Sie verweigern Essen und Trinken mitten in München. Nur einen Steinwurf vom schicken Viktualienmarkt entfernt. Das überfordert nicht nur Sozialministerin Haderthauer. Dabei wollen die Flüchtlinge nur eines: als Menschen behandelt werden. Zwei Flüchtlinge sind inzwischen im Krankenhaus.
Von Bernd Kastner
Sie haben inzwischen ein weiß-rotes Flatterband gespannt um die Zelte, weil sie sich ein wenig zurückziehen wollen und schützen vor den vielen Sympathisanten und jenen, die aufs "Ausländerpack" schimpfen. Einen ordentlichen Eindruck macht das Lager auf dem Rindermarkt in München, zwei Dixie-Klos gibt es, alles kein Vergleich mehr zum Plastikplanenverhau der ersten beiden Tage, der die Flüchtlinge nicht vor dem Regen geschützt hat.
Jetzt haben sie weiße Partyzelte umfunktioniert zu einer Schutzhülle. Auf den Pflasterboden haben sie Holzpaletten und zusammengeklappte Biertische gelegt, darauf ihre Schlafsäcke und Decken ausgebreitet, es ist ja nicht Sommer in München. "Here is Hunger Strikers' area", steht auf dem Absperrband, bitte nicht betreten. Auf einer Bierbank lesen Männer in den Zeitungen, was über sie geschrieben steht. "Verschärfter Hungerstreik" steht da, oder: "Wir riskieren unser Leben". Ein Mann aus dem Kongo kommt zum Band. "I am so weak", sagt er leise, ich bin so schwach.
Es ist Tag fünf ihrer Aktion, seit Samstag verweigern gut 50 Flüchtlinge das Essen, seit Dienstag trinken sie auch kein Wasser mehr. Plötzlich sind da Flüchtlinge mitten in München, einen Steinwurf vom Viktualienmarkt mit seinen teuren Köstlichkeiten entfernt; plötzlich müssen sich die Regierenden in Bayern mit Menschen befassen, die sie mit ihrer Politik doch eigentlich abschrecken wollen.
Entsprechend haben die CSU-Ministerien, das für Soziales und das für Inneres, zunächst aufeinander gezeigt und den jeweils anderen für zuständig erklärt, keiner wollte was mit dem Problem dieser Schutzsuchenden zu tun haben. Immerhin, am Mittwoch setzten sich die Behörden mit den Flüchtlingen an einen Tisch, aber die Fronten bleiben verhärtet.
Zuvor schon hat Christine Haderthauer, die Sozialministerin der CSU, klar gemacht, was jetzt Sache sei: "Hierzulande ist Politik nicht erpressbar, wir leben in einem Rechtsstaat, wo man sich nicht durch Hungerstreiks eine Vorzugsbehandlung erzwingen kann." Die Flüchtlinge hätten jetzt gefälligst wieder zu essen. Kasernenhofton statt Mitgefühl.
"Mich berührt das persönlich"
Am Vortag war schon der erste Flüchtling auf die Intensivstation gebracht worden, er hatte das Bewusstsein verloren, am Mittwoch kamen drei weitere ins Krankenhaus. Sie meinen es ernst, die "Non-Citizen", wie sie sich nennen. Die Nicht-Bürger wollen den Bürgern des Freistaats klar machen, dass man sie selbstverständlicher Rechte beraubt, sie nicht arbeiten lässt, sie aus ihrem Regierungsbezirk nicht raus lässt, sie mit Essenspaketen zwangsversorgt und in Massenunterkünfte steckt, wo sie untätig über viele Monate auf ihren Asylentscheid warten müssen. Vordergründig fordern die "Non-Citizens" Asyl von Angela Merkel, der sie einen Brief geschrieben haben, tatsächlich aber kämpfen sie um ihre Würde im CSU-Land.