[Links nur für registrierte Nutzer]Anschlussbestrebungen in Österreich von der Republikgründung bis zu den Volksabstimmungen in Tirol und Salzburg 1921
Am 12. November 1918 rief die provisorische Nationalversammlung Deutschösterreichs die Republik aus und proklamierte deren Anschluss an Deutschland. Im 2. Artikel der provisorischen Verfassung hieß es: „Deutsch-Österreich ist ein Bestandteil der deutschen Republik“.
Die Vereinigung der beiden Länder sollte den wirtschaftlichen, politischen und nationalen Schwierigkeiten entgegenwirken, denen sich die junge Republik Deutschösterreich nach dem Kriegsende und dem Zusammenbruch des Habsburgerreiches ausgesetzt sah. Die Großdeutsche Partei und der Landbund vertraten den Anschluss aus ideologischen Gründen und argumentierten mit dem gemeinsamen kulturellen Erbe, der gemeinsamen Sprache und Nationalität. Auch die Sozialdemokraten, allen voran Otto Bauer, sprachen sich für den Zusammenschluss mit der deutschen Republik aus, die im Gegensatz zum österreichischen Gebiet stärker industrialisiert war und damit über eine größere sozialdemokratische Basis verfügte. In der Sozialdemokratie überwogen neben politisch-strategischen Argumenten vor allem ökonomische Überlegungen. Unter den Christlichsozialen, die zunächst auf die Restauration der Monarchie hofften, fanden die Anschlussbestrebungen deutlich weniger Anklang.
Auf deutscher Seite reagierte man auf den Beschluss der provisorischen Nationalversammlung Deutschösterreichs mit Zustimmung. Im November 1918 verkündete die deutsche Regierung die Eingliederung Deutschösterreichs, die später in Artikel 61 der Verfassung der Weimarer Republik bestätigt wurde.
Die Hoffnungen auf einen Anschluss wurden jedoch mit den Friedensverträgen von Saint-Germain (für Österreich) und Versailles (für Deutschland) enttäuscht. Der Friedensvertrag legte die österreichische Unabhängigkeit als „unabänderlich“ fest und verlangte die Abänderung des Namens „Deutschösterreich“ in Republik Österreich. Auch Deutschland musste auf Druck der Alliierten den oben erwähnten Verfassungsartikel streichen. Die Siegermächte wollten damit eine machtpolitische Stärkung von Deutschland und Österreich, welche die Kriegsschuld zu tragen hatten, verhindern. Das ausdrückliche Anschlussverbot vermochte jedoch den in der österreichischen Bevölkerung weit verbreiteten Anschlussgedanken nicht gänzlich zu beseitigen.
Am 1. Oktober 1920 einigte sich die Konstituierende Nationalversammlung Österreichs über einen Antrag, der die Regierung dazu aufforderte, ein Plebiszit über den Anschluss Österreichs an Deutschland durchzuführen. Letztere verhielt sich jedoch angesichts der anstehenden Kreditverhandlungen mit dem Völkerbund und der Befürchtung, die Alliierten würden ihre Hilfeleistungen einstellen, zurückhaltend. Dennoch fanden im April und Mai 1921 sowohl in Tirol als auch in Salzburg länderweise Volksabstimmungen zur Frage „Wird der Anschluss an das Deutsche Reich gefordert?“ statt, bei der sich eine überragende Mehrheit der Bevölkerung für den Anschluss aussprach. Die Abstimmungen blieben zwar politisch folgenlos, verdeutlichen aber, welche Brisanz die Frage in der österreichischen Bevölkerung erlangt hatte. Aufgrund der Drohungen der Alliierten und der noch ungelösten Grenzverhandlungen auf burgenländischem Gebiet wurde schließlich von weiteren Volksabstimmungen abgesehen, doch verschwand der Anschlussgedanke keineswegs aus der politischen Debatte