3. Das Finanzreferendum in den Schweizer Kantonen und Gemeinden
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In sieben Kantonen gibt es ein „fakultatives Referendum”. Das heißt: wenn die geplanten Ausgaben eine gewisse Größe überschreiten, kommt es zum Volksentscheid, sofern eine bestimmte Zahl von Bürger/innen dies per Unterschrift fordert. Die Unterschriftenzahl für die Einleitung eines fakultativen Referendums schwankt zwischen 0,5 und 5,7 Prozent. Fünf Kantone haben das sogenannte „obligatorische Referendum”: bei Ausgaben ab einer bestimmten Größenordnung kommt es automatisch zum Volksentscheid. Dreizehn andere Kantone haben eine Kombination: bei größeren Ausgaben ein obligatorisches, bei mittleren die Möglichkeit des fakultativen Referendums. Ferner wird noch unterschieden zwischen einmaligen und jährlichen Ausgaben.
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Wie bereits anfangs erwähnt, ist die Verschuldung der Schweiz und ihrer Kantone geringer als die Deutschlands und seiner Länder, was bereits dem gängigen Vorurteil widerspricht, Volksentscheide ohne Finanztabu führten zum Ruin der öffentlichen Hand. Man mag nun einwenden, dass die Schweiz in manch anderer Hinsicht begünstigt ist, zum Beispiel keinen Wiederaufbau nach dem Krieg und keinen Aufbau Ost zu finanzieren hatte. Dass sie also keineswegs wegen, sondern vielleicht trotz ihrer Volksentscheide finanziell besser da stehe. In der Tat sind Deutschland und die Schweiz nur bedingt vergleichbar. Es gibt nun aber auch die Möglichkeit, die Schweizer Kantone und Gemeinden untereinander zu vergleichen. Sie haben sehr ähnliche Rahmenbedingungen, aber unterschiedliche Regelungen für Finanzreferenden. Wenn diejenigen Kantone und Gemeinden, bei denen das Finanzreferendum leichter einzuleiten ist und häufiger angewendet wird, eine bessere Haushaltssituation haben, so ist dies ein starker Hinweis auf positive Wirkung des Referendums.
Die Ökonomen Lars P. Feld, Gebhard Kirchgässner und Marcel Savioz untersuchten 134 der 137 größten Schweizer Städte und Gemeinden zwischen 3.000 und 400.000 Einwohner/innen. Sie fanden heraus, welche Faktoren für die unterschiedliche Verschuldung verantwortlich sind.14 Es zeigte sich zunächst – wenig überraschend – dass die Schulden dann eher hoch sind, wenn die Steuern niedrig sind und die Arbeitslosenzahl hoch. Außerdem haben größere Gemeinden eher höhere Schulden als kleinere. Daneben spielt aber auch das Finanzreferendum eine wichtige Rolle:
„Gemeinden mit einem Referendum zum Budgetdefizit haben signifikant niedrigere Schulden pro Steuerzahler.”15 Die beiden Autoren untersuchen auch die Wirkung anderer Maßnahmen, zum Beispiel eine besonders starke Position des Finanzdezernats in der Gemeindeverwaltung oder haushaltstechnische Regelungen.
Ein funktionierendes und regelmäßig angewendetes Finanzreferendum sei jedoch der meistversprechende Weg zur Haushaltssanierung. Denn: „Die Bevölkerung selbst scheint sich stärker um die Haushaltsdisziplin zu sorgen als die gewählten Vertreter.”16
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Die bessere Haushaltssituation hängt jedoch nicht allein mit den geringeren Staatsausgaben zusammen.
Auch die Einnahmen steigen, als Folge besserer Wirtschaftsentwicklung und höherer Steuerehrlichkeit in Kantonen mit häufigen Volksentscheiden. Dass weniger Steuern hinterzogen werden – gemessen an der Zahl der aufgedeckten Fälle – führen Kirchgässner/Feld/Savioz darauf zurück, dass die Bürger/innen „in einer direkten Demokratie mehr Vertrauen in die Verwendung ihrer Gelder durch die öffentlichen Hand haben.”18 Offensichtlich besteht zudem ein Zusammenhang zwischen dem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts und der Zahl der Finanzreferenden. Vatter und Freitag fassen ihre diesbezüglichen Ergebnisse wie folgt zusammen:
„Wir können feststellen, dass sich Kantone mit einer hohen Anzahl effektiv durchgeführter Finanzabstimmungen durch eindeutig stärkere Wirtschaftsleistungen auszeichnen als Kantone mit einer geringen Beteiligung des Volkes bei fiskalischen Entscheidungen.”