Hallo zusammen,
ich habe mich erst vorhin hier angemeldet und mir als
erstes Thema, mit dem ich starten möchte, ein aktuelles ausgesucht.
Seit einigen Jahren besteht zunehmend der Trend, dass sich einzelne
Berufsgruppen aus den großen Arbeitnehmervertretungen heraus lösen
und gewerkschaftlich eigenständig organisieren.
Man konnte an diversen Arbeitskämpfen der vergangenen Jahre erkennen,
dass diese Maßnahme, auf einzelne Berufsgruppen bezogen, aus rein
gruppenegoistischer Sicht betrachtet, durchaus Erfolg hat.
Jeder, der Gewerkschaften bzw. kollektive Vertretungen der Arbeitnehmer
nicht grundsätzlich ablehnt, sondern für legitim hält, wird
natürlich auch grundsätzlich Verständnis dafür haben, dass
einzelne Gewerkschaften versuchen, das Optimum für ihre Mitglieder
und Beschäftigten heraus zu holen.
Gleichzeitig wird inzwischen zunehmend Kritik laut, dass diese einzelnen
Berufsgewerkschaften sich auf Kosten des Rests der Belegschaft
bereichern. Inzwischen wird ernsthaft darüber nachgedacht, die
Tarifgesetze dahin gehend zu reformieren, dass nur noch eine
Gewerkschaft für ein Unternehmen als Tarifpartner möglich sein
soll. Natürlich zielt man damit ganz klar auf die Entmachtung der
reinen Berufsgewerkschaften. Und natürlich sind vor allem die im DGB
organisierten Großgewerkschaften der lobbyistische Treiber für
solche Maßnahmen.
Wenn ein Unternehmen einen durchschnittlichen Gewinn von jährlich 100
Millionen Euro macht, dann kann es auf Dauer natürlich keine 200
Millionen Euro Lohnerhöhungen ausschütten, um nicht bankrott zu
gehen. Deshalb verhandeln die Unternehmensvertreter im allgemeinen
immer ein Gesamtbudget an Lohnerhöhungen. Dass man das anschließend
in Prozentzuwächsen, Einmalzahlungen und Sockelbeträgen ausdrückt,
hat auch damit zu tun, dass das für die Beschäftigten die
greifbarere Größe ist.
Dies führt natürlich dazu, dass die Masse der Belegschaft immer indirekt
dafür bluten muss, wenn sich eine einzelne Berufsgruppe eigenständig
organisiert und durch ihre Macht mithilfe von Arbeitskämpfen einen
sehr hohen Lohnzuwachs durchsetzen kann.
Wenn Klinikärzte 30 % Lohnerhöhung durchsetzen, dann wird der Spielraum
für Lohnerhöhungen beim Rest des Klinikpersonals schon sehr eng,
jedenfalls dann, wenn die Politik in Folge hoher Abschlüsse keine
Bereitschaft zeigt, die Kassenbeiträge im Gegenzug deutlich zu
erhöhen.
Als im Jahr 2006 der große Streik der Klinikärzte stattfand, war ich
längere Zeit in München. Eine höchst interessante Meldung ging
damals vermutlich am Großteil der Bevölkerung vorbei. Einerseits
mag auch ein wenig Pressezensur dahinter stecken, dass man die
Meldung überwiegend nur lokal lesen konnte, andererseits war die
Bevölkerung damals stark durch das Sommermärchen Fußball-WM 2006
in Deutschland abgelenkt.
Obwohl es zum damaligen Zeitpunkt gar keine Tarifverhandlungen von Verdi für
den Rest des Klinikpersonals gab, kam es zu spontanen Streiks an
einer großen Münchner Klinik durch das nichtärztliche Personal.
Was war geschehen?
Gegen Ende der Tarifauseinandersetzungen des Marburger Bunds unter Führung
von Herrn Montgomery wurde deutlich, dass die Klinikärzte im Großen
und Ganzen ihre Forderungen nach 30% mehr Lohn durchsetzen würden.
Man stand unmittelbar vor dem Abschluss und die Klinikleitungen
machten sich schon einmal Gedanken darüber, wie man diese üppige
Lohnerhöhung finanzieren kann. Dass es sich bei Klinikleitungen
nicht immer nur um reine Controller handelt, sondern oft sogar um in
die Leitung aufgestiegene Ärzte, gibt dem ganzen noch ein besonderes
Gschmäckle.
Die Leitung jener Klinik hatte nämlich beschlossen, die üppigen Kosten
der Lohnerhöhungen für die Ärzte mithilfe von Stellenstreichungen,
Arbeitsverdichtung beim Pflegepersonal und durch Outsourcing von
geringer qualifizierten Mitarbeitergruppen wie Putzfrauen, d.h. mit
faktischen Lohnkürzungen bei diesen Beschäftigten
gegen zu finanzieren.
Ist aber die Lösung, das Tarifgesetz zu reformieren, tatsächlich die
richtige Antwort? Löst man damit die Ursachen des Problems,
warum sich in letzter Zeit vermehrt einzelne Berufsgruppen aus den
Großgewerkschaften ausgliedern?