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Thema: Trakehnen

  1. #1
    White Charger Benutzerbild von Bergischer Löwe
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    Standard Trakehnen

    Ja, ich weis, wir haben hier kein Pferdeforum - es geht hier aber nur vordergründig um Pferde. Also lasst mich mal erzählen:

    Neulich blätterte ich in den Papieren meines Pferdes, um herauszubekommen, wann die nächste Impfung ansteht. Da fiel "das Papier" (also quasi die Besitzurkunde mit Lebensnummer, Brandzeichen Nr., Stammbaum) aus dem hellgrünen Mäppchen auf dem das gekrönte "W" des Westfalenpferdes in Goldprägung prangt. Ich war der (irrigen) Annahme, daß mein Kumpel ein reinrassiger Westfale mit ein Paar Hannoveraner Einkreuzungen sei. Als ich dann ein Paar Generationen zurückging, erlangte ein Name meine Aufmerksamkeit: Dort stand als Großvater der Großmutter meines Pferdes ein Hengst namens "Keith (Trak.)". Hmm. Dachte ich. Trakehner drin? Bedeutet heutzutage nichts besonders Gutes mehr.

    Also begann ich zu recherchieren. Der Hengst Keith war ein Sohn des "Pythagoras", einer der vier Hauptbeschäler (-hengste) Trakehnens der 1930er Jahre. Keith selbst wurde 1941 geboren und avancierte schnell zum "Star" der ostpreußischen Pferdezucht. Er war einer von drei (!) gekörten, also zur Staatszucht auf Trakehnen freigegebenen Hengsten, der die Flucht nach Westdeutschland überlebte. Keith starb im biblischen Alter von 35 Jahren in Niedersächsischen Landgestüt in Celle 1976.

    Trakehnen....hmmm....Trakehnen.....da war doch was, dachte ich. Also begann ich tiefer in die Materie einzudringen. Folgender kurzer geschichtlicher Aufriss:

    1732 vom Soldatenkönig als "königliches Stutamt Trakehnen" gegründet
    1739 seinem Sohn Friedrich ("der Große") geschenkt
    1786 Königliches Hauptgestüt Preußens
    1814 Konsolidierung der weiteren Landgestüte Ostpreußens in und um Trakehnen
    1880 größtes deutsches Gestüt, Hauptlieferant der preußischen Kavallerie
    1890 Integration der "Vorwerke" (umliegende Höfe) ins Gestütskonzept
    1898 Baubeginn des Neuen Hofes mit modernsten Einrichtungen und Unterbringung für die Angestellten, Bahnhof, Apotheke, Hotel, Speicher, Veterinäramt, Schloss
    1912 Einführung der stilisierten Elchschaufel als Hauptstutbrand Trakehnens. Heute noch gedoppelt gebräuchlich.
    1936 Von 1924 bis 1936 gewann je mindestens ein Trakehner eine olympische Goldmedaille. Trakehnen wurde das Mekka deutschen Pferdesachverstandes. Hier ein Paar Zahlen:

    4200 Hektar Land

    ausgelagerte 12 Gutshöfe ("Vorwerke")

    im Vorwerk Gurdszen die Rappstutenherde
    im Vorwerk Kalpakin die braune Stutenherde
    im Vorwerk Bajohrgallen die gemischtfarbige Stutenherde des leichten Typs
    im Vorwerk Jonasthal die gemischtfarbige Herde des schweren Typs
    im Vorwerk Mattischkehmen die einjährigen Hengste, sowie eine Schafherde
    im Vorwerk Danzkehmen die einjährigen Stuten. Dort hatte aber auch der Wiesenbaumeister, in dessen Arbeitsbereich auch die Aufsicht für die Schleuse, wo es vom Jahr 1840 an ein Flussfreibad gab fiel, seinen Sitz.
    im Vorwerk Neu-Budupönen die zweijährigen Hengste
    im Vorwerk Jodszlauken die zweijährigen Stuten und ebenfalls eine Schafherde
    im Vorwerk Taukenischken die Araberherde
    im Vorwerk Birkenwalde befand sich der Ausmusterungshof
    im Vorwerk Guddin stand die Herdbuchrinderherde
    im Vorwerk Burgsdorfshof war der Quarantänehof untergebracht
    im Vorwerk Alt-Budupönen war eine weitere Herdbuchrinderherde aufgestellt
    im Vorwerk Alt-Kattenau, welches ursprünglich als Remonte-Depot gedient hatte, standen die Absatzstutfohlen und ebenfalls eine Herdbuchrinderherde
    im Vorwerk Neu-Kattenau, welches ca. 15 Kilometer entfernt vom Hauptvorwerk Trakehnen lag befand sich der Seuchenstall und die Unterkunft der Mastochsen.

    Das Personal:

    1 Landstallmeister,
    2 Gestütveterinärräte,
    1 Gestütoberrentmeister,
    1 Gestütobersekretär,
    1 Kulturbauinspektor,
    4 Oberstut- bzw. Obersattelmeister,
    3 Stut- bzw. Sattelmeister,
    11 Gestütoberwärter,
    87 Gestütwärter
    Angestellte: 37
    1 Wirtschaftsdirigent,
    8 Wirtschaftsinspektoren,
    1 Magazinverwalter,
    11 Kassen- und Büroangestellte,
    3 Bürolehrlinge, Bedienstete des Hauptgestütes
    10 Handwerksmeister,
    1 Forstaufseher,
    2 Hofmeister
    Lohnempfänger: 949
    59 Reitburschen,
    890 Kämmerer, Dienstleute und anderes Wirtschaftspersonal

    Es befanden sich auf dem Gestüt:

    Auf dem neuen Hof befanden sich:
    das Landwirtschaftsamt mit Kasse und Wirtschaftshof ,
    die Schule,
    das Hotel „Elch“,
    das Museum im 1. Stock des Hauptbeschälerstalls,
    das Archiv,
    das Krankenhaus und die Apotheke,
    die Poststelle,
    der Friseur,
    der Hauptspeicher und die Mühle,
    das Bauamt und Bauhof,
    das Gebäude für Hufbeschlag mit der Lehrschmiede,
    der Hauptbeschälerstall und seine Paddocks für 2 bzw. 3 Hengste,
    der Jagdstall und der Zwinger der Meute,
    der Auktionsboxenstall,
    die offene und die gedeckte Reitbahn,
    das Reitburschenhaus,
    der Fahrstall,
    und die Ausläufe und Stallungen der Hengstfohlen nach dem Absetzen

    Auf dem alten Hof befanden sich:
    der Stutenstall,
    der Abfohlstall,
    die Wartburg,
    die Gestütswärterwohnungen


    1944 Gauleiter Koch verbietet die Evakuierung Ostpreußens auf Führerbefehl. Die wertvollsten Deckhengste und die besten 140 Stuten werden heimlich nach Neustadt/Dosse und Graditz geschafft.
    17. Oktober 44: Trakehnen erhält den Befehl zur Evakuierung. Die Russen stehen 5 km vor dem Gestüt. Es verbleiben maximal 3 Stunden. Gestütsleiter Ehlert stellt 10 Herden zu 80 Pferden mit je drei Begleitreitern zusammen.
    18. Oktober 44: Die Flucht gelingt. Alle 10 Herden erreichen wie durch ein Wunder, nach Passage der Angerapp, durchreiten das brennenden Gumbinnen und erreichen fast ohne Verluste Preußisch Eylau.
    20. Oktober 44: Die Trakehner Vorwerke haben immer noch den Haltebefehl. Den Absatzbefehl erhalten sie zu spät. In den riesigen Trecks geht das vollständige Inventar verloren. Etwa 2/3 der Menschen sterben.
    November 44: Die Herden erreichen Neustadt/Dosse und Graditz (heute die Landgestüte Brandenburgs und Sachsen Anhalts). Die wertvollsten Pferde werden ohne Halt nach Holstein und in die Region Hannover verbracht.
    April 45: Die Herden in Neustadt und Graditz fallen in die Hände der Russen bzw. US Truppen (Graditz) erlauben nicht den Weitermarsch gen Westen. Auch die nördlichen Herden gehen verloren bzw. werden in alle Winde verstreut.

    Damit endet die Geschichte von Trakehnen. Der größten und wohl besten Pferdezucht der Erde. Hier ein Paar Impressionen von damals und heute:

    Das Landstallmeisterhaus damals:

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    Und heute:

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    Die Stallungen damals:

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    und heute

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    Das Magazin (Speicher für Futter) damals:

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    und heute:

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    Die Geschichte dieser stolzen Pferde steht stellvertretend für den Verlust, den unser Land erlitten hat. Unwiederbringlich verloren und heute fast vergessen. Sehr schade. Was so ein verregneter Nachmittag am Computer alles bewirken kann.....

  2. #2
    Landbesitzer Benutzerbild von Apart
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    Standard AW: Trakehnen

    Und dazu das "Ostpreußische Reiterlied"

    [Links nur für registrierte Nutzer]

    Deine Söhne, Land im Osten,
    Auf der Grenzwacht letztem Posten,
    Stehn, die Hand am Sattelknauf,
    Daß ein jeder Reiter werde,
    Wuchsen deine edlen Pferde,
    Aus dem Heimatboden auf.


    Es ist zu Heulen, was sie uns alles genommen haben.

  3. #3
    White Charger Benutzerbild von Bergischer Löwe
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    Standard AW: Trakehnen

    Zitat Zitat von Apart Beitrag anzeigen
    Und dazu das "Ostpreußische Reiterlied"

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    Es ist zu Heulen, was sie uns alles genommen haben.
    Es gibt ein unwiederbringliches Filmdokument über Trakehnen. Von 1936. Ein UfA Kulturfilm mit etwa 13 Minuten Länge. Hier ist er:



    Hier bekommt man eine Ahnung, wie das Leben in Ostpreußen vor dem Krieg war. Allein der weite Himmel und die unendlichen Flächen. Wunderschön.

  4. #4
    Landbesitzer Benutzerbild von Apart
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    Standard AW: Trakehnen

    Ich hab da eine Vorahnung in mir, daß das untergegangene Ostpreußen irgendwann einmal zum Kultort der (wieder gesunden) Deutschen wird.

    Es ist ja jetzts chon erstaunlich, wieviel Filmmaterial jetzt schon im Netz zu finden ist über das Ostpreußen.

    Europa wird sich irgendwann in den Boden schämen, für das was sie an Deutschen verbrochen haben, am Herzen Europas.

  5. #5
    White Charger Benutzerbild von Bergischer Löwe
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    Standard AW: Trakehnen

    Zitat Zitat von Apart Beitrag anzeigen
    Ich hab da eine Vorahnung in mir, daß das untergegangene Ostpreußen irgendwann einmal zum Kultort der (wieder gesunden) Deutschen wird.

    Es ist ja jetzts chon erstaunlich, wieviel Filmmaterial jetzt schon im Netz zu finden ist über das Ostpreußen.

    Europa wird sich irgendwann in den Boden schämen, für das was sie an Deutschen verbrochen haben, am Herzen Europas.
    Wenn nicht freiwillig müssen sie dazu bringen. Auf altbewährte Art.

  6. #6
    Mitglied
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    Standard AW: Trakehnen

    Zitat Zitat von Apart Beitrag anzeigen
    Ich hab da eine Vorahnung in mir, daß das untergegangene Ostpreußen irgendwann einmal zum Kultort der (wieder gesunden) Deutschen wird.

    Es ist ja jetzts chon erstaunlich, wieviel Filmmaterial jetzt schon im Netz zu finden ist über das Ostpreußen.

    Europa wird sich irgendwann in den Boden schämen, für das was sie an Deutschen verbrochen haben, am Herzen Europas.
    Da wirst Du aber lange drauf warten müssen. Europa und Scham? An welcher Stelle denn???

  7. #7
    Weedmeister Benutzerbild von Schlummifix
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    Standard AW: Trakehnen

    Zitat Zitat von Bergischer Löwe;7414063[B
    ]Die Geschichte dieser stolzen Pferde steht stellvertretend für den Verlust, den unser Land erlitten hat. Unwiederbringlich verloren und heute fast vergessen.[/B]
    Sehr guter Beitrag von dir plus Schlussfolgerung. Die meisten Leute haben keine Ahnung, was im Krieg alles verloren ging.
    Der Russe und die Briten haben alles zerstört. Da wächst kein Gras mehr.
    Siehe auch Königsberg, schönste Stadt der Welt. 700 Jahre deutscher Geschichte. Praktisch nichts mehr übrig.
    Ein Jahrhundertverbrechen der Briten.

  8. #8
    White Charger Benutzerbild von Bergischer Löwe
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    Standard AW: Trakehnen

    Zitat Zitat von Schlummifix Beitrag anzeigen
    Sehr guter Beitrag von dir plus Schlussfolgerung. Die meisten Leute haben keine Ahnung, was im Krieg alles verloren ging.
    Der Russe und die Briten haben alles zerstört. Da wächst kein Gras mehr.
    Siehe auch Königsberg, schönste Stadt der Welt. 700 Jahre deutscher Geschichte. Praktisch nichts mehr übrig.
    Ein Jahrhundertverbrechen der Briten.
    Danke. Deswegen weise ich darauf hin. Ich wäre dankbar, wenn andere Nutzer im Forum sich ebenfalls Gedanken machen könnten, wie verlorene Schätze unseres Ostens hier vorzustellen wären. Mein Metier sind halt die Pferde und da bot sich Trakehnen natürlich an.

  9. #9
    Foren-Veteran Benutzerbild von luis_m
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    Standard AW: Trakehnen

    Der Film "Das Mädchen Marion" erzählt von der Flucht!

  10. #10
    White Charger Benutzerbild von Bergischer Löwe
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    Standard AW: Trakehnen

    Zitat Zitat von luis_m Beitrag anzeigen
    Der Film "Das Mädchen Marion" erzählt von der Flucht!
    Mit Dank registriert.

    "Zeig deinen Mut, Trakehnerblut!" (der alte Wahlspruch Trakehnens)

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