Ja, Carl Schmitt ist auch darin involviert. Und nun? Dass er sich als Rechtsphilosoph kompromittiert hat, bedeutet noch lange nicht, dass jeder Gedanke von ihm unbrauchbar ist. Du musst mich auf so etwas nicht hinweisen, denn ich habe als zweites Hauptfach Philosophie studiert. Ich weiß das ...
Servus umananda
Überzeugen ist unfruchtbar.
Walter Benjamin
(1892 - 1940)
Kein Imperativ, sondern Beschreibung der Realität.
1. Die Gedanken sind frei!
Wer kann sie erraten?
Sie fliehen vorbei
wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger erschießen,
es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei!
2. Ich denke, was ich will
und was mich beglücket,
doch alles in der Still
und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren
kann niemand verwehren,
es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei!
3. Und sperrt man mich ein
im finsteren Kerker,
das alles sind rein
vergebliche Werke.
Denn meine Gedanken
zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei:
Die Gedanken sind frei!
4. Drum will ich auf immer
den Sorgen entsagen
und will mich auch nimmer
mit Grillen mehr plagen.
Man kann ja im Herzen
stets lachen und scherzen
und denken dabei:
Die Gedanken sind frei!
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Ich fands nur beachtenswert, weil Sloterdijk damit noch mehr in verbotene gedankliche Kreise gerät.
Ebenso:
"Sloterdijk beschreibt die Flüchtlinge als einen Fremdkörper, der in das ohnehin schon fragile Gebilde des Eigenen eindringt, als Gefahr fürs Kollektive, als Eindringlinge, die gewissermaßen die natürliche Abwehrhaltung kollektiver Gebilde herausfordern."
[x] verdeckte Bezugnahme auf einen "Volkskörper"
[x] und dessen "Selbstreinigung"
Ich vermute mal die meisten kapieren das garnicht, sonst würd er wohl garnichtmehr veröffentlich.
Ich finde Schmitt übrigens toll. Im Grunde hat er schon vor 50 Jahren alles heute relevante gesehen und erklärt, von Terrorismus bis Grossraumspolitik.
Unbeliebt ist er wohl eher weil man ihm nichts konkretes anhängen konnte.
Servus Umanda, schön, dass du hier schreibst. Geht es dir gut?
“Let me tell you about my trouble with girls,” Mr. Hunt told an audience on Monday at the World Conference of Science Journalists in South Korea. “Three things happen when they are in the lab: You fall in love with them, they fall in love with you, and when you criticize them they cry.”
Hin und wieder hab ich so idealistische, romantische Phasen.
Mein Fehler.. aber es dauert normal nur einige Stunden an.
Schlaf schön.
Hier noch etwas mehr Kitsch:
Schiller - An die Freude (Auszug)
Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elisium,
Wir betreten feuertrunken
Himmlische, dein Heiligthum.
Deine Zauber binden wieder,
was der Mode Schwerd getheilt;
Bettler werden Fürstenbrüder,
wo dein sanfter Flügel weilt.
C h o r.
Seid umschlungen Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!
Brüder – überm Sternenzelt
muß ein lieber Vater wohnen.
Wem der große Wurf gelungen,
eines Freundes Freund zu seyn;
wer ein holdes Weib errungen,
mische seinen Jubel ein!
Ja – wer auch nur e i n e Seele
s e i n nennt auf dem Erdenrund!
Und wer’s nie gekonnt, der stehle
weinend sich aus diesem Bund!
C h o r.
Was den großen Ring bewohnet
huldige der Simpathie!
Zu den Sternen leitet sie,
Wo der U n b e k a n n t e tronet.
Freude trinken alle Wesen
an den Brüsten der Natur,
Alle Guten, alle Bösen
folgen ihrer Rosenspur.
Küße gab sie u n s und R e b e n ,
einen Freund, geprüft im Tod.
Wollust ward dem Wurm gegeben,
und der Cherub steht vor Gott.
Dem kann ich sogar fast ganz zustimmen.
Trotzdem erleben wir meiner Meinung nach einen Abstieg, was die Quantität und Qualität selbstständigen Denkens betrifft. Und der dauert auch schon viel länger an als ich lebe; wenn ich z.B. alte Literatur, politische Schriften, Invektive, Zeitungsartikel von vor dem 20. Jhd. mit den heutigen Produkten vergleiche komm ich mir immer mehr wie ein unzivilisierter Wilder vor.
Ich bin natürlich nicht gegen Kampfmittel, im Gegenteil, nur die heutigen "Kampfmittel" lesen sich im Vergleich zu früheren als wären sie für behinderte Kinder geschrieben. Sie "treffen" nicht, sondern wirken wenn dann durch Wiederholung. Zusammenrottungen gleichgesinnter Journalisten, Politiker, Prominenter, die die Öffentlichkeit mit ihren nicht weiter begründeten Privatmeinungen wer aktuell doof oder böse ist belästigen. Teilweise schwierig zu sagen, ob das überhaupt der Überzeugung von Dritten dient, oder der gegenseitigen Versicherung toll zu sein. Mangels eigener fester (weil begründeter) Position sucht man Halt an den anderen und schwankt dann so hin und her, wie eine Gruppe Besoffener (auch ein gutes Bild für die Demokratie allgemein). Dann knallt man gelegentlich gegen fest fixierte Strassenlaternen wie Peter Sloterdijk und verbringt den Rest des Abends damit sich einzureden, dass es nicht wehgetan hätte, die Ausleuchtung nicht den EU-Normen entspräche, usw.
Menschliche Abhängigkeit gab es schon immer; nur früher war es ehrlicher und persönlicher. Wer gegen Abhängigkeit ist, ist ja letztlich auch gegen Liebe, aber die Struktur der Abhängigkeiten kann schon relevant sein.
Ich leih mir mal eine Metapher: Früher waren die Menschen mit festeren Seilen aneinander gebunden, in einem Netz was die eigene Beweglichkeit begrenzt aber eben auch die der anderen, wodurch Sicherheit entsteht. Will man sich weiter bewegen als die Seillänge, kann man zumindest mit der anderen Person sprechen und man weiss wer verantwortlich ist. Heute wandeln die Leute durch so eine Art Gelee kollektiv-demokratischer Natur. Die Widerstände gegen Eigenbewegung gibt es wie vorher, nur dass man nicht mehr weiss warum man nicht weiterkommt. Jeder ist mir jedem verbunden, aber durch winzige-dehnbare Seile (Demokratie-Gelee-Seile); Material für persönliche Seile gibt es weniger und sie reissen auch sehr schnell, aber immerhin wenn man dann stolpert bremst das zähflüssige Gelee auch den Fall und man landet im lauwarmen Sozialmatsch statt auf dem harten Boden. Freiheit bzw. Befreiung bedeutet heute: die sichtbaren persönlichen Bindungen zugunsten der unsichtbareren Kollektiv-Seile zu reduzieren.
Sichtbare Heteronomie wird durch unsichtbare ersetzt. Du bist jetzt vllt unabhängiger, freier von deinem Gatten als die mittelalterliche Ehefrau aber dafür stärker ans Kollektiv gebunden, anhängig von deren Mehrheitsentscheidung statt von deinem Erwählten. Und weil du mehr auf das Wohlwollen der Allgemeinheit angewiesen bist, musst du dich konformer geben.
Die Unabhängigeren standen sicher schon immer weiter vom System entfernt, einsamer und deshalb freier, aber wären sie garnicht damit verbunden würden sie für uns nicht existieren. Ausserhalb des zu Systems stehen ist ein Ideal, aber in der Realität kommt es eigentlich nicht vor, ausser bei Einsiedlern.
Es könnte sein, dass es heute noch genau soviele Freidenker wie früher gibt, die nur eben sehr am Rand stehen und es vorziehen sich zur Zeit nicht zu äussern (die Frage nach der Existenz und dem Verbleib der Aussenseiter beschäftigt ja auch Botho Strauß).
Es kann aber auch gut sein, dass die potentiell Unabhängigen, die ja auch erstmal ins System geboren werden, es aufgrund der Beschaffenheit des Systems nicht oder viel weniger oft schaffen in eine selbstbestimmte Position zu gelangen. Und so kann das politische System dann schon relevant sein. Ein demokratisches System hat vllt gute Gründe dafür die Entstehung von selbstdenkenden Menschen zu verhindern:
Da man nicht mit jedem andrem Bürger reden kann brauchen wir Schule und Massenmedien, damit jeder weiss in welche Richtung er laufen soll/muss. Erlaubt man nun Leuten wie Sloterdijk die Medien zu benutzen kann er vllt. grosse Teile der Bevölkerung überzeugen in die Gegenrichtung zu gehen. Dann reissen irgendwann die dünnen Kollektiv-Seile zw. den Menschen die nun zu weit auseinander gelaufen sind und die demokratische Gelmasse zerfällt in zwei neue Blobs, die sich feindlich gegenüberstehen. Genau das passiert ja grade. Und wenn nicht eine Seite irgendwann nachgibt.. haben wir bald wieder Weimar.
In der Demokratie müssen die Meinungen der Menschen also "gepflegt" werden. Strauss nennt das "politisch-technischer Selbstüberwachungsverein"; übrigens eine Rolle die das Feuilleton (sich selbst leicht überschätzend) als die seine sieht.
Dass es auch in den totalitärsten Systemen immer noch Menschen gab, die im Denken unabhängig waren, zeigt immerhin dass es nicht ganz unterdrückbar ist. Insofern hast du recht was den Extremfall betrifft, aber die Wirkung des politischen Systems ganz zu bestreiten, find ich unrealistisch.
Komisch finde ist, dass du sowohl die aktuelle Wurzellosigkeit der Deutschen kritisiert, aber auch die starke Befassung mit den eigenen Wurzeln in NS-Deutschland.
Israel nimmt sich auch das Recht Leute, die keine biologische Verbindung zum Judentum haben auszuschliessen; ist also ein rassistischer Staat.
Was willst du denn nun?
Wurzeln sind lokal, partikular und persönlich. Wer verwurzelt ist hat eigene, nicht universale Werte, im Widerspruch zu der aus den Menschenrechten folgenden universalen Gleichheit.
Der verwurzelte rettet, wenn er die Wahl hat, sein Kind, seinen Nachbarn, seinen Landsmann, usw. und nicht den Ausländer; damit diskriminiert er den Ausländer.
Er lebt also eine Wertordnung, in der diese Menschen mehr wert sind als der Ausländer.
Verwurzlung und ethische Gleichheit sind Gegensätze (ausser in unreflektierten Bekenntnisformeln).
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Klasse Mann!
Ohne Wahrheit gibt es keine Freiheit.
"Ich glaube, ich bin jetzt in einem Alter, in dem ich Leute von Anfang an doof finden darf. Ich habe ja nicht ewig Zeit."
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