Der russische Fernsehkanal NTW deutete an, Nemzow sei von möglicherweise in eine Falle geraten. Er habe mit Anna Durizkaja, einem 26 Jahre alten Fotomodell aus Kiew, im Warenhaus GUM zu Abend gegessen. Dann sei er mit der jungen Dame zu Fuß über die Brücke gegangen, in Richtung seiner Wohnung, die auf der anderen Seite der Moskwa liegt. Direkt auf der Brücke wurde er dann niedergeschossen.
In einer NTW-Talk-Show am Sonnabendabend stellte der russische Ultra-Nationalist Wladimir Schirinowski die These auf, das Fotomodell, welches Nemzow vor drei Jahren in Kiew kennengelernt haben soll, habe ihn im Auftrag des ukrainischen Geheimdienstes, SBU, zu einem Spaziergang über die Brücke überredet. Ein NTW-Nachrichtensprecher erklärte, es sei höchst auffällig, dass die Dame von keiner der insgesamt sieben Kugeln getroffen wurde.
[...]
Der Internet-Fernseh-Kanal Lifenews.ru, der über gute Beziehungen zur Polizei verfügt, berichtete, Nemzow sei mit einer Makarow-Pistole umgebracht worden. Am Tatort wurden sechs 9-Millimeter-Patronen-Hülsen unterschiedlicher Hersteller gefunden. Der Polizei lägen aufgrund von Zeugenaussagen eine Beschreibung des Täters vor. Der Zeuge Viktor M., der während des Mordes 80 Meter hinter Nemzow und seiner Begleiterin ging, soll berichtet haben, dass der Täter 170 bis 175 Zentimeter groß ist und kurze, schwarze Haare hat. Während der Tat habe er eine blaue Jeans und einen braunen Pullover getragen. Viktor M. berichtete, Nemzow sei in seinen Armen gestorben.
Die Hauptzeugin, Anna Durizkaja, welche Nemzow begleitet hatte, erklärte den Ermittlern, sie könne sich an nichts erinnern, weil sie sich in einem Schockzustand befunden habe. Durizkaja lebt jetzt in einer Wohnung eines Nemzow-Anhängers. Nach Angaben der Internetzeitung newsru.com wird sie von Sicherheitskräften bewacht und nirgendwo hingelassen. Der ukrainische Konsul habe sich mit der Hauptzeugin getroffen. Einzelheiten der Unterhaltung wurden nicht bekannt.
Für Überraschung sorgte ein Video, welches am Sonnabendabend vom Fernsehkanal TV-Zentr veröffentlicht wurde. Bei dem Video handelt es sich um die Aufnahme einer Überwachungskamera. Obwohl die Kamera in einigem Abstand von dem Ort des Mordes installiert ist und die Personen und Autos, welche zur Tatzeit die Brücke passierten nicht deutlich zu erkennen sind, lässt sich erkennen, dass die Schüsse nicht wie bisher angenommen aus einem vorbeifahrenden Auto abgegeben wurden. Der Attentäter geht auf Boris Nemzow zu, schießt und flüchtet dann in ein Auto. Außerdem sind auf dem Video viele andere Personen und stoppende Autos zu sehen. Viele Fragen, was am Tatort genau passierte, sind also noch offen.
[...]
Nach Angaben des Internet-Kanals Lifenews.ru flüchtete der Täter mit einem Lada VAS-21102 silberner Farbe. Das Auto stammt laut Kennzeichen aus der nordkaukasischen Region Ossetien. Russische Kommentatoren halten es jedoch für möglich, dass sowohl das Auto-Kennzeichen als auch die unterschiedlichen Patronen den Verdacht in eine falsche Richtung lenken sollen.
Das russische Ermittlungskomitee setzte drei Millionen Rubel (44.000 Euro) für "wertvolle Informationen für die Ermittlungen" aus. Augenzeugen der Tat wurden aufgerufen, sich über ein Telefon des Vertrauens an die Polizei zu wenden.