Schriftliche Stellungnahme für die öffentliche Anhörung „Spekulationen mit agrarischen Rohstoffen verhindern“
1. Veränderung und Finanzialisierung der Rohstoffmärkte, besonders in den USA
Die Veränderungen an den Rohstoffmärkten lassen sich nicht pauschal beantworten, jedenfalls
gibt es bedeutende Unterschiede zwischen Europa und den USA. Da die US-Börsen allerdings
bis heute die global führenden sind, kommen Veränderungen dort oftmals einer Veränderung
der internationalen Märkte gleich. Allerdings gib es auch immer mehr Rohstoffhandel in
Schwellenländern, zum Beispiel befindet sich die zweitgrößte Rohstoffbörse inzwischen in China.
Ich konzentriere mich aber im Folgenden auf die USA und Europa.
In den USA ist der Terminhandel am weitesten entwickelt und deshalb lassen sich auch dort am
besten die Probleme verstehen, die damit zusammenhängen. Die USA hatten vor allem seit der
Jahrtausendwende ihre Rohstoffterminmärkte liberalisiert. Dies führte zu einer Explosion der
WEED-Stellungnahme Bundestagsanhörung „Spekulation mit agrarischen Rohstoffen verhindern“ – 27.06.11 1
Futures- und OTC-Handelsvolumen. Indexfonds, die einen Korb von Rohstoffen (Index) mit Futures
nachbilden, investierten noch im Jahr 2003 ungefähr 15 Milliarden US-Dollar in Rohstoffe,
im Jahr 2008 waren es dann ungefähr 200 Milliarden, einige Schätzungen gehen sogar von 300
Milliarden aus. Das veränderte unter anderem das Verhältnis von US-Weizenfutures zur physischen
US-Weizenproduktion völlig: 2002 gab es das 11-fache an Futures; 2004 das 16-fache;
2007 das 30-fache (siehe Grafik 1 für 2009). Ende 2010 sollen Finanzinvestoren sogar 360 Milliarden
US-Dollar in Rohstofftermingeschäfte investiert gehabt haben. In den USA hat sich aber
nicht nur die Zahl der Spekulanten verändert, sondern auch die Zusammensetzung. Die Zahl
der physischen Absicherer („physical hedgers“) hat stark abgenommen, die Zahl der traditionellen
Spekulanten („traditional speculators“) zugenommen, und vor allem haben sich Indexfonds
stark verbreitet (siehe Grafik 2), die versuchen, mithilfe von Futures einen bestimmten Korb von
Rohstoffen zu kaufen, der in einem Index empfohlen wird. Sie kaufen vor allem Long-Positionen,
wetten also auf steigende Preise.
Europa selbst ist dagegen, wie man in Grafik 1 ebenfalls sehen kann, noch relativ unbeleckt,
was den Börsenhandel mit einigen Agrarrohstoffen wie Weizen angeht. Dies liegt vor allem
daran, dass die Gemeinsame Agrarpolitik jahrzehntelang die physischen Märkte kontrollierte
und so Terminbörsen weitgehend überflüssig machte. Die europäischen Spekulanten, allen
voran Banken wie Deutsche Bank oder Barclays sind daher in den letzten Jahren auch nach
meinem Wissen fast ausschließlich in den USA aktiv gewesen, wenn es um Agrarrohstoffe
geht. Allerdings spielt die Londoner Börse bei einigen Rohstoffen wie Öl oder Metallen, oder
auch bei Kaffee, Zucker und Kakao eine globale Rolle. Durch die Liberalisierung der
Gemeinsamen Agrarpolitik hat der Terminhandel aber auch in Europa schon an Bedeutung
gewonnen. Diese Tendenz wird sich noch weiter verstärken.
In den letzten beiden Jahren scheint die Bedeutung der Indexfonds an den Terminmärkten
abgenommen zu haben, während aktiv gemanagte Fonds wie Hedge Fonds und andere stärker
auf die Märkte Einfluss nehmen. Hedge Fonds selbst sind erst seit 10-15 Jahren wirklich
bedeutsam. Sie wetten mit hohen Summen und teils guter Marktkenntnis auf steigende und
fallende Preise. Bekannt wurde zum Beispiel der Aufkauf des gesamten (Termin-)Kakaos an
der Londoner Börse durch den Hedge Fonds Armajaro im Juli 2010. Schon 2006 hatte der
Fonds Amaranth den US-Gasmarkt massiv verzerrt (US-Senats-Untersuchung, siehe Anhang).
Alle Finanzakteure verwenden bei ihrem Handel immer stärker den automatisierten und
extrem schnellen Computer-Handel (Hochfrequenzhandel), bei dem teils im
Nanosekundenbereich Handelsaufträge ausgeführt werden. Oft versuchen die
Computerprogramme, Preistrends in den Märkten zu erkennen und dann blitzschnell
auszunutzen. Dies birgt die Gefahr, dass ein immer größerer Teil des Handels blitzartig in eine
Richtung gehen kann, wenn nur genug Programme einen ähnlichen Preistrend ausnutzen. Der
Hochfrequenzhandel nimmt zweifellos eine immer wichtigere Rolle ein, und er ist in den USA
noch weiter vorangeschritten als in Europa. Für Energiederivate geht die Beratungsfirma Aite
von 15% aus.1 Auf diese Art Handel wird der berühmte „Flash Crash“ im US-Aktienmarkt vom 6.
Mai 2010 zurückgeführt. Die US-Aufsicht CFTC untersucht auch bei jüngsten Preissprüngen,
z.B. im Gasmarkt Mitte Juni um 8% in 14 Sekunden (!), ob Hochfrequenzhandel der Grund war.
Wie weit speziell in Agrarmärkten der Hochfrequenzhandel momentan schon Fuß gefasst hat,
kann ich allerdings nicht sagen.
Schließlich greifen Finanzakteure immer stärker auch in den physischen Markt ein. Einige
Banken wie Goldman Sachs, Barclays und JP Morgan kaufen in immer größerem Maße
physische Rohstoffe, Warenhäuser und Rohstoffhändler auf. Auch die Deutsche Bank ist hier
an vorderster Front. Sie übernahm 2009 den größten Zuckerhändler der Welt. Auch verbreiten
sich immer mehr Anlageprodukte, die zumindest teilweise den Kauf physischer Rohstoffe nach
sich ziehen, z.B. börsengehandelte Fonds (Exchange Traded Funds) oder Zertifikate (Exchange
Traded Commodities).
2. Folgen der Finanzialisierung der Rohstoffmärkte
Die massenhafte Beteiligung von Finanzakteuren an den Rohstoffmärkten wird in der Wissenschaft
als Finanzialisierung bezeichnet. Es ist nicht einfach, deren Folgen zu bewerten. Dies
liegt schlicht daran, dass ökonomische Prozesse sich einer exakten Bewertung wie in den Naturwissenschaften
oder gar einer Berechnung wie in der Mathematik entziehen. Das bedeutet,
dass es keinen abschließenden Beweis geben kann. Die Bewertung läuft letztlich über Indizien,
wobei empirische ebenso wie theoretische Argumente einzubeziehen sind. Ich beziehe mich im
Folgenden im Wesentlichen auf eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Studien, offiziellen
Berichten und Analystenaussagen, die Spekulation einen spürbaren und negativen Einfluss zuschreiben
und die im Anhang aufgelistet sind. Es sei darauf hingewiesen, dass sich die Diskussion
im Wesentlichen auf die Situation in den USA bezieht, zum einen, weil dort die größte Erfahrung
mit Finanzialisierung vorliegt, zum anderen weil nur die USA Daten veröffentlichen,
über die sich diskutieren lässt. Dies soll aber nicht bedeuten, dass ähnliches nicht in Europa
stattfindet bzw. stattfinden kann. Vielmehr wissen wir es entweder nicht genau oder es ist sicher,
dass wir ähnliche Folgen hätten, wenn wir eine Finanzialisierung wie in den USA zulassen
würden.
a. Preisveränderung und –steigerung auf Terminmärkten
Sowohl um 2008 als auch momentan kam es zu starken Preissteigerungen von bis zu mehreren
hundert Prozent auf den internationalen Märkten für viele Nahrungsmittel, auch wenn die
Steigerung momentan noch nicht so krass ist wie 2008. Auch liegt damit unbestritten eine mittelfristige
Volatilität der Märkte vor, die man seit den 70er Jahren nicht mehr hatte. Diese Preissprünge
an den internationalen Märkten übertragen sich auf lokale Märkte auf der ganzen Welt,
auch wenn das Ausmaß je nach Land und Region unterschiedlich ist. Obwohl in Entwicklungsländer
viele Menschen noch Bauern sind, leiden diese Länder im Ergebnis, weil sie oft noch immer
Lebensmittel importieren müssen. Deshalb führten die Preissteigerungen zu einem krassen
Anstieg der weltweiten Zahl der Hungernden. Allein für 2007/2008 geht die Welternährungsorganisation
von 115 Millionen Hungernden zusätzlich aus, im letzten Jahr sollen 44 Millionen
dazu gekommen sein. Allerdings ist anzumerken, dass dieser Anstieg und auch die damaligen
Aufstände in zahlreichen Ländern nicht nur auf internationale Nahrungsmittelpreise,
sondern auch auf Energiepreise und andere Probleme zurückzuführen sind.
Wie genau diese beiden Preissprünge zu erklären sind, ist Gegenstand einer großen Debatte.
Sicherlich hatten einige schwache Ernten, fehlende Investitionen in Landwirtschaft und Nachfragesteigerungen,
u.a. durch Schwellenländer oder auch Biosprit, einen Einfluss auf die Preisspitzen.
Allerdings gibt es auch gute Belege dafür, dass die Spekulation auf den Rohstoffterminmärkten
stark beigetragen hat, jedenfalls zum Ausmaß der Spitzen. Es gibt zwei Möglichkeiten,
diese Spekulations-Folgen für die Preisbildung zu begründen: eines sind theoretische Überlegungen
über die Natur der Terminmärkte, zweitens kann man statistische Analysen vornehmen.
Theoretisch sollen Terminmärkte die zukünftigen Preise für Rohstoffe vorwegnehmen und dabei
eine möglichst genaue Aussage über zukünftiges Angebot und zukünftige Nachfrage treffen.
Um dies zu können, müssen möglichst viele Teilnehmer eine begründete Meinung darüber haben,
wie die Zukunft aussehen wird. Ob dies überhaupt möglich ist, darf zwar bezweifelt werden,
soll aber hier keine Rolle spielen. Vielmehr soll die Frage gestellt werden, mit welchen
Gründen Finanzinvestoren an diesen Märkten aktiv sind. Sicherlich werden sie schon aus Eigeninteresse
keine Termingeschäfte eingehen, die völlig unsinnig sind. Allerdings investieren
sie erklärtermaßen oft nicht wegen der konkreten Nachfrage- und Angebotssituation, sondern
um ihr Portfolio zu diversifizieren, d.h. sich gegenüber Risiken aus anderen Märkten wie z.B.
Aktienmärkten oder auch gegen Inflation abzusichern. Besonders Indexfonds investieren breit
über alle möglichen Rohstoffe hinweg, unabhängig von der konkreten Preissituation.
Eine andere klassische Voraussetzung von funktionierenden Märkten ist, dass kein einzelner
Marktteilnehmer den Preis beeinflussen kann. Da Finanzinvestoren als Einzelne, oder aber als
Anlegergruppe das Finanzvolumen der früheren Terminmärkte im Volumen vervielfachen,
können sie den Preis sicherlich selbst mit bestimmen statt ihn nur zu gewärtigen. Einige Forscher
meinen zwar, es handele sich bei den Terminmärkten immer nur um ein „Nullsummenspiel“,
so heißt es z.B. in der Studie von Irwin und Sanders von 2010, die sie im Auftrag der
OECD verfasst haben. Damit ist gemeint, dass es immer einen geben muss, der auf steigende
Preise wettet, für jeden, der auf fallende wettet. Man muss sich aber fragen, wie sich denn die
Preise an Märkten bilden sollen, wenn nicht über die Preisvorstellung der Marktteilnehmer.
Wenn nun eine Gruppe von Marktteilnehmern bereit ist, massenhaft Futures auf steigende oder
fallende Preise zu erwerben, wird dies den Preis für die Futures nicht unberührt lassen.
Dass massenhafte bzw. exzessive Spekulation immer nur einen preisverbessernden Effekt
hätte, weil sie den Markt liquider macht, ist eine zweifelhafte Annahme. Schon John Maynard
Keynes wies darauf hin, dass Spekulation nicht den Markt dominieren darf. Auch Finanzminister
Schäuble hat sich diese Sicht inzwischen zueigen gemacht, z.B. in seiner Rede vom 20. Juni
2010 im Deutschen Bundestag heißt es: „Die lange vertretene Behauptung, dass Spekulation in
der Regel Übertreibungen am Markt entgegenwirke, also eine stabilisierende Funktion habe,
stimmt so auch nicht mehr. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre müssen wir davon ausgehen,
dass die modernen Finanzmärkte in ihrer Verflechtung und mit ihren innovativen Instrumenten
- auch durch ausgeprägtes Herdenverhalten, das durch den elektronischen Handel
noch verstärkt wird - die Schwankungen auf den Märkten verschärfen.“2 Es gibt keinen Grund
anzunehmen, dass ein vollständig von Finanzakteuren wie Banken oder Hedge-Fonds durchdrungener
Warenterminmarkt nicht den von Herrn Schäuble skizzierten Gesetzen gehorchen
sollte. Auf die Spitze getrieben werden solche Verzerrungen bei der Preisbildung vom Hochfrequenzhandel,
durch den einzelne oder gemeinsame automatische Handelsordern einen gesamten
Markt dominieren können.
Empirisch gesehen gibt es zunächst die Möglichkeit, Korrelationen zwischen den Positionen
von Finanzinvestoren und den Preisen für Termingeschäfte anzusehen. Dabei ergeben sich
zwar nicht immer ganz klare Korrelationen, aber doch einige starke Übereinstimmungen. So
ging die Blase von 2007/08 fast gleich einher mit der Explosion der OTC-Derivate im Rohstoffbereich.
Am US-Weizenmarkt ging die Blase einher mit der massiven Beteiligung von Indexfonds,
weshalb ein offizieller US-Senatsbericht die Fonds für die Preissteigerungen verantwortlich
machte (siehe Anhang).
Einige Studien versuchen, über die Korrelation hinaus auch den Kausalzusammenhang zwischen
den Positionen zu ermitteln, in der Regel über so genannte Granger-Tests. Besonders
Studien wie die von Irwin/Sanders für die OECD (2010) haben dabei einen Zusammenhang verneint.
Andere Studien wie die von Gilbert (2010, siehe Anhang) hingegen haben einen preistreibenden
Einfluss von Indexfonds herausgestellt. Oft vernachlässigen diese Studien aber die zeitliche
Struktur der Indexfonds-Investments, da diese über viele Handelsmonate hinweg ihre Investments
streuen. Eine der wenigen Studien, die diesen Effekt einbeziehen (Singleton 2011,
siehe Anhang), kommt auch zu dem Ergebnis, dass die Fonds einen starken Einfluss haben. Allerdings
ist meines Erachtens der Granger-Test generell zweifelhaft als Beweis.
Ein anderer Weg, eine neuartige Situation an den Rohstoffterminmärkte zu belegen, geht über
Untersuchungen, die eine stärkere Korrelation von Rohstoffmärkten und Finanzmärkten untersuchen.
Eine ganze Reihe von Studien (z.B. Mayer 2009, Tang/Xiong 2010,
Silvennoinen/Thorpe 2010, Mou 2010, UNCTAD 2011 u.a., siehe Anhang) kommen dabei zu
dem Ergebnis, dass sich neuartige Korrelationen ergeben haben, seitdem Finanzinvestoren an
den Märkten aktiv sind. So kann es sein, dass z.B. eine Nachricht über den US-Arbeitsmarkt die
Kakaopreise massiv beeinflusst. Oder es kann sein, dass eine bevorstehende Griechenlandumschuldung
den Weizenpreis fallen lässt, wie es Mitte Juni der Fall war. Das alles hat mit Angebot
und Nachfrage auf den Rohstoffmärkten nichts zu tun, auch nichts mit der Entwicklung der
weltwirtschaftlichen Lage. Es ist nur Ausdruck der Umschichtung von Anlagegeldern zum
Zweck einer globalen Renditemaximierung der AnlegerInnen.
Schließlich sprechen auch einige historisch außergewöhnliche statistische Veränderungen
für einen Einfluss der Spekulation. Die Zeit der exzessiven Spekulation geht mit vielen Anomali-
en in den US-Rohstoffmärkten einher. So hat sich die an solchen Märkten typische Situation,
dass die Terminmärkte in der Regel wegen der Kosten für Lagerhaltung etwas günstiger sind
als die Spotmärkte (Keynes’ „normal backwardation“) nicht mehr gilt, sondern die Futuresmärkte
weit häufiger über den Spotmärkten lagen („contango“). Auch wurde z.B. beim Öl das historisch
lange stabile Verhältnis von Reserven und Futuresmärkten gestört.
b. Preisveränderung und –steigerung auf physischen Märkten
Die Preissteigerungen am Terminmarkt gehen einher mit den Preisspitzen auf dem physischen
Markt. Es gibt verschiedene Wege, wie die Preise auf den Terminmärkten auf die physischen
Märkte durchschlagen, vor allem Arbitragehandel, die Orientierung am Futurespreis, Folgen für
die Absicherung durch Terminmärkte und Einflüsse auf die Kaufbereitschaft im physischen
Markt.
Zunächst ist es ja gerade Zweck der Terminmärkte, die physischen Märkte vorwegzunehmen
und Preisvorhersagen zu treffen („price discovery“). Sobald die Termingeschäfte dann
auslaufen, sollten sich Termin- und physischer Markt einander angleichen, indem Händler Arbitragegeschäfte
machen. Übersteigt der Futurespreis den physischen Preis kurz vor Auslaufen
der Futures, können z.B. physische Händler den Future erwerben, am physischen Markt einkaufen
bzw. ihren Vorrat zurückhalten und ihn dann ausliefern, wenn der Future ausläuft. Damit
steigt der physische Preis und der Futurespreis senkt sich, bis beide Märkte angeglichen sind.
Ob dieser Prozess stattfindet, ist allerdings im Einzelfall nicht leicht zu belegen, v.a. weil die Datenlage
bei den Vorräten insgesamt unzureichend ist. Auch kann über Produktionsverzögerungen
indirekt eine Vorratsbildung stattfinden, dies ist allerdings besonders bei Rohstoffen wie Öl
möglich.
Der zweite Weg ist, dass Händler am physischen Markt sich am Futurespreis orientieren.
Dies kann geschehen im Rahmen von physischen Auktionen, wie sie z.B. das Welternährungsprogramm
durchführt. Dies kann auch sein im Rahmen von Lieferungsverträgen, die den Futurespreis
als Referenzpreis nehmen. Solche Verträge sind jedenfalls in den USA üblich. Für die
Orientierungswirkung sprechen auch Aussagen von Händlern, die auf die Bedeutung des Börsenpreises
für den physischen Handel hinweisen.
Ein dritter Weg ist, wenn die Absicherung für die Endnutzer der Märkte wie Bauern bzw. deren
Zwischenhändler nicht mehr funktioniert. So klagten viele Endnutzer in den USA vor drei Jahren,
dass es nicht mehr möglich sei, sich am Terminmarkt abzusichern, zum einen wegen der
hohen Preise am Futuresmarkt, was auch höhere Sicherheitszahlungen („margin“) bedeutet,
zum anderen, weil es nicht mehr zu einer Konvergenz von Futures- und Spotmarkt bei Auslaufen
der Futures kam, was die Planung einer sinnvollen Absicherungsstrategie unmöglich macht.
Roger Johnson, Präsident der National Farmers Union der USA, sagte im Juni 2009: “[E]xcessive
speculation led to the commodity price bubble. Unfortunately, as speculators created this
market bubble, many farmers ended up locking in higher input and feed costs. Now, following
the market collapse, farmers and ranchers are struggling to pay these higher costs and rural
communities, in turn, are feeling the pinch.”3
Ein vierter Weg ist die veränderte Zahlungsbereitschaft der KäuferInnen am physischen
Markt. Wenn diese über den Preis am Futuresmarkt einen steigenden Preis erwarten, werden
sie auch schon jetzt bereit sein, höhere Preise am physischen Markt zu bezahlen, um zumindest
einem Teil der Preissteigerung zu entgehen.
Eine immer größere Zahl von WissenschaftlerInnen geht davon aus, dass die physischen Preise
auf irgendeinem Weg von der Finanzspekulation beeinflusst werden. Als ein prominentes
Beispiel will ich nur ein Arbeitspapier der Weltbank nennen, verfasst von einem Weltbankforscher
und dem damaligen Leiter der Analyseabteilung der Generaldirektion Landwirtschaft bei
der EU-Kommission: „We conjecture that index fund activity (…) played a key role during the
2008 price spike. Biofuels played some role too, but much less than initially thought. And we
find no evidence that alleged stronger demand by emerging economies had any effect on world
prices.“ (Baffes/Haniotis 2010, siehe Anhang). Dieser Zusammenhang wird auch in Grafik 3
deutlich.
Baffes/Haniotis sind auch ein Beispiel dafür, dass Angebot und Nachfrage als Alternativgründe
für Preisveränderungen in der Wissenschaft kontrovers diskutiert werden. Viele Studien
haben insbesondere die These vom preistreibenden Effekt des steigenden Bedarfs aus China,
Indien usw. zurückgewiesen (z.B. de Schutter 2010, siehe Anhang), und zwar selbst Studien,
die dem Spekulationseinfluss kritisch gegenüber stehen (z.B. Headey/Fan 2010, „Reflections on
the Global Food Crisis“, IFPRI). Denn in China selbst kam es nicht zu diesen Preissteigerungen
und außerdem ist China bis heute bei den wichtigen Agrarrohstoffen Selbstversorger. Auch
Biosprit ist als Erklärung wohl nicht mehr ganz so relevant wie noch bis 2008 angenommen,
weil trotz unveränderter Biosprit-Produktionssteigerung die Nahrungsmittel-Preise zwischenzeitlich
um 2009 einbrachen.
Besonders kritisch sollte meines Erachtens die Beteilung von Finanzinvestoren in physischen
Rohstoffmärkten gesehen werden. Hier findet eine direkte Angebotsverkappung statt, die zu
weiteren Preissteigerungen beiträgt, statt – wie die Banken es gerne darstellen – nur davon zu
profitieren. Meines Erachtens ist dies ein weiterer Schritt auf dem Weg hin zu einer durch den
Finanzsektor kontrollierten Wirtschaft und Gesellschaft. Dass dieser Weg trotz des völligen Versagens
der Banken in der Finanzkrise beschritten wird, ist unverständlich und gefährlich.
3. Was ist zu tun gegen Nahrungsmittelspekulation?
Angesichts der negativen Folgen von Finanzspekulation in Rohstoffmärkten halte ich eine Regulierung
der Rohstoffmärkte und insbesondere eine starke Kontrolle und Begrenzung der Finanzspekulation
für dringend geboten, sowohl aus Sicht der BürgerInnen bzw. KonsumentInnen,
als auch aus Sicht der Realwirtschaft, die v.a. auf die Stabilität der Preise angewiesen ist
oder zumindest verlässliche Absicherungsinstrumente wie Terminbörsen braucht, wenn man die
physischen Märkte schon freigegeben hat.
Wie schon gesagt, wird es nie einen absoluten Beweis für die schädlichen Folgen von Spekulation
im Allgemeinen und exzessiver Spekulation im Besonderen geben können. Dies heißt aber
mitnichten, dass die Politik keine Entscheidung treffen und nichts tun sollte. Die Politik muss
vielmehr ständig ökonomisch relevante Entscheidungen unter Unsicherheit treffen, weil die
Ökonomie selbst keine exakte Wissenschaft sein kann. Auch beinhalten wirtschaftspolitische
Fragen immer auch Wertfragen, die sich jeder wissenschaftlichen Begründung entziehen.
Schließlich sollte da, wo eine mögliche große Gefahr besteht, immer das Vorsichtsprinizip
walten. Vor diesem Hintergrund empfehle ich folgende Maßnahmen:
a. Unterschied zwischen Rohstoff(termin)- und Finanzmärkten anerkennen
Der erste wichtige gesetzliche Schritt muss immer sein, Rohstoffterminmärkte nicht einfach als
Teil der Finanzmärkte oder eben als einen Finanzmarkt anzusehen. Der fundamentale Unterschied
ist, dass die den Rohstoffterminmärkten zugrunde liegenden Werte eben physisch begrenzte
Rohstoffe sind, die im Leben der Bevölkerung zudem eine überragende Rolle spielen.
Schon gar der physische Rohstoffmarkt ist völlig verschieden von einem Finanzmarkt wie dem
Aktienmarkt. Wenn der Aktienmarkt eine Spekulationsblase erlebt, ist dies im Wesentlichen ein
Problem der AnlegerInnen. Wenn die Blase im Weizenterminmarkt und dann im Weizenmarkt
stattfindet, ist es eine Katastrophe für Millionen Menschen. Deshalb sollte in allen gesetzlichen
Maßnahmen der Rohstoffsektor gesondert behandelt und mit besonderer Vorsicht reguliert werden.
b. Spezialaufsicht mit ausreichend Mitteln nötig
Bedenklich ist die in Europa völlig unzureichende Aufsicht über die Rohstoff- und
Rohstoffterminmärkte. Man verweist zwar gerne auf das Vorbild USA, wenn es um die
Terminmärkte selbst geht. Aber vergessen wird, dass dort seit fast vierzig Jahren eine
Spezialbehörde existiert. Wenn man das mit dem Personal der nationalen Behörden oder auch
der neuen europäischen Wertpapieraufsicht ESMA (geplant ca. 150 MitarbeiterInnen)
vergleicht, ist eine echte Marktaufsicht und –kontrolle praktisch gar nicht zu bewältigen. Die
Bundesregierung sollte sich im Interesse der Allgemeinheit für eine starke und personell gut
ausgestattete Aufsicht auf nationaler und europäischer Ebene einsetzen, sei es als
Sonderabteilung der allgemeinen nationalen bzw. europäischen Wertpapierbehörde, oder noch
besser als Spezialbehörde.
c. Transparenz, besonders für den OTC-Handel
In den USA gibt es schon lange einen wöchentlichen öffentlichen Bericht über die Positionen in
ihren Futures-Märkten, die von physischen Absicherern („commercials“) und von Spekulanten
(„non-commercials“) gehalten werden. Die USA haben in den letzten Jahren diesen Bericht
schon mehrmals verbessert und u.a. die Positionen von Indexhändlern gesondert erfasst und
veröffentlicht. Mit dem Dodd-Frank-Act soll nun die Berichtspflicht der Händler noch einmal
verschärft werden und in Echt-Zeit geschehen („real-time reporting“). Auch werden
sogenannten Major-Swap-Dealers gesondert erfasst. Swaps sind das Hauptinstrument im USOTC-
Markt. Auch haben die USA beschlossen, den OTC-Markt wieder vollständig zu erfassen
Die Transparenz auf den Rohstoffmärkten ist in Europa völlig ungenügend. Dort gibt es weder
in London noch in Paris ausreichend regelmäßig veröffentlichte Daten, weder für den Futuresnoch
für den OTC-Markt. Es bräuchte deshalb einen nach Händlertypen getrennten Bericht wie
in den USA. Im aktuellen Parlaments-Entwurf für die neue OTC-Verordnung der EU ist so eine
wöchentliche Berichtspflicht auch vorgesehen. Die Bundesregierung sollte diese Regelung auf
jeden Fall unterstützen.
d. Exzessive Spekulation gesetzlich anerkennen und ihr vorbeugen
In den USA existiert aus den Erfahrungen in den 20er Jahren heraus eine offizielle gesetzliche
Definition von exzessiver Spekulation als "sudden or unreasonable fluctuations or unwarranted
changes in the price of [a] commodity.“4 Entsprechendes fehlt in Europa und sollte gefordert
werden. Hinzu kommt, dass der Dodd Frank Act die Aufsichtsbehörde CFTC ermächtigt, exzessive
Spekulation nicht nur zu bekämpfen, sondern ihr sogar vorzubeugen („to diminish, eliminate
or prevent“5). Ein solcher präventiver Ansatz sollte auch in Europa gelten. Preise für Rohstoffe
sind zu wichtig, um auch nur eine einzige durch Spekulation getriebene Blase zu riskieren.
e. Positionslimits: ex-ante und über alle Monate und Märkte
Positionslimits halte ich für essentiell. Ann Berg, früher lange Weizenderivatehändlern an der
Chicagoer Börse und jetzt Beraterin der FAO, formuliert es so: „Over 150 years of futures trading
history demonstrates that position limits are necessary in commodities of finite supply to
curb excessive speculation and hoarding.” (Quelle siehe Anhang)
Dabei könnte man sich bedingt an den USA orientieren, die Limits für den Spotmonat, Einzelmonate
und alle Monate haben. Allerdings wurden diese Limits v.a. seit der Jahrtausendwende
aufgeweicht bzw. Verstöße nicht verfolgt („no action letters“). Zugleich wurden die OTC-Märkte
in weiten Teilen von der Aufsicht ausgenommen, vor allem der Ölmarkt. Dies führte zu der
schon oben beschriebenen Entwicklung. Deshalb sollen die Limits jetzt aggregiert gelten, d.h.
auch für den OTC-Markt. Auch sollen die weiten „bona fide“- Hedging-Ausnahmen für Futures
zur Absicherung von OTC-Rohstoff-Swaps von Finanzakteuren gestrichen werden.
In Europa ist die Lage uneinheitlich, weil die Börsen noch im Wesentlichen der nationalen Aufsicht
unterliegen. Besonders liberal ist die Londoner Börse, wo es keine Limits gibt (allerdings
Auslieferungspflichten). Dies ermöglichte den schon erwähnten Hedge-Fonds-Kauf im Kakaomarkt,
der zu einem Beschwerdebrief von Kakaofirmen an die Londoner Börse Euronext Liffe
führte.6 An der Pariser Börse gibt es zwar Limits für die beiden nächstfolgenden Monate. Das
bedeutet aber, dass ein Finanzinvestor seine Position einfach schon früher rollen kann, so dass
er die Limits de facto übergehen kann.
Es braucht in ganz Europa rechtlich verbindliche Positionslimits, die im Vorhinein („exante“)
gelten. Diese müssen sich für jeden einzelnen Investor beziehen auf den Spotmonat,
Einzelmonate und alle gehandelten Monate. Außerdem müssen die Limits über alle Märkte hinweg,
auch den OTC-Markt gelten. Schließlich wären auch Limits für eine gewisse Händerlerklasse
sinnvoll, denn nur dann wäre sichergestellt, dass Finanzspekulanten nicht durch Aufsplittung
ihrer Geschäfte die Limits umgehen können. Auch wäre über eine Begrenzung des gesamten
Markts nachzudenken, um ein zu schnelles Wachstum des Marktes zu verhindern. Erfreulicherweise
erwähnt das Konsultationspapier zur Reform der Finanzmarktrichtlinie MiFID7 Positionslimits.
Die Bundesregierung sollte sich für die hier vorgeschlagenen ex-ante Positionslimits
bei der EU-Kommission einsetzten.
f. Preislimits einführen
Preislimits sind ein normales Instrument an Börsen, um irrationalen Preissprüngen und Crashs
vorzubeugen. An der Chicagoer Börse z.B. existieren Preislimits, auch wenn diese schon viel
weiter gehen als früher. Die Lockerung der Preislimits wurde vom Fondsmanager Paul Tudor
Jones auf einer Konferenz der Chicagoer Börse im Oktober 2010 scharf kritisiert. Er meinte:
„Existing price limits on all derivatives, futures and options should be reviewed with the intention
of narrowing many of them.”8 Preislimits sind auch an vielen anderen Börsen der Welt üblich,
z.B. in Indien, Brasilien oder China. In Europa gibt es weder in Paris noch in London Preislimits.
Ich denke, dass sie auch in Europa eingeführt werden sollten, um irrationalen Preissprüngen an
den Märkten vorzubeugen. Landwirtschaftministerin Aigner hatte Anfang des Jahres
erfreulicherweise Offenheit für Preislimits bekundet. Die Bundesregierung sollte dabei bleiben
und sich bei der EU-Kommission dafür einsetzen.
g. Clearing für jede Finanzspekulation
Um den Aufbau von großen Risiken bei einzelnen Finanzspekulanten zu verhindern, müssten
alle Geschäfte, in die nur Finanzspekulanten involviert sind, zentral gecleart werden. Dabei darf
es keine Ausnahmen geben. Die USA haben beschlossen, den OTC-Markt auf Clearinghäuser
(„derivatives clearing organisations“) zu bringen, mit der engen Ausnahme sogenannter „enduser“,
also aller Firmen, die ein physisches Geschäft mit den Derivaten absichern. Dies ist
ebenfalls im Rahmen der neuen EU-Verordnung zu OTC-Derivaten auf dem Wege. Dort sind
Ausnahmen für alle Händler vorgesehen, die keine Finanzinvestoren sind („non-financial counterparties“).
Diese Ausnahmen müssen so eng wie möglich gehandhabt werden.
h. Einschränkung oder Ausschluss von Finanzinvestoren bzw. -produkten
Wir denken, dass die massenhafte Beteiligung von allen Arten von Investmentfonds abzulehnen
ist. Terminmärkte brauchen vielleicht einen kleinen Anteil Spekulanten, um Risiken besser
transferieren zu können, aber sie brauchen keine Überflutung mit Finanzwetten. In den USA
z.B. waren historisch gesehen nur 20-30% des Handels von Spekulanten („non-commercials“).
Indexfonds stellen ein besonders großes Problem dar. Viele der o.g. Studien kritisieren besonders
diese Investmentart. Tang/Xiong (2010, siehe Anhang) zeigen unter anderem, dass Rohstoffmärkte
besonders dann mit Finanzmärkten korreliert sind, wenn sie sich in einem der wichtigen
Rohstoffindices befinden. Ich denke deshalb, dass ein Verbot von Indexfonds angebracht
wäre. Ich weise im Übrigen darauf hin, dass diese Fonds auch oft nicht die von den Banken versprochenen
Renditen erwirtschaften, weil die Nachbildung der Rohstoffpreise mit Rollverlusten
verbunden ist und eben die Märkte 2009 eingebrochen sind. Auch aus Gründen des Anlegerschutzes
ist also ein Verbot dieser Fonds geboten.
Aber auch andere, aktiv gemanagte Fonds können durch ihre Größe den Markt überrollen.
Dazu zählen Fonds nach der Richtlinie für Alternative Investmentfonds (AIFM), oder Fonds
nach der OGAW-Richtlinie (UCITS). Die OGAW-Richtlinie wurde erst 2007 überarbeitet. Vorher
waren Rohstoffinvestments kaum möglich, jetzt verbietet die Richtlinie zwar, direkt in einzelne
Rohstoffe zu investieren, macht es aber möglich, indirekt zu 100% in Rohstoffe zu investieren.
Deshalb werden inzwischen von der Finanzbranche „UCITS Hedge Fonds“ entwickelt. Die
erst neu geschaffenen Möglichkeiten für OGAW-Fonds sollten wieder aufgehoben werden.
Schließlich sollten börsengehandelte Rohstofffonds (Exchange Traded Funds, ETFs) und
auch neuartige Produkte wie Exchange Traded Commodities kritisch betrachtet werden, weil
sie oft einen Eingriff in den physischen Markt zur Folge haben. Auch ihre systemischen Wirkungen
für Märkte sind bedenklich, weshalb sogar das Financial Stability Board die ETFs im Auftrag
der G20 untersucht.9
Besonders problematisch ist auch der Eigenhandel der Banken. Die Banken geraten dadurch
in einen Interessenkonflikt, weil sie ihren Eigenhandel auf Kosten der Geschäfte im Auftrag von
Kunden betreiben können. Auch ist der Eigenhandel an sich etwas, was mit dem ursprünglichen
Auftrag einer Bank nichts zu tun hat, nämlich für einen Kapitaltransfer zwischen SparerInnen
und InvestorInnen zu sorgen. Banken, die von diesem ursprünglichen Zweck abweichen, waren
besonders stark von der Krise betroffen. Dies sollte eine Warnung sein, ihnen nicht noch einen
weiteren Bereich zu überlassen, sondern hier andere, unabhängige Spezialhändler zu haben.
i. Steuer auf Termingeschäfte
Eine Steuer auf Rohstofftermingeschäfte würde die Aufblähung des Handels verlangsamen und
insbesondere kurzfristigen und stark gehebelten Handel treffen. Da die Steuer sehr niedrig ist,
würde sie langfristige Investitionen und einmalige Absicherungsgeschäfte im Terminmarkt fast
nicht treffen. Sie würde aber insbesondere den automatisierten Hochfrequenzhandel treffen, mit
dem minimale Preisdifferenzen ausgenutzt werden sollen.
j. Rohstoffkonzerne auch am Spekulieren hindern
Auch die Rolle der multinationalen Rohstoffkonzerne muss bei der Regulierung bedacht werden.
Immer mehr agieren diese als Finanzspekulanten, schließen also Geschäfte ab, die nichts
der Absicherung physischer Mengen zu tun haben. In den US sieht die neue Regulierung deshalb
eine Verengung der Ausnahmen („bona fide hedge exemption“) vor und beschränkt die Befreiung
v.a. von den Positionslimits noch mehr. Dies hat zur Folge, dass Konzerne wie Cargill
sich nun als Major-Swap-Dealer registrieren lassen müssen. Auch in der EU muss nicht nur auf
die Händler, sondern auch auf ihre einzelnen Geschäfte gesehen werden. Im Rahmen der Mi-
FID-Reform ist es auch vorgesehen, die Ausnahmen für Rohstofffirmen einzuengen. Dies sollte
die Bundesregierung unterstützen.
4. Die Rolle der Bundesregierung
Die Bundesregierung soll sich auf allen Ebenen, national, europäisch und global, für die oben
genannten Reformen einsetzen. Es wurde schon mehrmals auf die neue geplante OTCVerordnung
der EU verwiesen. Auch im Rahmen der anstehenden Reform der Richtlinien für
Finanzinstrumente (MiFID) und Marktmissbrauch (MAD) sollte die Regierung für eine starke und
gesonderte Regulierung der Rohstoffmärkte eintreten. In der MiFID wird es aller Voraussicht
nach ein gesondertes Kapitel für Rohstoffmärkte geben. Auf G20-Ebene besteht momentan die
Möglichkeit, dass eine Verständigung über gewisse Regeln für die Rohstoffmärkte stattfinden
könnte. Neben Transparenz wurden auch explizit ex-ante-Positionslimits als mögliche
Regulierung erwähnt. Die Bundesregierung sollte sich vor allem für diese Positionslimits
einsetzen.