28.02.13Tabak-Richtlinie
(...)Engels Problem ist genau das: "Es gibt keinen Schnupftabak, der ohne Zusätze auskommt, denn das wäre ein reines Mehl." Die Blätter werden gemahlen, dann mit Ölen, früher Butterschmalz – daher der "Schmalzler" – vermengt. "95 Prozent der Schnupftabake sind mentholisiert, und auch der Rest enthält Aromen."
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Nicht krebserregend, aber gesundheitsschädlich
Es trifft nämlich nicht nur Raucher, die dann auf Menthol- oder Nelkengeschmack verzichten müssten, aber immer noch rauchen können. Denn die bei Heranwachsenden beliebten Suchtmittel sind – offen für spätere Ergänzung in so genannten delegierten Rechtsakten – laut Kommissionsvorschlag Zigaretten, Tabak zum Selberdrehen und eben "rauchfreie Tabakprodukte".
Damit ist vor allem Snus gemeint, ein Lutschtabak, der nur in Schweden verkauft werden darf. Das Durchschnittsalter seiner Konsumenten ist laut Zahlen der Kommission extrem gesunken. "Damit wird aber auch der Schnupftabak getroffen, der ja überhaupt kein hippes Produkt ist, kein Trend- und kein Szeneprodukt", sagt Engels. Bei Jugendlichen steht er augenscheinlich nicht besonders hoch im Kurs – "das weiß jeder, der mit offenen Augen durch die Welt geht".
Schmalzler, Löwen- und Gletscherprise haben etliche nachteilige Wirkungen, ästhetischer Art vor allem: Nach jahrelangem Gebrauch sind Schleimhautreizungen nicht ausgeschlossen, auch der Geruchs- und damit Geschmackssinn kann leiden. Wer sich das Zeug die Nase hoch zwängt, erhält beim nächsten Schnäuzen recht Unansehnliches retour. Aber wenn die EU alles Unappetitliche verböte, hätte sie viel zu tun.
Schnupfer sind ein Randphänomen des Milliardenmarktes für Tabak. Das ist ja das Problem der Handvoll Hersteller, darunter Pöschl als der größte weltweit: Während die großen Zigarettenhersteller sich mit einer europaweiten Anzeigenkampagne und teuren Beratern wehren können, hat der Schnupftabak kaum eine Lobby. Patrick Engels muss selbst ran. Den Job nimmt ihm keiner ab.
Arbeitsplätze in Deutschland stehen auf dem Spiel
Er ist längst auf den Trend zur zusatzstofffreien Zigarette aufgesprungen, hat diversifiziert. Aber der Schnupftabak "nimmt einen anständigen Teil des Umsatzes und der Wertschöpfung der Firma ein", sagt Engels. Wie viel er genau mit den Schnupfern umsetzt, wollte er der EU-Kommission nicht verraten, die ihm mangelnde Kooperationsbereitschaft vorwirft. Bei 95 Prozent Marktanteil in Deutschland, 50 Prozent weltweit, sagt Engels, sei es ihm schlicht zu weit gegangen, sich nackt zu machen.
"Wenn der Schnupftabak nicht mehr wäre, würde das ein Drittel unserer 400 Arbeitsplätze in Geisenhausen bedrohen und nochmal etliche in ausländischen Tochterunternehmen", sagt Engels. Der Mittelstand ist in dieser Sache ohnehin gekniffen.
Der Richtlinienentwurf könne für kleine und mittelgroße Unternehmen arge Belastungen bedeuten, schätzt Oliver Sauer: "Kleinere Firmen trifft es erheblich, wenn sie die Produktion umstellen müssen." Zigarrenhersteller etwa müssten Warnhinweise direkt auf die Kiste drucken, Aufkleber wären nicht mehr erlaubt. Außerdem sieht die Kommission die Rückverfolgbarkeit jeder Packung vor, was dem Hersteller das Speichern enormer Datenmengen auferlegt.
Bei Einzelnen hat sich das Vorsprechen für Engels gelohnt. Verständnis zumindest bekommt er signalisiert. Karl-Heinz Florenz (CDU) etwa, der sich im Europaparlament für seine Partei mit der Neufassung der Richtlinie befasst, geht es ums große Ganze, darum, dass weniger Menschen rauchen, nicht darum, eine schwindende Zahl von Schnupfern weiter zu dezimieren. Auch CSU-Parlamentarier Manfred Weber, der aus Niederbayern kommt wie Pöschl, sieht die Nöte des Mittelständlers.
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