Am Morgen des 13. Februar 2006 machte ein Spaziergänger auf einem Grundstück südlich von Paris eine fürchterliche Entdeckung. Ein nackter Mann war mit Seilen an einen Baum gebunden, die Hände in Handschellen, Körper und Gesicht mit Wunden, Blutergüssen und verbrannter Haut überzogen, mehrere Knochen gebrochen, ein Ohr und ein Zeh fehlten, die Hoden waren aufgeschwollen wie «geschwärzte Orangen». Der Mann lebte noch, starb aber auf dem Weg ins Spital.
Bald gab die Polizei mehr Einzelheiten bekannt. Das Opfer war ein 23-jähriger Telefonverkäufer namens Ilan Halimi, der vor über drei Wochen, am 20. Januar, entführt worden war. Eine attraktive 17-Jährige, die aus Iran stammende Yalda, hatte Halimi in eine Wohnung gelockt, wo ihn junge Männer erwarteten, die ihn an einen Stuhl fesselten, seinen Kopf mit Klebeband einwickelten und nur beim Mund eine Öffnung frei liessen, damit er sprechen und atmen, Nahrung in Form von Vitamintabletten aufnehmen konnte.
Während endlosen 24 Tagen sollte er in dieser Position bleiben, in der Wohnung, später im Keller desselben Blocks einer Pariser Vorortsiedlung, ausgeliefert den Peinigungen der Entführer.
Halimi war in die Hände einer Gang gefallen, die sich «Die Barbaren» nannte, eine Bande junger Banlieue-Bewohner vor allem afrikanischer, karibischer oder nordafrikanischer Herkunft. Ihr Chef war Youssouf Fofana, 26-jähriger Franzose ivorischer Abstammung mit solidem kriminellem Leistungsausweis.
Die Barbaren hatten schon früher Kidnappingversuche unternommen. Ziel waren wie Ilan Halimi oft Juden.
Die Bande teilte die in den muslimischen Migrantenmilieus verbreitete Überzeugung, dass «hinter jedem Problem, etwa dem Elend der Welt, ein Jude steckt», wie Fofana später vor Gericht sagen sollte.
Auch solche wie Halimi, dessen Eltern aus Marokko nach Frankreich eingewandert waren und wie er in einfachen Verhältnissen lebten.
Neben der Abscheulichkeit der Tat erschreckte noch etwas anderes. 27 Gangmitglieder und Helfer wurden vor Gericht gestellt. Auf irgendeine Weise involviert waren aber viel mehr. Verwandte und Nachbarn nahmen zeitweise an den Quälereien teil oder schauten zu; auch wer nicht selber Hand anlegte oder Gaffer war, wusste Bescheid. In der Wohnung im dritten Stock des Wohnsilos in Bagneux war ein Kommen und Gehen, Schreie und Stöhnen waren auch im Treppenhaus unüberhörbar. Fofana reiste in der Zeit dreimal in die Elfenbeinküste, in sein Ursprungsland, doch niemand informierte die Polizei, auch nicht anonym.