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Broder: Sie glauben auch, dass der Koran das vollkommene, unverfälschte Wort Gottes ist.
Kamouss: Das ist Konsens.
Broder: Ich frage, ob Sie es glauben.
Kamouss: Wenn ich nicht daran glaube, wer dann? (lacht)
Broder: Dann kann man den Koran gar nicht anpassen, verändern, neu auslegen?
Kamouss: Der Koran ist ja flexibel an sich.
Broder: Wieso ist er flexibel, wenn er als Gottes Wort unveränderbar ist?
Kamouss: Das ist ja das Schöne, das Wunder des Korans. Gottes Wort heißt nicht, dass er uns verkrampft hat. Der Koran gibt uns ja nur Richtlinien. Er verpflichtet uns zur Gerechtigkeit.
Broder: Wenn ich mich nicht sehr irre, ist der Koran eine sehr konkrete Anweisung für den Alltag. Eine detaillierte Handlungsanweisung. Sie richten Ihr Leben nach einem Buch aus, das im siebenten Jahrhundert geschrieben wurde
Kamouss: Wenn Sie mir die Zeit geben, erkläre ich es Ihnen.
Broder: Tun Sie es bitte. Worin ist der Koran flexibel?
Kamouss: Wenn etwas passiert, das wir uns nicht erklären können, und wir nicht wissen, wie wir handeln sollen, dann projizieren wir dieses Ereignis auf die Fundamente des Islams. Und der Koran sagt uns dann, was wir machen sollen.
Broder: Nehmen wir das Beispiel Todesstrafe. Wo ist da die Flexibilität?
Kamouss: Von welcher Todesstrafe reden Sie jetzt?
Broder: Von der, die vor zwei Tagen an einer jungen Frau in Teheran vollzogen wurde...
Kamouss: Das wird total abgelehnt, was da passiert ist.
Broder: Wer lehnt das ab?
Kamouss: Der Koran selbst. Zeigen Sie mir eine Stelle im Koran, die so etwas billigt?
Broder: Zeigen Sie mir einen prominenten islamischen Gelehrten, der sich gegen diese Exekution der jungen Frau öffentlich und laut ausgesprochen hat.
Kamouss: Alle gelehrten Komitees von Djakarta bis Tanger haben es getan.
Broder: Wo?
Kamouss: Ich sage Ihnen doch, alle haben es gemacht.
Broder: Heimlich im Café?
Kamouss: Ich bitte Sie...Ich hab es gelesen, ich hab es gehört, die Stellungnahme von Großgelehrten.
Broder: Das heißt, ich hab es überhört?
Kamouss: Ja, so ist das. Sie haben es nicht gehört. Das ist ja unser Problem, dass diese Stimmen nicht ankommen. Genau wie im Falle des "Islamischen Staates". Das alles hat mit dem Islam nichts zu tun.(...)