In einen generellen Lobgesang auf die deutsche Justiz will ich nicht einstimmen, denn die genannten Kritiker fallen wegen ihrer Seltenheit positiv auf. In der Gesamtheit ist die deutsche Justiz ziemlich gruselig - aus erster Hand sowohl als Kläger, wie auch als Gerichtssachverständiger. Die Volten zu vieler steuergepamperter Schreibarbeitsvermeider (aka: Richter) lassen jeden Abenteuerspielplatz und jede Achterbahn blass aussehen.
Aber damit genug, zurück zu Gina-Lisa.
Ob die Richterin hier bei den Fakten geblieben ist, weiß ich nicht. Auch ich kenne die Akten nicht und das fragliche Video habe ich nicht gesehen. Sollte es zutreffen, daß die Klägerin hier eine Abwehrhaltung versucht hat - unter Substanzeinfluss vergeblich -, dann wäre das zu würdigen gewesen. KO-Tropfen hatte sie vermutet und so wurde das in den Medien auch kolportiert. Mit Vermutungen gewinnt man keinen strafrechtlichen Prozess, also musste ihr Anwalt verfahrenstaktisch damit argumentieren als wäre es eine Tatsache. Oder er hätte ihr von dem Argument abraten müssen. Das werden die beiden unter sich ausmachen müssen.
Im derzeitigen Verfahren ging es nun längst nicht mehr um eine Vergewaltigung, sondern in der Gegenrichtung um die falsche Verdächtigung. Die Angeklagte war Gina-Lisa. Und der Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten", der aus dem Strafrecht stammt, wäre auch hier anzuwenden gewesen. Wenn ein Sachverständiger die Anwendung von KO-Tropfen mit der im Strafrecht erforderlichen Sicherheit ausschließen will - und in einem Verfahren wegen falscher Verdächtigung geht es um den Ausschluß -, dann lehnt er sich verdammt weit aus dem Fenster.
Natriumoxybat beispielsweise - wäre das Mittel meiner Wahl für so einen Zweck - ist maximal 12 Stunden nach Einnahme nachweisbar, es wird über Zwischenstufen zu CO2 und Wasser und damit völlig unverdächtigen Substanzen abgebaut. Innerhalb dieser 12 Stunden müsste jene Videonacht stattgefunden haben und am Tag danach dürfte es der Frau bei Annahme der Anwendung von Natrriumoxybat entsprechend verkatert gegangen sein (vgl. Erfahrungsberichte von Xyrem-Patienten). Bis sie überhaupt bei der Polizei war und letztlich eine Blut- oder Uringewinnung eingeleitet wurde, war ein Nachweis nicht mehr möglich.
Wir reden hier sehr wahrscheinlich von einem Vollidioten, der als Gerichtssachverständiger bestellt wurde. Das Statement "es gab keine KO-Tropfen" (Formulierung der Richterin) ist in dieser Form nicht möglich. Es waren allenfalls keine solchen nachweisbar, was aber auch genau gar nichts bedeutet.