Das ist einseitig und undifferenziert dargestellt. Man darf die baltischen Völker nicht als ein Einheitliches Ganzes nehmen und davon ausgehen, dass alle Balten gleich denken. Auch innerhalb dieser Staaten gibt es verschiedene Kreise, Gruppierungen und politische Strömungen. 1939 befand sich das gesamte Baltikum in einer Situation der Zersplittertheit. Alleine war das Baltikum nicht überlebensfähig auf der geopolitischen Bühne, also musste man sich einen Bündnispartner suchen. Es gab Kreise, die waren für eine Annäherung mit Deutschland, es gab Kreise, die für eine Annäherung mit der Sowjetunion waren. Und letztendlich haben sich diejenigen Kräfte durchgesetzt, die "pro-sowjetisch" eingestellt waren. Auch die gab es dort. 1939 kamen mehrmals Diplomaten und Politikerdelegationen aus den baltischen Ländern zu Verhandlungen nach Moskau. Denn auf dem Baltikum und vor allem in Lettland gab es damals eine starke antideutsche Elite, die sich davor fürchtete, dass Deutschland das Baltikum in sein Protektorat verwandelt. Deshalb hat man sich für den Vertrag mit der UdSSR entschieden.
Die westliche Geschichtsschreibung stellt es so dar, dass die Sowjetunion den Letten den Vertrag "aufgezwungen" hätte. Das entbehrt jeder Logik. Wenn die Sowjetunion Lettland mit dem Militär bedroht hätte, hätte sich Lettland einfach mit Deutschland verbünden können. Zu dem Zeitpunkt gab es noch keinen deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt (der ja ohnehin nicht das Papier wert war, auf dem er geschrieben stand, wie die Ereignisse später zeigten) und Deutschland hätte da mit Vergnügen mitgemacht. Schließlich lebten da viele Deutschbalten.