Der Erste Weltkrieg endet mit dem Friedensvertrag von Versailles, der die Grundlage für einen dauerhaften Frieden in Europa legen soll. Der Vertrag erhält unter anderem weitgehende Verpflichtungen für alle Unterzeichnerstaaten, ihre Armeen nach dem Kriege abzurüsten. Diese Pflicht betrifft also nicht alleine das besiegte Deutschland.
Im I. Teil endet des Versailler Vertrages, Artikel 8, bekunden alle Unterzeichnerstaaten,
„dass es die Aufrechterhaltung des Friedens nötig macht, die nationalen Rüstungen auf das Mindestmaß herabzusetzen, das mit der nationalen Sicherheit vereinbar ist“.
Erst der V. Teil des Vertrages bestimmt, dass Deutschland seine Streitkräfte auf 100.000 Mann im Heere und auf 15.000 Mann in der Marine zu reduzieren hat,
„um die Einleitung einer allgemeinen Rüstungsbeschränkung aller Nationen zu ermöglichen“.
Außer der Umfangsbegrenzung von Landstreitkräften und Marinen bestimmt der Versailler Vertrag auch, dass dem Deutschen Reich der Besitz von Militärflugzeugen, schwerer Artillerie, Kampfpanzern und einigem anderen Kriegsgerät verboten ist. Die Begleitnote vom 16. Juni 1919, mit der der französische Ministerpräsident Clemenceau den Vertragstext „im Namen der Alliierten“ an die deutsche Reichsregierung übersendet, wiederholt die Selbstverpflichtung der Siegerstaaten, nach vollendeter deutscher Abrüstung ebenfalls den Umfang der eigenen Armeen zu verringern. In dieser Note heißt es:
„Die deutsche Abrüstung stellt gleichzeitig den ersten Schritt zu der allgemeinen Herabsetzung und Begrenzung der Rüstung dar. … Nachdem Deutschlanden Weg gezeigt haben wird, werden die alliierten und assoziierten Mächte voller Sicherheit den gleichen Weg gehen“.[v.Oertzen, Seite 13]
Die Sieger sagen damit ihre eigene Abrüstung für den Zeitpunkt zu, zu dem die deutsche Abrüstung vollzogen ist. Anfang 1927 wäre der Moment gekommen. AM 31.Januar 1927 stellt die Interalliierte Militärkommission der Siegermächte offiziell fest, dass das Deutsche Reich seine Abrüstung vertragsgemäß vollzogen hat. Das hätte nach Geist und Buchstaben des Versailler Vertrages der Startschuss für eine umfassende und globale Abrüstungswelle nach dem Ersten Weltkrieg werden müssen.
Die Folgen:
Bei 100.000 deutschen Heeressoldaten unterhalten Frankreich und die mit ihm gegen Deutschland verbündeten Nationen 1923.
Frankreich:
724.000 Mann
Belgien:
113.000 Mann
Polen:
275.000 Mann
Teschechoslowakei:
140.000 Mann
Litauen:
32.000 Mann
Diese für das Deutsche Reich riskante Unterlegenheit von 12 zu 1 ändert sich auch nicht im Laufe der Abrüstungskonferenz des Völkerbundes bis 1934.
Als Hitler 1933 an die Macht kommt, stehen den 100.000 Mann im deutschen Heer noch immer gegenüber:
655.000 Franzosen
66.000 Belgier
296.000 Polen
140.000 Tschechen und
32.000 Litauer
Hinzu kommen als weiteres Risiko für Deutschland – wenn auch erst in der zweiten Reihe –
885.000 sowjetische Soldaten [Maser, Seite 137] Erschwerend kommt aus deutscher Sicht hinzu, dass Deutschland infolge des Versailler Verbots seit 15 Jahres ohne Wehrpflicht keine Reservekräfte unterhält. Die Nachbarstaaten verfügen allesamt über Waffen und Reservisten, mit denen bei Mobilmachung die Heere für den Kriegsfall vergrößert werden könnten. Im Vergleich der „K-Stärken“[Kriegs-Stärken] schneidet Deutschland deshalb noch einmal deutlich schlechter ab. Den deutschen 100.000 Mann stehen im „K-Fall“ gegenüber:
4.5 Millionen Franzosen
3.2 Millionen Polen
1.3 Millionen Tschechen
0.6 Millionen Belgier
0.15 Millionen Litauer
Lloyd George am 29. November 1934 im englischen Unterhaus, Englands Premier während der Kriegszeit:
„Die Signatarmächte des Vertrages von Versailles versprachen den Deutschen feierlich, man würde abrüsten, wenn Deutschland mit der Abrüstung vorangehe. Vierzehn Jahre lang hatte Deutschland auf die Einhaltung dieses Versprechens gewartet. In dieser Zeit ist eine Reihe ausgesprochen friedfertiger Minister in Deutschland tätig gewesen, Minister, die nicht aufgehört haben, die großen Mächte zu beschwören, endlich mit der Einlösung des gegeben Versprechens ernst zu machen. Man hat sich über diese deutschen Minister … lustig gemacht. In der Zwischenzeit haben alle Länder, mit Ausnahme Englands, ihre Kriegsbewaffnung noch gesteigert und sogar den Nachbarn Geldanleihen zugestanden, mit denen diese wiederum gewaltige Militär-Organisationen dicht an Deutschlands Grenzen aufbauten. Können wir uns dann wundern, dass die Deutschen zu guter Letzt zu einer Revolution und Revolte gegen diese chronischen Betrügereien der großen Mächte getrieben werden?“
[Bernhardt, Seite 151]