. [...] I don’t think that Invisible Children are naive. My hunch – and hope – is that they see this campaign as a way to encourage wider and deeper questions about wholly inadequate governance in this area of Africa.

“Awareness”, Bewusstsein, ist das Stichwort. Sieht man über die erwähnten Unstimmigkeiten hinweg und KONY 2012 als einen Versuch, ein größeres und gerade in den westlichen Medien häufig vergessenes Thema wieder in die Öffentlichkeit zu rücken, quasi als einen “Test der globalen Internetkultur” (Wired), ist das Projekt durchaus ein Erfolg: Neben den zahlreichen, sicherlich auch reflexartigen Unterstützern sind es gerade auch die kritischen Stimmen, die zeigen, wie das Internet auch komplexe Themen differenziert und reflektiert. Diese Auseinandersetzung ist wichtig. Am Ende liegt es, wie immer, an jedem selbst, sich darüber hinaus zu informieren und die Sachlage abzuwägen.

Die Kampagne muss (und kann), ebenso wenig wie Social Media, nicht alleine “die Welt verändern”, wie es die Macher proklamieren. Aber die Aufmerksamkeit der Massen ist immer ein Anfang, um überhaupt etwas zu bewegen, wenn die Gelegenheit kommt. Und Aufmerksamkeit hat das Projekt bekommen: Joseph Kony und seine Taten dürften jetzt mehr Menschen kennen als zuvor


Quelle: [Links nur für registrierte Nutzer]

Die Initiative "Kony 2012" wird kontrovers diskutiert. Wie denkt ihr darüber, und wie betrachtet ihr das Thema "Fahnung über Facebook" allgemein?
Pro und Contra...

Gruß Jule