Zitat von
Dardonthinis
Das stimmt, allerdings nicht in dieser Allgemeinheit: Es gibt noch einen deutlichen Unterschied zwischen Großstädten und Land. Außerdem beginnen mittlerweile die Gemeinden damit, den Ortsschildern der Orte, die nach dem Ersten Weltkrieg eine französisch klingende Bezeichnung erhielten, deutschsprachige oder mundartsprachliche Untertitel anzuhängen, und auch im kulturellen Bereich tut sich einiges.
Aber Du hast recht; das sind bisher alles nur Tropfen auf den heißen Stein. Dass die Elsässer und Niederlothringer sich seit Jahrhunderten der französischen Nation zuwandten, ist auch die Schuld der deutschen Regierungen: Vor Napoleon gab es ja gar keine deutsche Zentralgewalt mehr, und die Fürsten waren rückständig. Da bot Frankreich, besonders seit Napoleon, eine wirkliche Vision, die dazu führte, dass er in der Anfangszeit auch in Deutschland teilweise als Befreier begrüßt wurde. Auf dem Wiener Kongress 1815 zog man die Grenzen im Wesentlichen so wie vor Napoleon; einen Sinn dafür, sie nach den Sprachgrenzen zu ziehen, hatte man damals noch nicht. So fiel das spätere Elsass-Lothringen mit seiner seit der Völkerwanderung germanisch-/deutschsprachigen Bevölkerung wieder an Frankreich - das war hauptsächlich das Werk Metternichs, dem es nur darum ging, das Gleichgewicht zwischen den dynastischen Mächten in Europa wiederherzustellen. Als Elsass-Lothringen 1871 wieder deutsch wurde, wurde es nicht als eigener Bundesstaat ins neu entstandene Kaiserreich integriert und als Reichsland wie eine Kolonie behandelt; das trug natürlich auch nicht dazu bei, dass Elsässer und Lothringer sich ihrer deutschen Wurzeln entsannen, und noch schlimmer war's dann natürlich unter Adolf. Bis 1871 bot Deutschland den Elsässern und Lothringern also keine nationale Heimat mehr. 1871 - 1918 und 1940 - 1944 wurden sie wie eine Kolonie behandelt, und nach 1945 wurde die Frankogeilheit in Deutschland zur Staatsreligion. Jetzt, da es fast zu spät oder gar schon wirklich zu spät ist, ist es allerhöchste Zeit, dass von Seiten Deutschlands auf Frankreich eingewirkt wird, dass es seinen zahlreichen Minderheiten endlich einen Minderheiten- und Autonomiestatus gewährt, wie er den heutigen europäischen Standards entspricht. Wenn die noch vorhandenen Autonomiekräfte im Elsass und in Lothringen auch aus dem Ausland Unterstützung finden würden, wäre es eher möglich, für sie eine Autonomieregelung wie für die Deutschsprachigen in Ost-Belgien und in Südtirol zu erreichen. Aber dazu muss erst einmal der noch immer grassierende deutsche Geschichtsmasochismus überwunden werden.