01.03.2015
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Christian Wolf
»Der Staat muss untergehn, früh oder spät, wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet.«
(Friedrich Schiller, Demetrius)
Mit einer Megalüge werden Sie und ich seit Jahren von hauptamtlichen Politganoven belästigt und beleidigt: »Die Deutschen haben vom Euro am meisten profitiert!« Dies müssen wir uns sogar in der Zeit nach Aschermittwoch anhören. Wer sind nun diese Profiteure? Einige gibt es tatsächlich, ein paar Deutsche befinden sich auch darunter. Bonusbeworfene, brachial agierende Banker, international jonglierende Großkonzerne, Superreiche sowie opportunistische und (semi)kriminelle Politiker und Lobbyisten. »Die Deutschen« aber verarmen.
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Realität 1: Nur in den Eurokrisenländern Portugal und Griechenland haben sich die Löhne und Gehälter seit dem Jahr 2000 noch schlechter entwickelt.
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Realität 2: Die deutschen Renten sind gemessen am letzten Arbeitseinkommen – von Irland abgesehen – die niedrigsten der Eurozone und bei niedrigen Arbeitseinkommen (halber Durchschnitt) sogar die niedrigsten überhaupt.
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Realität 3: Das Nettovermögen der Masse der deutschen Haushalte ist niedriger als in jedem anderen Euroland. Nach Daten der Europäischen Zentralbank aus der Befragung von 62 000 Haushalten für 2010 betrug das Medianvermögen, das die obere von der unteren Hälfte der Vermögen teilt, hierzulande 51 400 Euro – halb so viel wie im Durchschnitt der Eurozone und gerade mal ein Viertel von Belgien. Ein spanischer Haushalt kommt danach auf 181 000 Euro.
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Realität 4: Wohneigentum ist in Deutschland wenig verbreitet. Im Euroraum liegen wir mit 44 Prozent Wohneigentums-Haushalten auf dem vorletzten Platz. Der Altersarmut ist damit Tür und Tor geöffnet.
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Realität 5: Gerade in Deutschland ist das Vermögen in den Privathaushalten extrem ungleich verteilt. Damit fällt die große Mehrheit der deutschen Haushalte gegenüber den anderen Euroländern noch weiter zurück. Nach aktuellen Berechnungen des DIW vereinigen 0,1 Prozent der reichsten deutschen Haushalte 14 bis 15 Prozent des Gesamtvermögens auf sich. Den reichsten zehn Prozent der deutschen Haushalte gehören danach sogar 63 bis 74 Prozent des Gesamtvermögens.
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Realität 6: Deutschland liegt bei der Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) seit dem Jahr 2000 beim Vergleich mit anderen Euroländern nur im unteren Mittelfeld. Wie war das noch einmal, Herr Schäuble, Frau Merkel, was predigen Sie ständig? »Deutschland hat am meisten vom Euro profitiert!« Aha. Nachsitzen! Oder, besser noch: Abtreten!
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Das ist leider noch nicht alles. Damit Sie keinen Schaubild-Kollaps bekommen und Ihnen von zu vielen Grafiken nicht schwindlig wird, sei nur darauf hingewiesen, dass
bei den »in Arbeit und trotzdem Armen« (neudeutsch »working poor«), die zusätzlich zum Lohn als »Aufstocker« auf Hartz-4-Leistungen angewiesen sind, Deutschland nur noch von den krisengeschüttelten Ländern Spanien, Italien und Griechenland überboten wird.
entsprechend der Anteil von armutsgefährdeten Arbeitnehmern in Deutschland bei rund acht Prozent liegt (zum Vergleich in Finnland nur bei zwei, in den Niederlanden bei drei Prozent).
als Folge schlechter Arbeitseinkommen die Kinderlosigkeit hierzulande steigt. Bei der Geburtenrate, die die Zahl der Geburten pro Bevölkerung angibt, ist Deutschland seit Jahren Schlusslicht und wurde zuletzt nur noch von Portugal unterboten.
das deutsche Netto-Rentenniveau – ohne Berücksichtigung der weiter reduzierenden Besteuerungseinflüsse des Alterseinkünftegesetzes – von 57,4 Prozent im Jahr 1985 schrittweise bis auf 43 Prozent in 2030 sinkt.
Dafür verantwortlich sind insbesondere »Riestertreppe« (pro Jahr 0,5 prozentige Absenkung der Bemessungsgrundlage für die Rentenanpassung, bis vier Prozent erreicht sind) und Hinterhältigkeiten, die als »Nachhaltigkeitsfaktor« und »Ausgleichsfaktor« bemäntelt werden.
Doch viele Deutsche haben Wahrnehmungsstörungen und/oder glauben der Regierungspropaganda. Sicher haben Sie es auch schon im Freundes- oder Kollegenkreis erduldet, dass Desorientierte das Märchen vom Euro-Profiteur Deutschland nachäffen.
Künftig müssen Sie sich nicht mehr aufregen, brauchen auch kein Nudelholz oder Baseballschläger, sondern halten dem/der Holzwegwandler(in) einfach die obigen Grafiken unter die Nase – worauf gewiss der Rest der Runde die Riechorgane über den Lügenpropagandist rümpft.
Denn es ist eine unglaubliche Chuzpe, was Politganoven sich erdreisten und viele Deutsche sich auch noch gefallen lassen:
Zuerst raubt man uns unter falschen Versprechungen und dreisten Lügen (Wahlplakat der CDU von 1999: »Muß Deutschland für die Schulden anderer Länder aufkommen? Ein ganz klares Nein!«) die D-Mark, dann stürzt unser Wohlstand als Folge der Sch(w)undwährung im europäischen Vergleich total ab, wir werden von »unseren« Politikern zusätzlich verhöhnt, die uns weismachen wollen, Deutschland hätte »vom Euro am meisten profitiert«, damit wir als verarmte Vollidioten auch noch abnicken, unrettbare Pleiteländer und hemmungslos agierende Banken zu »retten«. Wo bleibt Ihr Aufschrei? Oder hat Friedrich Schiller doch recht, als er formulierte:
»Mehrheit ist der Unsinn, Verstand ist stets bei wenigen nur gewesen!« ...?
Falls Sie es vergessen haben oder es Ihnen sogar peinlich sein sollte – es hilft nichts: SIE sind das Volk!