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Thema: Im Auge des Betrachters. Filme im Gespräch

  1. #1
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    Standard Im Auge des Betrachters. Filme im Gespräch

    Im Auge des Betrachters.

    Filme im Gespräch



    Guten Morgen,


    angeregt durch den „Welchen Film habt ihr Euch zuletzt angeschaut?“ Themenstrang, eröffne ich ein neues Thema, wo Interessierte sich zunächst einmal ganz allgemein über Filme unterhalten können.
    Wer will, der stelle gerne Filme, Filmszenen, Betrachtens –und Bedenkenswertes zum Thema Film (was immer es sei ) vor und erläutere(!) seine Gedanken dazu.
    Aus einer solchen Vorstellung mag sich dann eine Diskussion entfalten bzw. ein Gespräch zustande kommen, oder auch nicht.
    Bitte verzichtet ganz allgemein auf wenig informative Einzeiler oder Filmlinks mit einem „Super Film“ oder „Was für ein Unfug“ als einzigem Kommentar.


    Ich mache mal den Anfang und stelle zwei Filmszenen vor, die meines Erachtens exemplarisch für das Scheitern des jeweiligen Films, aus dem sie entnommen sind, stehen:


    Aus Alfred Hitchcocks „Die Vögel“:

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    Ausgangslage: Unsere Hauptcharaktere werden im Haus von wilden, mörderischen Vogelschwärmen belagert. Während Mitch als männlicher Macher und Beschützer wie ein Berserker alles verrammelt und vernagelt und alle in schrecklicher Sorge der schlimmen Dinge harren, die draußen auf sie warten mögen, hört Blondchen Geräusche aus dem Obergeschoss, die verdächtig nach Flattern oder Scharren klingen, jedenfalls klingen sie wie etwas, das da nicht sein sollte.
    Als moderne selbstbewusste Frau mutig genug, alleine den Dingen auf den Grund zu gehen und ohne den anderen ihre Wahrnehmung mitzuteilen, schnappt sie sich eine Taschenlampe und steigt bedeutungsschwanger die Treppe hinauf ins dunkle Obergeschoss. Sie öffnet behutsam eine Tür und sieht –oh Graus!- ein großes Loch im Dach. Bei all den Vögeln da draußen! Zu Hilfe! Sie sind bereits im Zimmer!
    Blondschopf schlüpft geschwind ganz ins Zimmer und schlägt leider in ihrer Panik die Tür hinter sich zu. Gelähmt vor Schock lässt sie die unablässigen Attacken der Mördervögel schwach mit den Armen fuchtelnd minutenlang über sich ergehen, achtet aber dabei darauf ihr Gesicht nicht abzuwenden.
    So versucht sie also die zugefallene Tür mit einer Hand hinter ihrem Rücken wieder zu öffnen, was ihr –der Macht sei Dank- schließlich auch gelingt.

    Als ich den Film jüngst wieder anschaute platzte es an dieser Stelle aus mir heraus; ich lachte schallend laut auf. Zugegeben, zu diesem Zeitpunkt war ich bereits nicht mehr in der Hand des Regisseurs; die (jedenfalls für mich) notwendige Film-Trance war längst verflogen, wenn denn überhaupt je vorhanden.
    Im Scheinwerferlicht stehen dann nicht mehr die Charaktere und ihre jeweiligen Motivationen, denn die dem Betrachter entfremdeten Figuren bewegen sich offenbar eh‘ wie willenlose Holzpuppen am Faden des Meisters, während ihre Motivationen schlicht unglaubwürdig bleiben, sondern der Regisseur selbst und seine Motive geraten in den Fokus des nicht hypnotisch gebundenen Betrachters.

    Das ist der Tod eines Films.



    Ganz ähnlich liegt der Fall bei meinem zweiten Beispiel, nur ist dieses noch viel schlimmer:


    Aus Ridley Scotts „Prometheus“:

    Leider konnte ich keinen vollständigen Ausschnitt im Netz finden, also behelfe ich mir mit einem bewegten Bildchen und einem Trailer, der ein kurzes Schlaglicht auf die angesprochene Szene wirft:

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    Ausgangslage: Während der sündhaft teuren Expedition zu einem fremden Planeten, wo die Menschen mit ihren außerirdischen Schöpfern in Kontakt treten wollen, haben sich zwei Wissenschaftler verlaufen und sind aufgrund eines heftigen Sturmes draußen gezwungen, über Nacht in den unheimlichen Gewölben eines offenbar nicht natürlich entstandenen unterirdischen Systems auszuharren, bis am nächsten Morgen Hilfe zu ihnen gelangen kann.
    An Bord des Raumschiffs, der „Prometheus“, erkennt der Kapitän anhand der Sensoren, dass nicht weit von den versprengten Wissenschaftlern eine unbekannte Lebensform existieren muss. Er teilt dies den beiden mit, wünscht ihnen noch eine gute Nacht und entfernt sich aus dem Kommandoraum. In ihrer Kajüte wartet nämlich schon Charlize Theron und ein geiles Nümmerchen in ihrer Koje.
    Inzwischen entdecken Laurel und Hardy in einer feuchten, kalten Kammer der ausserirdischen Unterwelt tatsächlich ein unbekanntes fremdes Wesen, das verdächtig einer bedrohlich aufgerichteten irdischen Kobra gleicht, nur noch gefährlicher.
    Stan, ganz entzückt oder vollkommen unter Hirnschock, streckt seine Arme aus um liebevoll mit dem Alien-Kobrakätzchen zu schmusen und es zu liebkosen.
    „Komm Musch, Musch…“
    Es kommt natürlich, wie es kommen musste und…

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    Nun ist „Prometheus“ so voller Dummfug (welcher Betrachter hat nicht spätestens beim Abnehmen der Helme aufgehört, dem Film insgesamt seine Handlung abzunehmen?), dass es sich kaum lohnt, ins Detail zu gehen, aber als abschreckendes Beispiel dafür, wie man einen Film ins Lächerliche zieht, taugt unsere Alienkobra-Szene allemal.



    Immer auf der Suche nach guten Filmen, grüßt Euch



    Rabenfeder

  2. #2
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    Standard AW: Im Auge des Betrachters. Filme im Gespräch

    Guten Morgen,


    den Gedanken weiterführend, dass sich der Fokus für den hypnotisch nicht (mehr) gebannten Betrachter eines schlechten Films von den nicht glaubwürdigen Motivationen der willenlosen (Nicht-)Charaktere weg und hin auf die Motivationen des Puppenspielers, also des Filmemachers, richtet, komme ich noch einmal zurück auf „Die Vögel“ von Alfred Hitchcock.

    Man liest häufig, der Film sei psychologisch tiefgründig. Ich bestreite das. Aus meiner Perspektive wirkt der Film kaum anders, als eine mühsam in „Symbole“ verpackte Vergewaltigungsphantasie eines Menschlichen, Allzumenschlichen.

    In „die Vögel“ onaniert Hitchcock (selbst der Name des Meisters erscheint aus diesem Blickwinkel in einem anderen Licht… ) in zunehmend heftigeren Zuckungen, bis die aggressiven und mordlüsternen Spermien-Vögel der wimmernden Blondheit geradewegs ins Gesicht und unter die Haut(…) spritzen.
    Überhaupt spritzt der Meister überall hin und setzt dabei alles in Brand; nicht zuletzt spritzt der Meister auch seinem voyeuristischen Publikum, also uns, seine „Vögel“ in die Augen.

    So betrachtet ist „Ich fick` Euch alle!“ … (*hust*) … „Die Vögel“ auch ein kalter und zynischer Film, voller Ressentiment und Rache.

    Ist der geneigte Betrachter Alfred Hitchcock (der Name… hihi) jedoch wohlgesonnen genug, dann findet er in „Die Vögel“ vielleicht lediglich eine „den Zuschauer entlarvende Boshaftigkeit“ , und gesteht dem unbestritten talentierten Filmemacher immerhin zu, mit dieser Wichserei 50 Jahre lang die Filmkritiker und Experten verzückt zu haben.



    Bei „Prometheus“ von Ridley Scott findet noch nicht einmal mehr ein Erguss statt.

    Auch dieser Film kann aus guten Gründen zynisch und kalt genannt werden, aber hier lebt nichts mehr, auch keine Boshaftigkeit.
    „Prometheus“ hat überhaupt keinen Charakter; dieser seelenlose Offenbarungseid ist durch und durch nihilistisch, in diesem verneinenden Sinne das Gegenstück zu „Alien“.

    Warum ist „Alien“ (vom Handlungsaufbau her ja kaum mehr als ein B-Movie, ein „Monsterfilm“ eben, der auch durchaus Schwächen hat) anders?

    Was macht „Alien“ zu einem erstklassigen Film voller Tiefe, über die es sich durchaus lohnt zu spekulieren?



    Demnächst in diesem Themenstrang…



    Rabenfeder

  3. #3
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    Standard AW: Im Auge des Betrachters. Filme im Gespräch

    Spermienvögel? Glaubst du nicht, dass du da ein wenig überinterpretierst? Vielleicht sind die "Vögel" zynisch, aber der größte Zyniker im Spiel bleibt das Publikum. Denn das will keine Storys über Fahrraddiebstahl, sondern über Mord. Kann mir schon vorstellen, dass es nicht die Normalsten und Gesündesten sind, die solche Geschichten am besten erzählen können. Hitch und seine Macken gelten da ja als notorisch. Aber nach meiner Erfahrung steht psychische Ausgeglichenheit der Kreativität ohnehin nur im Wege.
    Außerdem ist es durchaus lohnend, bei dem Streifen auch die Tiefendimension im Auge zu behalten. Grundlage ist die Kurzgeschichte gleichen Namens von Daphne du Maurier. Sie selbst wurde dafür wahrscheinlich von Arthur Machens Erzählung "The Terror"/"Furcht und Schrecken" inspiriert. Beide Autoren wurden von je eigenen Intentionen geleitet. Vermutet man bei Du Maurier hinter dem Vogelaufstand eine Chiffre für den Kommunismus während des Kalten Krieges, war Machens Sichtweise eher spirituell gefärbt: Die Tiere rebellierten just in dem Augenblick, als sich der moderne materialistisch-atheistische Mensch vom Glauben abwandte und damit seine Rolle als Herr der Schöpfung negierte. Faszinierend bleibt, dass sie uns damit frühe Vorlagen des Ökoschockers lieferten, die ja vor allem auch in engem Zusammenhang mit der Öko-Bewegung zu sehen sind.
    Und ja – eine tiefenpsychologische Dimension ist bei Hitchcocks Vögeln naheliegend. Die Parallelen zwischen den artigen Liebesvögeln im Käfig und den entfesselten Vogelmonstren einerseits und den Menschen, hinter deren kultivierter Fassade Hass und Leidenschaft brodeln, andererseits sind ja geradezu aufdringlich.
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  4. #4
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    Standard AW: Im Auge des Betrachters. Filme im Gespräch

    Prometheus ist ein Debakel. Allenfalls im gnadenlosen Ausbeuten anderer SciFi-Filme ist er dem "Alien"-Stil treu geblieben, ansonsten eine einfalls- wie emotionslose Aneinandereihung vordergründiger CGI-Gewitter. Man mag gar nicht glauben, dass der Blade Runner vom selben Regisseur kommt. Andererseits: Ridley Scott hat so einige wirklich grottige Filme verbrochen – z.B. Black Hawk down.
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  5. #5
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    Standard AW: Im Auge des Betrachters. Filme im Gespräch

    Guten Morgen Renfield,


    Spermienvögel? Glaubst du nicht, dass du da ein wenig überinterpretierst?

    Nein, das glaube ich nicht; eher unterinterpretiere ich.

    Wenn Du mich fragst, dann ist das zentrale Motiv des Films, die Vergewaltigungsphantasie, so deutlich sichtbar, dass alle anderen Erklärungsansätze, auch die „tiefenpsychologischen“, aufgesetzt und erzwungen wirken. Also nehme ich Ockhams Messer zur Hand und schneide alles Überkomplexe heraus, bis nur eine einfache, aber meines Erachtens den Film plausibel erfassende Erklärung übrigbleibt.

    Schau Dir nach den „Vögeln“ einmal „Marnie“ unter diesem Gesichtspunkt an und schneide den pseudo-psychologischen Kitsch ab; was bleibt?


    Vielleicht sind die "Vögel" zynisch, aber der größte Zyniker im Spiel bleibt das Publikum. Denn das will keine Storys über Fahrraddiebstahl, sondern über Mord. Kann mir schon vorstellen, dass es nicht die Normalsten und Gesündesten sind, die solche Geschichten am besten erzählen können. Hitch und seine Macken gelten da ja als notorisch. Aber nach meiner Erfahrung steht psychische Ausgeglichenheit der Kreativität ohnehin nur im Wege.

    Nun, ich halte „die Vögel“ keineswegs für eine gut erzählte Geschichte. Wäre sie gut erzählt, hätten z.B. die Charaktere in „Die Vögel“ ein wenig Charakter, dann würden die persönlichen Motivationen (die „Macken“) des Filmemachers ja nicht in einem derart dominanten Ausmaß alles andere überlagern.

    Was den Zynismus des Publikums anbetrifft, so liegt ja genau in dieser Spiegelfunktion (da bleibt kein Auge trocken… take that, bitches!) meiner Meinung nach ja auch der einzige Wert von „Die Vögel“, wenn man denn Hitchcock eher mit Wohlwollen betrachten will.

    Ein filmisches Meisterwerk vermag ich beim besten Willen nicht zu erkennen.


    Außerdem ist es durchaus lohnend, bei dem Streifen auch die Tiefendimension im Auge zu behalten. Grundlage ist die Kurzgeschichte gleichen Namens von Daphne du Maurier. Sie selbst wurde dafür wahrscheinlich von Arthur Machens Erzählung "The Terror"/"Furcht und Schrecken" inspiriert. Beide Autoren wurden von je eigenen Intentionen geleitet. Vermutet man bei Du Maurier hinter dem Vogelaufstand eine Chiffre für den Kommunismus während des Kalten Krieges, war Machens Sichtweise eher spirituell gefärbt: Die Tiere rebellierten just in dem Augenblick, als sich der moderne materialistisch-atheistische Mensch vom Glauben abwandte und damit seine Rolle als Herr der Schöpfung negierte. Faszinierend bleibt, dass sie uns damit frühe Vorlagen des Ökoschockers lieferten, die ja vor allem auch in engem Zusammenhang mit der Öko-Bewegung zu sehen sind.

    Abgesehen davon, dass man auch mit „Macbeth“ als literarischer Vorlage einen Porno drehen kann, könnte es sich auch lohnen, einmal so manchen sogenannten „Ökoschocker“ einer Ockhamschen Beschneidung zu unterziehen, um zu sehen, was übrigbleibt.

    Jedenfalls wäre die in Film verdinglichte Angst vor der Rache der Natur gegen die Anmaßung des Menschen keineswegs ein origineller und sonderlich faszinierender Ansatz gewesen. Das hat schon Jack Arnold in den 50ern mit „Tarantula“ oder dem „Schrecken des Amazonas (Creature from the black lagoon)“ gezeigt und auch in „King Kong“ aus den 30ern wütet die entfesselte Natur, bis sie niedergeschossen wird, während die Eingeborenen der Insel dieselbe noch durch rituelle Opfer zu besänftigen wussten.


    Und ja – eine tiefenpsychologische Dimension ist bei Hitchcocks Vögeln naheliegend. Die Parallelen zwischen den artigen Liebesvögeln im Käfig und den entfesselten Vogelmonstren einerseits und den Menschen, hinter deren kultivierter Fassade Hass und Leidenschaft brodeln, andererseits sind ja geradezu aufdringlich.

    Das widerspricht ja nicht meiner auf das Wesentliche reduzierten Betrachtung.
    Die meiste Zeit halten wir unsere Liebesvögel eben artig im Käfig, aber gelegentlich entfesseln wir die Monstren und lassen sie auf Blondinen (sie will es doch auch, die Schlampe… warum huscht sie sonst ins Zimmer?) und überhaupt auf alles los, was sich bewegt, die geilen Voyeure im Zuschauersessel eingeschlossen.
    Das erscheint mir aber nicht „tiefenpsychologisch“ zu sein, sondern eher „geradezu aufdringlich“ simpel.

    Dies ist ja gerade meine Kritik an „Die Vögel“: Der Film hat nicht genug Tiefendimension, die einen die Macken des Filmemachern vergessen lassen könnten.



    Es grüßt Dich



    Rabenfeder

  6. #6
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    Standard AW: Im Auge des Betrachters. Filme im Gespräch

    "Marnie" ist ein gutes Stichwort. In keinem Film – von Spellbound und Psycho vielleicht einmal abgesehen – wälzt H. seine Vorliebe für Psychoanalyse derart breit aus. Nun bin ich kein Fan der Freudschen Theorie, die ich für modernen Voodoo halte. Und die unter H.s Händen oft vollends zur Küchenpsychologie gerät. Bemerkenswert bleibt, dass der Regisseur ausgerecht von einer Theorie fasziniert ist, die das Innere des Menschen erklären will. Du kannst diesen Mann – von seinen handwerklichen Qualitäten ganz abgesehen – nun doch wirklich nicht mit einem Rob Zombie vergleichen, der vom Porno- ins Gewaltpornofach wechselte.
    Außerdem lässt sich Hitchcock durchaus nicht exklusiv auf seinen Zynismus reduzieren. Gerade in Psycho und Marnie wird sehr viel Empathie für die Protagonisten erzeugt.
    Aber natürlich ist das alles auch eine Frage der persönlichen Wertung. Ich selber bin ein Fan des Unheimlichen. Und in dem Genre waltet ganz einfach ein ziemlich ausgeprägter Zynismusfaktor vor, denn ich problemlos goutieren kann, wenns nicht zu abgeschmackt wird.

    LG Renfield
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  7. #7
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    Standard AW: Im Auge des Betrachters. Filme im Gespräch

    Guten Abend Renfield,


    "Marnie" ist ein gutes Stichwort. In keinem Film – von Spellbound und Psycho vielleicht einmal abgesehen – wälzt H. seine Vorliebe für Psychoanalyse derart breit aus. Nun bin ich kein Fan der Freudschen Theorie, die ich für modernen Voodoo halte. Und die unter H.s Händen oft vollends zur Küchenpsychologie gerät. Bemerkenswert bleibt, dass der Regisseur ausgerecht von einer Theorie fasziniert ist, die das Innere des Menschen erklären will. (…)Außerdem lässt sich Hitchcock durchaus nicht exklusiv auf seinen Zynismus reduzieren. Gerade in Psycho und Marnie wird sehr viel Empathie für die Protagonisten erzeugt.

    Ich frage mich allerdings, wie wir diese eher billig konstruierte „Küchenpsychologie“ nun bewerten sollen:

    Wird der psychologische Kitsch in „Marnie“ in dem aufrichtigen Bemühen des Filmemachers herangezogen, um Erklärungen für oft irrationales menschliches Handeln zu finden? Entspringt die „Küchenpsychologie“ also wesentlich einem echten Erkenntniswillen und einem wirklichen Mitgefühl mit den Protagonisten, vor allen Dingen Marnie, und ist ihre arge Künstlichkeit lediglich einem Zeitgeist (der frühen 60er, eigentlich eher der 50er) geschuldet, der uns heute zuweilen skurril und heuchlerisch vorkommt?

    Oder dient die dürftige psychologische Erklärung eher als Feigenblatt für das zentrale Thema des Films, das womöglich weit prosaischer ist? Haben wir es immer noch mit der gleichen Phantasie wie in „Die Vögel“ zu tun, diesmal nicht in „symbolischer“ sondern „psychologischer“ Filmsprache?
    In diesem Sinne wäre die vermeintliche Empathie mit seiner Hauptdarstellerin in etwa mit der „Empathie“ eines Stalkers zu vergleichen, der eben weiß, was für seine Erwählte richtig und gut ist.
    Man muss der armen Seele doch helfen, nicht wahr?


    Aber ich will nicht verhehlen, dass „Marnie“ erst nach „Die Vögel“ im Rabennest wiederaufgeführt wurde (beide Filme hatte ich zuvor zuletzt als Jugendlicher im TV gesehen) und ich nach dem Vögel-Schock nun aus einer anderen, gar nicht mehr wohlwollenden Perspektive urteile.


    Du kannst diesen Mann – von seinen handwerklichen Qualitäten ganz abgesehen – nun doch wirklich nicht mit einem Rob Zombie vergleichen, der vom Porno- ins Gewaltpornofach wechselte.

    Ich bin mal so frei, davon auszugehen, dass Du verstanden hast, wie ich das meinte.


    Aber natürlich ist das alles auch eine Frage der persönlichen Wertung. Ich selber bin ein Fan des Unheimlichen. Und in dem Genre waltet ganz einfach ein ziemlich ausgeprägter Zynismusfaktor vor, denn ich problemlos goutieren kann, wenns nicht zu abgeschmackt wird.

    Ich auch, wenn es denn gut gemacht ist; womit wir wieder am Ausgangspunkt unserer jeweiligen persönlichen Bewertung wären.


    Ich wollte in diesem Beitrag eigentlich noch auf „Alien“ zu sprechen kommen, habe aber leider keine Zeit mehr.

    Ist "Alien" gut gemacht?


    fragt


    Rabenfeder

  8. #8
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    Standard AW: Im Auge des Betrachters. Filme im Gespräch

    Ich habe den starken Verdacht, dass wir uns nicht so schnell einig werden, aber mir gefällt, wie intensiv du in die Filme einsteigst und dass du dezidierte Meinungen vertrittst. Wird man noch mehr Rezensionen von dir lesen können?


    Zitat Zitat von Rabenfeder Beitrag anzeigen
    Ist "Alien" gut gemacht?
    Das erste Mal habe ich den Film gesehen, als er noch ziemlich frisch war. Mich, der an Science Fiction bis dahin fast nur US-Klamotten aus den 50ern und die erste Staffel von "Raumschiff Enterprise" kannte, hat er getroffen wie eine Offenbarung. Und dieses emotionale Verhältnis besteht eigentlich bis heute - sachlich, kühl und objektiv werde ich den Streifen wohl nie beurteilen können.

    Kritisieren lässt sich sicherlich, dass er in der zweiten Hälfte zum simplen Monster- und "Zehn-kleine-Negerlein"-Plot verflacht. Auch lässt sich nicht leugnen, dass er eine massiv xenophobe Wendung nimmt: Das absolut Fremde ist auch gleichzeitig das absolut Böse.

    Zu den Stärken zähle ich, dass der Film wunderbar fokussiert ist. Die Figuren sind mit wenigen starken Strichen definiert, kein sentimentales Schickimicki, keine Verbeugungen vor irgendwelchen Modetheorien der Saison. Hard boiled im besten Sinn.
    Und die erste Hälfte ist einfach grandios. Ich wüsste keinen anderen Film, der Kälte und Leere des Weltalls so sinnfällig macht. Da stimmt einfach alles: vom Musikscore bis zum Produktionsdesign.

    Ob "Alien" eine tiefe kryptische Bedeutung in sich trägt, wage ich zu bezweifeln. Auf mich wirkt es eher so, als ob diverse Einzelteile aus dem semiotischen Ersatzteillager zusammengestoppelt wurden, um den Film in ein "wichtiges" Licht zu rücken. Da darf natürlich auch Sexualsymbolik nicht fehlen. Man denke nur an das Alien-Raumschiff mit den gespreizten Flügeln (die mich allerdings eher an ein Brathähnchen erinnern. Aber vielleicht sind ja auch Brathähnchen Sexsymbole). Trotzdem ist das Giger-Design einfach nur 1a und absolut passend.

    Alles in allem: Der Film hatte seine Wirkung, und er hat sie bis heute.
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  9. #9
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    Standard AW: Im Auge des Betrachters. Filme im Gespräch

    Guten Morgen Renfield,


    so, bin wieder im Lande und hoffe, Du bist noch dabei.


    Du fragst:

    Wird man noch mehr Rezensionen von dir lesen können?

    Dazu soll ja dieser Strang da sein, wo (hoffentlich nicht nur) ich in unregelmäßigen Abständen Gedanken zu Filmen aufs virtuelle Papier bringen möchte.
    Jetzt lese ich erst einmal Deine Gedanken zu „Alien“:


    Das erste Mal habe ich den Film gesehen, als er noch ziemlich frisch war. Mich, der an Science Fiction bis dahin fast nur US-Klamotten aus den 50ern und die erste Staffel von "Raumschiff Enterprise" kannte, hat er getroffen wie eine Offenbarung. Und dieses emotionale Verhältnis besteht eigentlich bis heute - sachlich, kühl und objektiv werde ich den Streifen wohl nie beurteilen können.

    Dann schließe Dich doch einfach meiner sachlichen, kühlen und objektiven Betrachtung an.

    Ich kann Dein Verhältnis zu „Alien“ übrigens gut nachempfinden. Ich habe „Alien“ das erste Mal in einem heruntergekommenen Vorstadt-Kinosaal im Stile der 50er Jahre gesehen, dessen Putz zu meiner Zeit schon erheblich abgeblättert war und der insgesamt im berechtigten Rufe stand, ein verkommenes „Asi-Kino“ zu sein. Parkett kostete drei Mark, Balkon fünf. Es lohnte sich durchaus die zwei Mark mehr zu investieren, da im Saal unten es regelmäßig zu Geschrei, Pöbeleien, Rempeleien, Vandalismus (herausgerissene Stühle) bis hin zu handfesten Schlägereien kommen konnte und man zudem noch darauf gefasst sein musste, von versauten „Halbstarken“ vom Balkon aus angepisst zu werden. Kein Witz! Es war gewissermaßen pures Erlebniskino.
    Es verwundert wohl kaum, dass in diesem Kino zu einer Zeit, wo Kinos allgemein in Deutschland heftig zu kämpfen hatten und wo nicht der prächtige Kinosaal, sondern das kleine Schachtelkino die Regel war, meist nur bescheidene Filmkunst (von Bud Spencer und Terrenz Hill bis zu „Godzilla vs King Kong“) auf der Leinwand flimmerte und die großen Filmereignisse Hollywoods wie „Star Wars“ mindestens 6 Monate bis über ein Jahr oder noch später als in den besseren Kinos in der Innenstadt zu sehen waren.
    Eines Tages, Jahre nachdem der Film erstmals erschien, lief „Alien“ dann in besagtem Kino-Palast. Es war mein erster wirklicher Horrorfilm und im Saal, oben wie unten, war es über die gesamte Länge des Films mucksmäusschenstill.
    Das war etwas Besonderes und mir wurde an jenem Tag offenbar, wie gut Kino sein kann.

    Ich habe „Alien“ dann in den folgenden Jahren noch einige Male angeschaut, danach allerdings jahrelang (20Jahre?) nicht mehr. Vor einigen Monaten wurde auch „Alien“ im Rabennest wiederaufgeführt und ich war da sehr gespannt, ob der Film auch noch dem Auge des nun kritischeren Betrachters gefallen würde.
    Er gefiel.

    Kaum anders als damals fiel ich in Trance; der Film nahm mich mit auf die hypnotische Reise ins Unbekannte.
    Ich verließ zusammen mit den Charakteren die Sicherheit des Landungsschiffs und drang tiefer in die Höhlenwelt des geheimnisvollen Raumschiffes auf dem fremden, kalten und dunklen Planeten ein. Dort erlag ich mit dem sinnlich-neugierigen John Hurt der Faszination des anziehenden und zugleich abstoßenden Höhlenschiffs und seiner bedrohlichen Mütterlichkeit und ging weiter als alle anderen. Zu weit und zu tief. Ich erweckte die namenlose Furcht in der Tiefe der Höhle, brachte sie in mir an Bord und gebar den Dämon unter schrecklichen Schmerzen. Ich erinnerte mich an Tolkien und die Zwerge von Khazad-dum, die in den Abgründen unter ihrer Binge zu tief und zu gierig nach dem Wahrsilber gruben und so den namenlosen Schrecken, einen der Dämonen der Macht -Durins Fluch- erweckten. Ich führte meine Mannschaft mit Tom Skerrit mutig und entschlossen in den Kampf gegen das gnadenlose Ungeheuer und ließ mein Leben dabei. Nach dem Tod des männlichen Beschützers fiel ich in hysterische Furcht und musste im Angesicht des Dämons gebannt wie ein Kaninchen vor der Schlange alles über mich ergehen lassen, was immer es auch Grauenhaftes gewesen sein mag. Ich musste wie Ripley mit ansehen, wie mir eine Sicherheit nach der anderen verloren ging, bis ich mich schließlich allein, (beinahe) nackt und verletzlich, dem schlimmsten Terror stellen musste, als ich mich bereits sicher wähnte. Ich überwand den Dämon und schleuderte ihn in den Abyss zurück. Ich überlebte. Doch ich hatte in den Abgrund geschaut.


    Hier wird bereits eine Tiefendimension des „simplen Monster- und Zehn-Kleine-Negerlein“-Films sichtbar; es ist der Archetyp der schamanistischen Geistreise und seiner wesentlichen Gefahr.
    Die Höhlensymbolik verstärkt diesen Eindruck noch (die „Nostromo“ ist ja auch ein Minenschiff); man denke an steinzeitliche Schamanen, die in die Höhle hinabstiegen, um mit den Kräften und Geistern in Kontakt zu treten (vielleicht auch auf Zeit besessen von den jenseitigen Wesenheiten sein); oder an den Höhlenmythos im alten China, wo die Höhle den Paradiessuchern den Übergang ermöglichte; oder an die uns näher liegende Symbolik der Geburt des Heiligen in der Höhle, an das Hinabsteigen in die Unterwelt und an die Höhle als Sinnbild einer Mütterlichkeit, wo Heiliges aber auch Dämonisches geboren werden kann.
    Wie jede Initiation und jede Beschwörung und jede mystische Reise (ob Auf- oder Abstieg) ist nämlich auch jedes Streben in die Tiefe mit erheblichen Gefahren verbunden.
    Wer zu tief nach dem wahren Silber schürft, der mag mitunter eine uralte Furcht erwecken, die ihn zu verschlingen droht. Es ist die Gefahr jedes Geistreisenden in der Tiefe auf diesen mächtigen und gnadenlosen Wächter zu treffen. Wer ihn überwindet, dem mag sich vielleicht das Tor zu einem verborgenen Paradies, die Pforten des Heiligen und Göttlichen öffnen.

    Wenn man diesen Gedanken weiterspinnt, dann ist die Höhle auch ein gelungenes Sinnbild für das Tor zur schöpferischen Energie, für Kreativität und die Reise zum inneren Tempel, zum göttlichen Kern.
    Wehe dem, den die Furcht verschlingt und dem die Beherrschung des dämonischen Wächters entgleitet, der endet wie Ridley Scott mit dem sterilen „Prometheus“ in der Leere des Alls, der endet im Nichts.
    Wehe dem, der den Preis bezahlen muss, wenn ihm der Durchschritt durch die Höhle zur schöpferischen Quelle hin versagt bleibt.
    Wehe dem, der zu viel von sich opfern musste, der zu viel Essenz verlor, so dass der kümmerliche Rest nicht mehr genügt, um der Furcht zu gebieten.
    Wehe dem, der sich ent-innerlicht hat und sich dem Äußerlichen unterwirft, so wie ein Magier, der über die Kunst des Blendens und Täuschens vergisst, eine Geschichte zu erzählen.

    So lässt sich an den drei Fortsetzungen und dem Prequel zu „Alien“ geradezu exemplarisch der Verfall der Künstlerseele Hollywoods ablesen. Jede Schöpfungskraft scheint im Abyss verschollen gegangen, anstelle kreativer Ideen werden laufend kalte seelenlose Ungeheuer geboren. So wie auch der ursprüngliche Ruf des Alienschiffs eine Warnung war, so kann „Alien“ als Warnung an Hollywood verstanden werden, Hollywood selbst gar als Dokument einer misslungenen Beschwörung.
    Angst essen Seele auf.

    Betrachten wir die in der Leere des Alls schwebende gotisch-faustische Kathedrale, die „Nostromo“; erahnen wir eine mögliche Tiefendimension dieses Monsterfilms über Hollywood hinaus?

    In „Alien“ kann sich Ridley Scott noch auf seinen ästhetischen Instinkt verlassen. So ist seine Entscheidung, die Höhlenwelt des Alienschiffs und das Alien selbst von H.R.Giger entwerfen zu lassen und die „Nostromo“ und die menschliche technisch-kühle Welt von einem anderen Designer (dessen Name mir entfallen ist) ein Schlüssel dafür, dass der Film funktioniert.
    Die den Betrachter zugleich anziehende wie abstoßende depressiv-chimärenhafte Alptraumwelt Gigers mit seiner düsteren Erotik eignet sich hervorragend dazu, die dämonische Faszination und die Fremdartigkeit und doch auch das seltsam Vertraute der tiefen Höhle und des Wächters im Abyss auf die Leinwand zu bringen.


    Du betrachtest die Dinge aus einer anderen Perspektive:


    Ob "Alien" eine tiefe kryptische Bedeutung in sich trägt, wage ich zu bezweifeln. Auf mich wirkt es eher so, als ob diverse Einzelteile aus dem semiotischen Ersatzteillager zusammengestoppelt wurden, um den Film in ein "wichtiges" Licht zu rücken.

    Sicherlich klaut sich „Alien“ aus vielen Vorbildern alles Mögliche zusammen; doch werden die Teile zu einem gelungenen, eigenständigen und sehr wirkungsvollen Ganzen zusammengesetzt, wie ich finde.
    Was Scott/die Filmemacher selbst bezweckten, ist ganz gleichgültig. Im Ergebnis wirkt der Film eben auch in die Tiefe.
    Es spielt so z.B. auch keine Rolle, ob Ridley Scott seine Hauptdarstellerin Sigourney Weaver aus dem Anzug schlüpfen ließ, weil er gerne mehr von ihr sehen wollte und nicht deshalb, weil er die Verletzlichkeit der Figur herausstellen wollte, solange die Szene funktioniert. Wer würde denn auch behaupten wollen, dieser letzte Auftritt des Alien verfehle seine Wirkung?

    „Alien“ bietet Raum für lustvolle Spekulation, vielleicht gerade weil die Person des Filmemachers Scott im Gegensatz zu der von Alfred Hitchcock in „Die Vögel“ zurückgenommen ist. Anders ausgedrückt: Es regieren nicht die Macken des Regisseurs, sondern es bleibt Raum für den Betrachter, ohne des Filmemachers Liebes-Vögel im Gesicht. Es fehlt sicher nicht an oberflächlicher Sexualsymbolik (Giger ist ja beinahe durchweg sexuell aufgeladen, man denke nur an den Phalluskopf des Aliens selbst), aber der Film setzt sich jenseits der Vergewaltigungsphantasie fort, was meines Erachtens in „Die Vögel“ nicht der Fall ist.


    Man denke nur an das Alien-Raumschiff mit den gespreizten Flügeln (die mich allerdings eher an ein Brathähnchen erinnern. Aber vielleicht sind ja auch Brathähnchen Sexsymbole). Trotzdem ist das Giger-Design einfach nur 1a und absolut passend.

    Also ich sehe da eher umschließen wollende (mütterliche?) Arme, aber so liegt ein Film eben im Auge des Betrachters… (*hüstel*)


    Zu den Stärken zähle ich, dass der Film wunderbar fokussiert ist. Die Figuren sind mit wenigen starken Strichen definiert, kein sentimentales Schickimicki, keine Verbeugungen vor irgendwelchen Modetheorien der Saison. Hard boiled im besten Sinn.

    Auch die „mit wenigen starken Strichen definierten Figuren“ können ein willkommenes Ergebnis der Zurückgenommenheit des Regisseurs sein. Die Darsteller wollen sich alle die Szene für ihre jeweilige Figur erobern, was denselben Charakter verleiht und auch die Spannungen innerhalb der Crew spiegelt. In gewissen Sinne gibt Scott, wie im Falle seiner Designer auch bei den Darstellern Raum für Entfaltung, wenn auch nur, wie Du richtig sagst, „mit wenigen starken Strichen“.

    Das „hard boiled“ und unsentimentale und schmutzige des Films mag allerdings auch ein Ausdruck eines Zeitgeistes sein.


    Kritisieren lässt sich sicherlich, dass er in der zweiten Hälfte zum simplen Monster- und "Zehn-kleine-Negerlein"-Plot verflacht. Auch lässt sich nicht leugnen, dass er eine massiv xenophobe Wendung nimmt: Das absolut Fremde ist auch gleichzeitig das absolut Böse.

    Findest Du wirklich, dass der Film in der zweiten Hälfte verflacht? Meines Erachtens gibt es bis heute kaum eine Handvoll Filme, in denen man eine derart wirkungsvolle, spannungsgeladene und die klaustrophobische Enge ausnutzende Sequenz findet, wie die Selbstzerstörungssequenz der „Nostromo“.

    Der Film hat ja auch durchaus Schwächen, wie z.B. den unglücklichen Einfall, aus dem analytisch-neugierigen Wissenschaftler einen Androiden zu machen; das ist so unnötig wie ein Kropf und hat erwartungsgemäß bei den viel geringeren Nachfolgern und Prequels einen hohen Stellenwert erhalten. Äußerlichkeit erhält eben den Vorzug…


    Das Fremde ist wohl für die Menschen grundsätzlich und immer böse. Erst wenn wir uns etwas bekannt gemacht haben, es also nicht mehr fremd ist, können wir es akzeptieren. Allerdings mag uns auch etwas fremd werden, gerade wenn wir es kennen lernen.



    Ob ich in meinen Gedanken zu „Alien“ ein wenig zur Über-Interpretation neige?

    Möglich ist das. Aber bei „Alien“ kann ich das nach Herzenslust tun, während mir die allzu deutlichen umherschwirrenden aggressiven Macken des Filmemachers in „Die Vögel“ jegliche Lust dazu nehmen.



    Es grüsst Dich



    Rabenfeder
    Geändert von Rabenfeder (19.11.2013 um 01:25 Uhr)

  10. #10
    Orthodox Benutzerbild von Ausonius
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    Standard AW: Im Auge des Betrachters. Filme im Gespräch

    Zitat Zitat von Renfield Beitrag anzeigen
    Du kannst diesen Mann – von seinen handwerklichen Qualitäten ganz abgesehen – nun doch wirklich nicht mit einem Rob Zombie vergleichen, der vom Porno- ins Gewaltpornofach wechselte.
    Rob Zombie mag nicht die allergrößten Filme gemacht haben, aber zumal im Horrorbereich gibts' auch Schlechtere. Eigentlich schreibe ich aber nur, um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: Zombie war noch nie Pornofilmregisseur, sondern zuvor Rockmusiker.


    Freiheit oder AfD!

    "nothing bad in your life is your fault its all those damn dirty minorities and you don't have to work to make things better just hate them enough and that will magically fix everything" - ein kluger Redditor

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