Lauter Idioten heute in der Politik, welche die Wissenschaft kaputt machen


Nobelpreisträgerin über Bürokratie in der Wissenschaft

»Wer kommt auf so eine Idee? Die haben einen Knall«
Sie ist die einzige Deutsche, die mit dem Nobelpreis für Medizin geehrt wurde. Hier spricht Christiane Nüsslein-Volhard über Forschungsfreiheit und die größten Feinde der Wissenschaft: ungebildete Politiker.
Ein Interview von Rafaela von Bredow und Antje Windmann
19.05.2024, 16.58 Uhr • aus DER SPIEGEL 21/2024

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Nüsslein-Volhard: Nehmen wir das Tierschutzgesetz. Es regelt, dass man Wirbeltiere nicht ohne guten Grund töten darf. Ein Schwein zu schlachten gilt als ein solcher Grund, weil man es essen kann. Bringt man aber einen Fisch um, der zu alt für die Experimente geworden ist, können Wissenschaftler sogar die Erlaubnis verlieren, weiter an diesen Tieren zu forschen. Denn das wird nicht als »guter Grund« angesehen. Dabei kann man Fische sehr schonend töten, indem man sie auf Eis legt, so wie es jeder Fischer macht. Im Labor durfte man das lange Zeit aber nicht, weil sich die Tiere beim Sterben auf dem Eis verletzen könnten. Zwischenzeitlich sah es auch so aus, als müssten wir irgendwelche Pflanzen in die Becken tun, damit die Fische es schön haben. Aber den Fischen ist es völlig wurscht, ob da eine Pflanze drin ist. Dass sie sich bei uns wohlfühlen, sieht man daran, dass sie sehr viele Eier legen. Ihre Fruchtbarkeit ist das einzige objektive Kriterium.
SPIEGEL: Das Tierschutzgesetz soll jetzt weiter verschärft werden.
Nüsslein-Volhard: Das Gesetz macht den Laboralltag jetzt schon ungeheuer aufwendig. Man muss ständig Protokoll führen, über jeden einzelnen Fisch im Aquarium. Was absurd ist bei unseren 70.000 Fischen. Und wenn man überlegt, dass ein Fischweibchen bis zu 200 Eier am Tag legen kann. Auch bei Mäusen gibt es absurde Vorschriften: Wenn man eine Maus von einem Käfig zum anderen transferieren wollte, hat man sie früher einfach am Schwanz gepackt und rübergehoben. Das gilt inzwischen als grausam.

SPIEGEL: Sie überblicken viele Jahrzehnte deutscher Forschung und Lehre, deren Freiheit das Grundgesetz seit nun 75 Jahren schützt. Wie bedeutsam ist dieser Artikel 5 Absatz 3 für die Wissenschaft?
Nüsslein-Volhard: Sehr. Freiheit heißt ja, dass niemand einem vorschreiben soll und darf, woran man arbeitet. Das wird in Deutschland ernst genommen. Zugleich versucht die Politik trotzdem zu lenken, woran geforscht wird, durch die Vergabe von Fördergeldern. In die Erforschung von Volkskrankheiten wie Alzheimer fließt zum Beispiel sehr viel Geld.
SPIEGEL: Dann ist die Forschung hierzulande tatsächlich frei?
Nüsslein-Volhard: Nicht so frei, wie ich sie gern hätte. Es gibt einen Haufen unvernünftiger, überregulierender Gesetze, die Wissenschaftler einschränken.
»Es kann doch nicht sein, dass sogar Grünenpolitiker nicht wissen, wie Landwirtschaft funktioniert.«
Nüsslein-Volhard
SPIEGEL: An was denken Sie da konkret?
Nüsslein-Volhard: Zum Beispiel an die Biologiedoktorandin Marie-Luise Vollbrecht, der die Humboldt-Uni in Berlin 2022 verbot, einen letztlich artigen Vortrag darüber zu halten, dass es in der Biologie zwei Geschlechter gibt. Trans-Aktivisten hatten dagegen mobilisiert. Das ist doch grauenvoll!

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