Ausgerechnet im Jubiläumsjahr werfen Historiker nun die Frage auf: Stand der Computerpionier den Nazis näher als bisher bekannt? War die Rüstungsindustrie stärker an der Finanzierung seiner Tüfteleien beteiligt als angenommen?
Auch Wilhelm Füßl steht unter Zeitdruck. Der Leiter des Archivs am Deutschen Museum in München bereitet zum 100. Geburtstag eine Zuse-Sonderausstellung vor. Während der Katalog schon gedruckt wird, durchstöbert er weiter einen weitgehend ungehobenen Schatz: den Zuse-Nachlass, den die Witwe 2006 dem Deutschen Museum überlassen hat - 26 Regalmeter pralles Leben, Fotos und Skizzen, Tagebucheinträge, Rechnungen, Manuskripte, vieles davon in Kurzschrift.
Schon nach erster Sichtung der Dokumente fällt ein neues Licht auf den Computerpionier. Eine frühe Fassung seiner Autobiografie ist vollgekritzelt mit Streichungen und Änderungen. "Zuse hat sehr bewusst an seinem sauberen Bild gearbeitet", sagt Füßl. "Er hat vor allem vieles weggelassen."
Der Forscher zeigt einen Brief, den Zuse als Student an einen ehemaligen Lehrer schrieb: "Wenn Sie es selber noch nicht gemerkt haben, so werden Sie vielleicht lernen, dass man von Reichstagswahlen, Parlamenten, politischen Parteien Deutschlands Rettung nicht erwarten darf."
"Zuse argumentiert immer wieder nahe an nationalsozialistischen Ideologien", sagt Füßl. Er kramt ein grünes Zettelchen hervor, das noch für Aufsehen sorgen dürfte. Es ist eng beschrieben mit stenografischen Notizen aus dem Jahr 1942: Zuse erwägt darin, die "Verwandtschaftsbeziehungen von zwei beliebigen Menschen A, B zu berechnen" - unter anderem für die "Ahnenforschung" sowie die "Systematische Rassenforschung". [...]