Zur Kriegsschuldfrage des Zweiten Weltkrieges gibt es mehrere Historikerschulen mit unterschiedlichen Auffassungen.
- die Vertreter der Siegergeschichtsschreibung gemäß des Nürnberger IMT-Prozesses
- die gelernten Ostblockhistoriker , die sich orientieren an
Heinz Bergschicker, Der zweite Weltkrieg Eine Chronik in Bildern
Militärverlag der DDR, Ostberlin, 1963
- die Revisionisten aller Art und Verlage und
- die unabhängigen Nachdenker, wie Schultze-Rhonhoff
Ob er nachfolgenden Aufsatz gelesen hatte?
Zur Entlastungsliteratur
von Studienrat und Geschichtslehrer W. Reitenhart, 1964 (Auszug)
Wenn wir heute vom Kampf gegen die Kriegsschuldlüge hören, so werden die Älteren und die historisch Interessierten unter den Jüngeren sich zuerst an Versailles, an Art. 231 des Versailler Diktates und an den zähen Kampf deutscher und amerikanischer Historiker, aber auch englischer und französischer Wissenschaftler in den zwanziger Jahren gegen die Lüge von dem alleinigen Weltbrandstifter Deutschland erinnern. Der Begriff „Kriegsschuldlüge" ist zu dieser Zeit geprägt worden.
Heute hingegen geht es um die Frage nach der Schuld am Zweiten Weltkrieg. Dabei können wir allerdings deutliche Parallelen zum Ersten Weltkrieg und zur Lage Deutschlands danach feststellen. Der eine grundlegende Unterschied zwischen damals und heute springt uns dann geradezu in die Augen. Übereinstimmung zeigt sich schon in den Ereignissen. 1914 wie 1939 haben wir die fast gleiche Feindkonstellation: die auslösende Macht im Osten und die Kombination England-Frankreich im Westen. In der Person Winston Churchills findet sich sogar noch derselbe Mann eine Generation lang gegen Deutschland tätig. Heute wie damals gibt es den abtrünnigen Bundesgenossen Italien. Übereinstimmung zeigt sich aber auch in der Behandlung des besiegten Gegners durch die Sieger. Heute wie damals ist es das große Volk im Herzen Europas, unser Volk, auf dessen Führung man jedesmal alle Schuld häufte, das man angeblich im Interesse des Weltfriedens für immer niederhalten müsse, ja das man, wie es der Präsident der „American Federation of Peace", Theodore Nathan Kaufmann, im Sommer 1941 forderte, vollständig, bis zum letzten Mann, ausrotten müsse.
Damals ging es angeblich gegen den Kaiser, heute ist Hitler an allem schuld. Beide sind verschwunden, geblieben aber ist das deutsche Volk, gegen das sich in Wirklichkeit der Haß der Gegner richtete. Peter Kleist zitiert (“Auch Du warst dabei”) eine englische Auskunft an ein Mitglied der deutschen Widerstandsbewegung: „Sie müssen sich darüber klar sein, daß dieser Krieg nicht gegen Hitler oder den Nationalsozialismus geht, sondern gegen die Kraft des deutschen Volkes, die man für immer zerschlagen will, gleichgültig ob sie in den Händen Hitlers oder eines Jesuitenpaters liegt."
- Wer mußte die Opfer bringen, in Versailles sowohl wie nach 1945? Wen ließen die Sieger zahlen, nicht nur finanziell, sondern mit Blut und Leben, mit Hab und Gut, mit Geschichte und Heimat? Nicht den Kaiser, nicht Hitler, nicht eine Oberschicht oder eine Militärkaste, wie man wechselweise vorgab, sondern immer das deutsche Volk. Und damit hätten wir schon die erste Antwort auf die Frage: „Warum eigentlich Erforschung der Kriegsursachen? Warum die Suche nach den Urhebern des Zweiten Weltkrieges?" - Alles Unrecht, das man uns angetan hat oder noch antut, Vertreibung und Beraubung, Zerreißung unseres Landes, Wiedergutmachungsforderungen und Diffamierung unseres Volkes, alles wird begründet mit dem Hinweis: Deutschland hat ja den Krieg angefangen. Und so ist es ein Gebot nationaler Selbsterhaltung, sich eingehend mit der Kriegsschuldfrage zu beschäftigen. Das heißt also: Wenn wir Deutschen guten Gewissens der Verstümmelung des Reiches, der imperialistischen Ausbeutung unserer Wirtschaftskraft, der Entmündigung durch einen neuen Kolonialismus im Osten und Westen entgegentreten wollen, müssen wir den ehemaligen Feindmächten die Waffe der angemaßten moralischen Überlegenheit aus der Hand schlagen, indem wir die wahren Schuldigen am Ausbruch des Krieges wissenschaftlich unanfechtbar aufweisen.
Es ist weiter eine Forderung nationaler Würde und Selbstachtung, sich nicht ungeprüft zum Kainsvolk der Welt stempeln zu lassen. Denn welcher beschuldigte Mensch versucht nicht sich zu rechtfertigen? Wieviel mehr noch der zu Unrecht verdächtigte, in seiner Ehre angegriffene! Das gilt nicht minder für ein Volk. Ein Volk, das sich dieser Selbstachtung begibt, sinkt in dumpfes Fellachendasein hinab. So wie ohne Ehre nur ein Mann niederer Gesinnung und stumpfen Geistes zu leben vermag, so kann auch ein Volk das Pariadasein auf die Dauer nur ertragen, wenn es freiwillig Verzicht leistet auf Größe und Adel der Haltung, auf Stolz und tapfere, lautere Gesinnung.
Endlich gibt es einen dritten wichtigen Grund, das heiße Eisen „Kriegsschuld" anzufassen: Die ganz Schlichte Forderung der Geschichtswissenschaft nach historischer Redlichkeit und Wahrhaftigkeit. Leopold von Ranke hat mal den Grundsatz jeder Geschichtswissenschaft formuliert, daß nämlich der Historiker zu fragen habe, wie es denn eigentlich gewesen sei. Damit ist eine eigene Stellungnahme nicht ausgeschlossen, der Geschichtsschreiber kann immer seiner Bewunderung oder seinem Abscheu Ausdruck geben. Darunter aber darf die sachliche Erforschung der Tatsachen nicht leiden, ob diese ihm nun gefallen oder nicht. Zwar läßt sich die Geschichtswissenschaft wohl schon eine Zeit lang zur Untermauerung bereits vorher festgelegter Propagandathesen mißbrauchen, aber auf die Dauer setzt sich gegen alle Täuschung doch das strahlende Licht der Wahrheit durch. Und immer wieder finden sich dann auch die mutigen Bekenner der Wahrheit.
Das also sind in Kürze die drei wichtigsten Gesichtspunkte, die zwingend gerade uns Deutsche zur Beschäftigung mit der Kriegsschuldfrage führen sollten: die Forderungen nationaler Selbsterhaltung, nationaler Selbstachtung und wissenschaftlicher Redlichkeit. Darüber, daß diese drei Punkte lebenswichtig für ein Volk sind, kann es keine Diskussion geben. Umso merkwürdiger berührt es, daß die heutige deutsche Geschichtswissenschaft zur Kriegsschuldfrage vollständig schweigt. Wo sie aber überhaupt Stellung nimmt, setzt sie als selbstverständlich, ohne weitere Begründung, die deutsche Alleinschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs voraus. „Hitler ist an allem schuld!": Dieser These, die monoton, gebetsmühlenhaft wiederholt wird, folgen nicht nur das deutsche Fernsehen, die deutsche Bundesregierung, die großen deutschen Tageszeitungen, die Kirchen und Gewerkschaften, sondern, beschämend genug, auch die sog. Historiker, die in der Öffentlichkeit zu Zeitproblemen Stellung nehmen. Wir erleben hier eine merkwürdige Umkehr der Verhältnisse gegenüber der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Damals gab es eine eindrucksvolle Front gegen die Kriegsschuldlüge, die von links, von der SPD, bis rechts zu den Völkischen, von der Reichsregierung bis zu den Historikern reichte. Selbstverständlich standen auch beide deutsche Reichspräsidenten, Fritz Ebert und Paul von Hindenburg, in dieser Front.
Was mag die Bundesregierung und die selbsternannte „Öffentliche Meinung" nur bewogen haben, das Nürnberger Racheurteil in Bausch und Bogen zu akzeptieren? Es müßte doch zu denken geben, daß die deutschen Historiker zum größten Teil schweigen. Die sich zu Wort melden, sind entweder Ausländer, wie der Schweizer Walther Hofer, Assistenten, d. h. aber Abhängige, wie Gotthard Jasper aus Erlangen, oder Vertreter des Wechselbalges „Politische Wissenschaft", wie Waldemar Besson. Anscheinend sind die deutschen Geschichtsordinarien (mit wenigen Ausnahmen) noch nicht so überzeugt, daß in Nürnberg die Geschichtswissenschaft ihr gerechtes Urteil gesprochen hat. Vielleicht schweigen sie nur, weil es in der Bundesrepublik inopportun ist, eine andere Meinung zu haben als die amtlich genehmigte. Nun, über die Gründe, die zu der jeder normalen Reaktion Hohn sprechenden Haltung der deutschen Öffentlichkeit führen, wollen wir hier nicht rätseln. Es genügt uns die Tatsache, daß noch in unseren Tagen Verleger sich in Deutschland einen Profit ausrechnen, wenn sie das Nürnberger Urteil als Taschenbuch unter die Leute bringen, und daß ein opportunistischer Literat seine hämischen Glossen von 1946 über die „Mächtigen vor Gericht" neu auflegen läßt. (W. E. Süskind, über den Kurt Ziesel in seinem Buch „Das verlorene Gewissen" das Nötige gesagt hat).
Fortsetzung Teil II