Die Welt / 04.03.14
Qwant: Europäische Suchmaschine verspricht Datenschutz
Wer etwas im Netz sucht, googelt. Französische Entwickler kommen nun mit Qwant. Das sieht nicht nur anders aus, es soll Suchanfragen anonymisieren und die eigenen Nutzer vor Datensammelwut schützen.
Die Orientierung im Internet ohne Suchmaschinen scheint unmöglich – etwa 14 Milliarden Seiten umfasst das Word Wide Web, täglich werden mehr als 110.000 Domains neu registriert, mehr als eine Milliarde Suchanfragen pro Tag muss Suchmaschinen-Marktführer Google beantworten.
Damit übernimmt der Konzern die Rolle eines Türstehers zum Web: Nur wer bei Google zu bestimmten Suchwörtern weit oben in der Trefferliste landet, wird im Netz gefunden – alle anderen sind für Standard-Netznutzer unauffindbar und damit irrelevant für das Web.
Echte Konkurrenz im europäischen und US-amerikanischen Markt macht Google lediglich Microsoft mit seinem eigenen Suchdienst Bing. Diese Schlüsselrolle wollen die beiden französischen Start-up-Entrepreneure Jean Manuel Rozan und Eric Leandri nicht länger den beiden US-Konzernen überlassen – sie gründeten die europäische Suchmaschine Qwant.
Die soll sich nicht nur im Aussehen und der Art der Ergebnispräsentation von Google und Bing emanzipieren, sondern ihren Nutzern auch Anonymität und Unabhängigkeit von der Netzsicht der US-Konzerne bringen. Anfang 2013 öffnete der Dienst nach zwei Jahren Entwicklungszeit eine Betaphase, jetzt startet er offiziell auch in deutscher Sprache.
Die Suchergebnisse unterscheiden sich kaum
Knallbunt kommt der Dienst daher, und will sich bewusst von Googles und Bings klassischer Listenansicht der Suchergebnisse abgrenzen. Stattdessen spezialisiert der Dienst sich auf das Durchsuchen und die Einordnung von Einträgen in sozialen Medien wie Facebook, und stellt diese in Spalten gleichberechtigt neben klassische Web-Ergebnisse.
Eine weitere Spalte ist der "Qnowledge Graph", er zeigt aktuell lediglich eine Zusammenfassung von Wikipedia-Einträgen zum Suchthema, quer darüber blendet der Dienst Ergebnisse der Bilder- und Videosuche ein. Zudem erlaubt der Dienst seinen Nutzern, selbst themenspezifische Indizes anzulegen und kleine Kataloge von Webseiten zu erstellen – Notizbücher nennen die Franzosen die Funktion, die ein wenig an Seiten wie Pinterest erinnert.
Einige Testsuchen zeigen: Die Suchergebnisse unterscheiden sich auf den ersten Blick nicht sonderlich von Google oder Bing, lediglich die Präsentation ist eine andere. Durch die Kategorisierung in Spalten können Nutzer schneller zwischen Social Media, Werbung und klassischen Webseiten unterscheiden.
Doch zumindest auf dem Laptop-Bildschirm erlauben die schmalen Spalten keine große Vorschau – die Nutzer klicken ins Blinde, und Googles fast altmodisch erscheinende Listenansicht erscheint im Vergleich plötzlich aufgeräumter, klarer und sinnhaltiger als Qwants Spalten.
Qwants Websuche basiert auf Bing
In der Social Media-Spalte zeigt Qwant zudem unfreiwillig, warum es so schwer ist, eine gute Suchmaschine zu bauen: Die Einträge erscheinen lediglich nach Alter geordnet – so kommt Spam und Werbung in der Trefferliste weit nach oben. Ausgerechnet die so beworbene Social-Media-Suche bekommt Google besser hin.
Die Priorisierung gelingt Qwant in der Webspalte, hier sind die ersten zehn Treffer für aktuelle Such-Testbegriffe wie "Oscar Gewinner 2014", "Krim" oder "Audi TT" relevant. Das aber liegt vor allem daran, dass Qwant sich freimütig der Hilfe von Microsofts Konkurrenzdienst Bing bedient.
Ein Vergleich zeigt: Die Trefferlisten sind identisch, Qwants Websuche basiert aktuell augenscheinlich fast vollständig auf dem Index der Suchexperten aus dem Microsoft-Bing-Team in Seattle. Auch die Multimedia-Suche nach Bildern und Videos liefert Einheitskost aus den USA.
Das ist nicht verwunderlich, auch viel größere Konkurrenten wie Yahoo nutzen Microsofts Google-Alternative. Der Grund: Der Unterhalt der Infrastruktur zum Indizieren der weltweit Milliarden Seiten im WWW ist extrem aufwendig, Google etwa unterhält aktuell über 60 Standorte, Microsoft betreibt über eine Millionen Server weltweit.
Noch ist die Seite im Beta-Stadium
Das kann ein kleines französisches Start-up mit gut zwanzig Mitarbeitern nicht einfach kopieren – auch wenn sich die Gründer in einem Blogeintrag rechtfertigen, dass sie langsam und mithilfe der französischen Suchspezialisten der Firma Pertimm einen eigenen Index aufbauen. Dessen Ergebnisse wollen sie mit dem Material von Bing kombinieren.
Vor diesem Hintergrund erscheint der eigene PR-Anspruch, als "die erste europäische Suchmaschine, die das gesamte Web indiziert" aufzutreten, etwas verfrüht. Von einer eigenständigen, rein europäischen Suche oder gar einem neuen eurozentrischen Suchalgorythmus ist bislang keine Spur.
Noch, so sagen die Franzosen in ihrem Blog etwas bescheidener, ist die Seite im Beta-Stadium, und dient vor allem dem Realitätscheck von Nutzer-Interface und Such-Features. Schon jetzt jedoch biete Qwant eine anonymisierte Suche, und verspricht, die eigenen Nutzer vor der Datensammelwut von Google und Co. zu verbergen: Die Suchanfragen werden anonymisiert zu Bings Servern weitergeleitet, und sollen keine Rückschlüsse auf individuelle Nutzer erlauben.
Mit diesem Feature jedoch steht Qwant im Markt keineswegs allein da: Etablierte Metasuchmaschinen wie DuckDuckGo oder Ghostery bieten anonyme Suchen auf Basis von Googles oder Bings Suchindex seit Jahren, und verschlüsseln sogar die Verbindung zu ihren Servern mittels des https-Standards – das schafft Qwant noch nicht.
Dafür zeigt der Dienst einmal mehr, warum anonymisierte Suchen in der Theorie gut sind, in der Praxis jedoch unpraktisch sein können: Eben weil Google seine Nutzer so genau kennt, kann es Suchen auf Basis von Präferenzen anpassen, und so relevantere Ergebnisse liefern. Somit dient Qwant bislang vor allem als Erinnerung, wie abhängig Europa tatsächlich von den US-Anbietern ist. Eine völlig neue, relevante Suchmaschine der nächsten Generation müssen die Franzosen – oder jemand anders – jedoch noch erfinden.
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