Zu viel versprochen
Kritik am Freihandelsabkommen von EU und USA
Die Informationspolitik zum Freihandelsabkommen sei nicht ausbalanciert, sagt Prof. Gabriel Felbermayr. Das könne man dem Wirtschaftsministerium vorwerfen. Viele Politiker versprechen ein Jobwunder und 120 Milliarden Euro Wirtschaftswachstum. Doch diese Zahlen lassen sich schwer belegen. Das Wachstum betrage 0,5 Prozent in einem Zeitraum von zehn Jahren, so der Forscher vom Institut für Wirtschaftsforschung (ifo-Institut), der eine Studie dazu erstellt hat. Die Beschäftigungseffekte seien positiv, aber auch im optimistischsten Szenario seien sie klein, sagt Felbermayr. "Da reden wir von 0,4 Prozent der Beschäftigung."
Der Protest drängt nun auch in den Bundestag
Seit Sommer 2013 verhandeln die Europäische Union und die USA über ein Freihandelsabkommen. Handelsschranken sollen wegfallen, ein gemeinsamer Wirtschaftsraum mit mehr als 800 Millionen Verbrauchern soll entstehen. Doch die Pläne stoßen auf Widerstand, Aktivisten sind alarmiert. Sie verbünden sich über das Internet zum Protest.
Eine erste Hürde haben sie bereits genommen. 68.000 Menschen unterzeichneten eine Petition auf der Webseite des Bundestages. Sie fordern vom Parlament, das Freihandelsabkommen abzulehnen. Das Abkommen mit Namen TTIP (Transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen) untergrabe die Demokratie. Unternehmen könnten Staaten auf Schadenersatz verklagen, wenn diese strengere Regulierungen beschließen. Die Unterstützer der Petition befürchten zudem, dass europäische Lebensmittelstandards durch laschere US-Regeln verwässert werden.
Die Unterzeichner sind gegen das geplante Abkommen über eine Transatlantische Handels- und Investitions-Partnerschaft (TTIP). Der Vertrag höhle Demokratie und Rechtsstaat aus, kritisieren sie. Er erlaube Unternehmen, Schadenersatz zu fordern, wenn neue Gesetze ihre Gewinne schmälerten.
"Was in den USA erlaubt ist, würde auch in der EU legal - so wäre der Weg frei für Fracking, Gen-Essen und Hormonfleisch", heißt es im Petitionstext. Die Kritiker befürchten auch, dass Internetnutzer stärker überwacht werden, um Urheberrechtsverletzungen zu verfolgen.
Weg frei für Chlorhühner
Verbraucherschützer kritsieren Handelsabkommen
Verbraucherschützer fürchten, dass in den eher geheimen Gesprächen zum Freihandelabkommen zwischen den USA und der EU am Ende Lobby-Interessen der Konzerne überwiegen. Die Protestbewegung Campact hat im Internet mehr als 340.000 Unterschriften gegen das transatlantische Freihandelabkommen (TTIP)gesammelt. Die Liste der Vorwürfe ist lang: Ausländische Konzerne könnten EU-Länder vor nicht öffentlich tagenden Schiedsgerichten auf hohen Schadenersatz verklagen. In den Kommunen drohten Privatisierungen von Wasser, Bahn, Gesundheit und Bildung. Die US-Agrarlobby wolle in Europa genmanipuliertes Essen, Hormonfleisch oder mit Chlor desinfizierte Hühnchen verkaufen. Der Datenschutz werde ausgehöhlt. US-Energiekonzerne wollten in Europa mit Fracking Schiefergas fördern.
"Wir haben Angst, dass in den Verhandlungen der Verbraucherschutz völlig unter die Räder kommt", sagt Pia Eberhardt von der Anti-Lobby-Organisation "Corporate Europe Observatory" (CEO). "Wenn man sich anschaut, was sich US-Konzerne von den Verhandlungen wünschen, geht das in genau die Richtung, dass mehr Gentechnik auf unseren Tellern landet." Es gehe um die Unterwanderung von Lebensmittelstandards, für die Menschen viele Jahre gekämpft haben.
"Wir brauchen für Produkte, die auf unseren Märkten nicht gewünscht sind, weiterhin Einfuhrverbote", sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Gerd Billen. "Wir dürfen uns nicht damit vertrösten lassen, dass Chlorhähnchen und mit Hormonen versetzte Milch für den europäischen Markt nur gekennzeichnet werden."
Wenn Hühner wie in den USA zur Desinfizierung beim Schlachten durch ein Chlorbad gezogen würden, sei der Anreiz für hohe Hygienestandards in Ställen gering. Billen forderte im Dezember 2013 für die Verhandlungen ein eigenes Kapitel zum Verbraucherschutz. Die Europäer wollten auch nicht, dass gentechnisch veränderte Produkte oder Klonfleisch verkauft würden - selbst wenn man eine Kennzeichnung aufbringe. "Es gilt, die Wünsche der Verbraucher zu respektieren", betonte Billen.
"Die Vereinbarung hat das Potenzial, die Verbrauchersicherheit und die Verbraucherschutzregeln in einem negativen Sinn zu verändern", sagte die Generaldirektorin des Europäischen Verbraucherverbands, Monique Goyens. Die Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften der EU seien schließlich die strengsten der Welt, sagte die Direktorin der Europäischen Allianz für öffentliche Gesundheit, Monika Kosinska.
Keine Kennzeichnung und kein Verbot
EU-Parlament setzt sich mit Forderung nicht durch
Fleisch und Milch von Nachfahren geklonter Tiere können auch künftig ohne Kennzeichnung in Europas Supermärkten verkauft werden. Das Europaparlament scheiterte in der Nacht zum 29. März 2011 mit seiner Forderung nach einem Verbot und strikten Vorgaben für die Vermarktung von Klonfleisch am Widerstand von EU-Mitgliedsstaaten und Europäischer Kommission. Die letzte Verhandlungsrunde ging nach zwölf Stunden ergebnislos zu Ende, teilte der ungarische EU-Vorsitz in Brüssel mit. Es bleibe somit vorerst bei der gegenwärtigen Rechtslage, die kein Verbot vorsieht.
Steaks, Schnitzel und Käse von Klontiernachkommen landen somit weiter auf deutschen Tellern, ohne dass die Verbraucher davon erfahren - es gibt dafür keine Zulassungspflicht. Geklonte Tiere selbst werden in der EU zwar nicht zu Lebensmitteln verarbeitet. Es kann aber sein, dass sich Produkte von Klontiernachfahren, die mit Bullensperma aus den USA oder Lateinamerika gezeugt wurden, im Handel befinden. Genaue Zahlen gibt es nicht.
Europa-Abgeordnete sprachen von einer schlechten Nachricht für Verbraucher. "Offenbar wollen die Mitgliedsstaaten, dass die Verbraucher Klonfleisch essen, ohne dies zu erfahren", kritisierte der gesundheitspolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion, Peter Liese (CDU). Eine Lösung sei auch an der Blockadehaltung der Bundesregierung gescheitert. Das Wirtschaftsministerium habe bis zuletzt einen Kompromiss blockiert. "Die Haltung der Bundesregierung war äußerst starrsinnig", sagte SPD-Gesundheitsexpertin Dagmar Roth-Behrendt. Klonen sei überflüssig und ethisch nicht vertretbar.
Die EU-Kommission argumentiert, dass der Aufwand zu hoch sei, um die Nachfahren von Klontieren zu ermitteln. Zumal laut EU-Behörde das Klonen in USA schnell vorankommt und es dort kein System zum Erfassen von Klonen gibt. Die EU-Kommission fürchtete, dass Eingriffe gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) verstoßen könnten.
Die Klonfleisch-Pläne waren Teil einer umfassenden Richtlinie für neuartige Lebensmittel, zu denen alle Nahrungsmittel zählen, die seit Mitte der 1990er Jahre auf den Markt gekommen sind. Nun wird die alte Verordnung aus dem Jahr 1997 weiter gelten.
Parlament und Ministerrat schoben sich gegenseitig die Schuld am Scheitern der Gespräche zu. Die ungarische Präsidentschaft teilte für den Ministerrat mit, das Parlament sei "unfähig zu einem Kompromiss". Die Mitgliedsstaaten hatten vorgeschlagen, nur Fleisch von Nachkommen zu kennzeichnen, und zwar zwei Jahre nach Inkrafttreten der Regeln.
Fleisch geklonter Tiere war schon in Handel gelangt
Klonfleisch gibt es offiziell in Deutschland noch nicht
"Lebensmittel von Klontieren könnten ohne Kenntnis der Öffentlichkeit in der Europäischen Union in die Nahrungskette gelangt sein." So stand es in einer Analyse des Münchner Instituts Testbiotech vom August 2010 zu den Risiken des Klonens von Farm-Tieren, welche die europäischen Grünen in Auftrag gegeben hatten. In Großbritannien soll Klonfleisch in die Nahrungskette gelangt sein. Nach Angaben des britischen Rinderzuchtverbands Holstein UK sind womöglich 100 Rinder betroffen. Sie sind Nachkommen einer geklonten Kuh aus den USA. Dort sind Lebensmittel, die von Klontieren stammen, bereits seit zwei 2008 grundsätzlich erlaubt.
Großbritannien sei in Europa aber kein Einzelfall, warnt der Tierarzt Dr. Christoph Then von Testbiotech. "Das Fleisch und die Milch der Nachkommen sind derzeit in der EU nicht von der Gesetzgebung erfasst", sagte Kommissionssprecher Roger Waite. Deshalb könne niemand wissen, ob solche Produkte bereits auf dem Markt seien. Die Europäische Kommission hat die Milch und das Fleisch von Klontieren und ihren Nachkommen indes für gesundheitlich unbedenklich erklärt
Klonen in Deutschland nur zu Forschungszwecken
In Deutschland dürfen Tiere nur zu Forschungszwecken geklont werden. An der Universität München haben Forscher bereits etliche Nutztiere geklont, um an ihnen Krankheiten zu untersuchen. "In fernerer Zukunft wird man vielleicht auch daran denken, bestimmte interessante Genvarianten von einer Nutztierrasse in eine andere Nutztierrasse zu übertragen", sagt Prof. Eckhard Wolf von der Uni München.
"Wir wollen kein Klonfleisch in Deutschland haben", sagt Jürgen Abraham vom Verband der deutschen Ernährungsindustrie. "Ethische Gründe und die Gesundheit der Tiere sprechen dagegen. Wir wissen nicht, welche Konsequenzen das Klonfleisch mit sich bringt. Und wir sehen vor allem keinen wirtschaftlichen Vorteil darin."
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