Junge Welt / 16.03.2015
Familienvater des Tages: Wladimir Putin
Die Weltpresse war besorgt. Seit einer geschlagenen Woche kein Wladimir Putin live im Fernsehen. Was war da los, dass der Gottseibeiuns plötzlich nicht einmal medial bei uns war? Er soll Krebs haben – geht es mit ihm zu Ende? Ein Dresdener Arzt soll nach Moskau gereist sein. Zufall? Seriöse Thinktanks gruben in den Archiven. War es nicht so, dass nach dem Tod Stalins die gesamte Führung ins Bolschoi-Ballett ging – ohne den verhassten Geheimdienstchef Lawrenti Berija, der bald schon nicht mehr unter den Lebenden weilte? Ist es wieder soweit? Und wer steht dahinter? Das Militär, die Geheimdienste, die Nationalisten? Haben sie erst Boris Nemzow kaltgestellt und dann Putin umgebracht, oder war es andersherum? Ist das ein Erfolg der Sanktionen oder ihr Fiasko?
Unterdessen schien die Antwort wesentlich banaler. Wladimir Putin sei Vater geworden, hieß es in der westlichen Qualitätspresse, seine Lebensgefährtin habe ihm das dritte Kind geboren. In einer Schweizer Privatklinik, die dem russischen Präsidenten sein italienischer Freund Silvio Berlusconi empfohlen haben soll. Putin, der in seinen Jahresbotschaften regelmäßig und ohne Ergebnis die Mängel im russischen Gesundheitswesen anspricht, muss gewusst haben, warum er eine Geburt in der Heimat der Mutter seines Kindes nicht zumuten wollte. Sicher ist nur soviel: Spekulationen, Putin habe seinem Sprössling qua Geburt das Schweizer Bürgerrecht verschaffen wollen, gehen fehl. Schweizer durch Geburt wird man nur durch Schweizer Eltern.
Künftige Historiker hätten nach all dem die Frage klären müssen, ob der Waffenstillstand von Minsk Mitte Februar nur deshalb zustande kam, weil Putin zum Geburtstermin in Moskau abkömmlich sein wollte. Von wegen Erfolg Merkels. Leider aber betätigte sich der Kreml wieder einmal als Spaß- und Erfolgsbremse: Sein Sprecher erklärte die Kindergeschichte zur Ente. (rl)
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