Wer gestern den Tatort aus Muenster gesehen hat, wurde nicht nur spannend unterhalten sondern hat sich vielleicht die Frage gestellt wer das Drehbuch zu diesem aktuellen Tatort aus dem Jahr 2024 geschrieben hat. Die undurchsichtige Handlung weckt Neugier und regt zur Ueberlegung an, welche Geheimdienste an welchen ungeklaerten Auftragsmorden der letzten Zeit bis zum Jahr der Deutschen Wiedervereinigung und Zwei-Plus-Vier Vertraege beteiligt waren.

Waren es der BND, STASI, CIA, SWR oder GUR? Im Finale wird dann eine diffuse Schuldzuschreibung vorgenommen und die Exekution der CIA Auftragskillerin mittels einer Mikrowellenwaffe dem Geheimdienst der Russischen Foederation angelastet. Die festgenommen russische Agentin kann fliehen und alle Beweismittel vernichten. Digitale Ermittlungsakten werden ueber eine in der VR China produzierte Stars and Stripes Bettwaesche, eingeschleuste Schadsoftware manipuliert und der Fall geschlossen. Die auf ihrer Flucht in eine Polizeisperre geratene vermeintlich russische Agentin bringt die dann noch mit der einer zur perfekten Tarnung in ihrem Eisverkaeuferwagen installierten Mikrowellenwaffe, ein halbes Dutzende Polizisten um.

Jetzt stellt sich die Frage, war tatsaechlich der russische Geheimdienst und somit Genosse Wladimir Putin Auftraggeber zur Entsorgung der CIA Auftragskillerin oder koennten auch die Genosse Xi Jinping oder Kim Jong un, im Wege einer geheimdienstlichen Amtshilfe unter sozialistischen Bruderlaendern gewesen sein. Die Beantwortung der Frage bleibt
der Film schuldig.

Tatort 2024 - Unter Gärtnern - Wie war der Tatort?

Denn der 45. Tatort mit Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) entführt uns in eine Welt, in der auch der Niedersachsen-Tatort Erntedank e.V. oder der Münchner Tatort Hackl spielt und in dem Herbert "Vattern" Thiel (Claus Dieter Clausnitzer) eine kleine Laube bewohnt: in eine Kleingartenkolonie. Neben gestutzten Hecken und selbst angebautem Bio-Gemüse wachsen dort auch exotische Giftpflanzen – und direkt neben solchen liegt die tote Parzellenbesitzerin Sabine Schmid (Sibylle Canonica, Die Musik stirbt zuletzt), die offenbar vergiftet wurde. Und neben ihr liegen: zwei tote Eichhörnchen. Was hat das zu bedeuten?

Das gilt es, für Thiel und Boerne unter Aufsicht von Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) gemeinsam mit dem Kollegen Mirko Schrader (Björn Meyer) herauszufinden – und das macht in den ersten zwanzig Minuten des Films auch einen Heidenspaß. Der Auftakt von Unter Gärtnern gehört nämlich zum Witzigsten, was man seit vielen Jahren in Münster gesehen hat: Ähnlich wie ihre Kollegen im Frankfurter Tatort Wendehammer oder im Kölner Tatort Nachbarn halten Regisseurin Brigitte Maria Bertele (Rhythm and Love) und Drehbuchautorin Regine Bielefeldt (MagicMom) dem deutschen Spießbürgertum herrlich überzeichnet den Spiegel vor.

Da brüllt der dünnhäutige Familienvater Nicki (Arne Löber) zum Entsetzen seiner Frau Tabea (Iman Tekle) die spielenden Kinder an, wenn die beim Seilspringen zu laut sind. Da wird die mittelschwere Ehekrise des undurchsichtigen Historikers Prof. Ulrich Winer (Hans Uwe Bauer, Borowski und der gute Mensch) und seiner schnippischen Gattin Vera (Almut Zilcher, Schutzmaßnahmen) filetiert. Und da wird nackt am Holzkohlegrill gestanden, wenn Thiel und Schrader unangemeldet im Schrebergarten vorbeischauen und man es sich – so wie der von den "Ökos" gemiedene Intensivgriller Klaus Karger (Tobias van Dieken) – gerade im Adamskostüm gemütlich gemacht hat.

Hätte man sich auch in der Folge auf diesen reizvollen Mikrokosmos beschränkt und zwischen Primeln, Plantschbecken und Palisadenzaun einen Whodunit mit überschaubarem Täterkreis arrangiert – der 1265. Tatort hätte eine feine Krimikomödie mit kleinen Kuriositäten, entlarvenden Beobachtungen und amüsanten Seitenhieben aufs Kleingärtnertum werden können. Zumal die pflanzenkundige Assistentin Silke "Alberich" Haller (Christine Urspruch) ihrem überheblichen Chef in diesem Metier mal etwas voraus hat und ihn sogar dazu verdonnert, den Garten der Ermordeten persönlich umzugraben.

Leider entscheiden sich die Filmemacherinnen für einen anderen Weg – und so verliert der 1265. Tatort mit zunehmender Spieldauer die Bodenhaftung. Er erzählt stattdessen eine krude Story um den Kampf zwischen Geheimdiensten und Terrororganisationen:

Das bietet zwar die Gelegenheit, eine interessante historische Brücke ins Jahr 1990 zu schlagen und das für die Deutsche Einheit wichtige Treffen von Außenminister Hans-Dietrich Genscher und seinem sowjetischen Amtskollegen Eduard Schewardnadse zu thematisieren, wirkt für den Münster-Tatort aber mindestens zwei Nummern zu groß. Und wird angesichts von Eier-Experimenten in der Mikrowelle, einem Eiswagen mit Tötungsfunktion oder unbemerkten Paketbomben im Präsidium ohnehin der Lächerlichkeit preisgegeben.

Immerhin:

...

In Zeiten des Angriffskriegs von Diktator Wladimir Putin auf die Ukraine mit einer fünfstelligen Zahl unschuldiger Toter hätte der erfolgreichsten öffentlich-rechtlichen Krimireihe auch klare Russlandkritik gut zu Gesicht gestanden – stattdessen verlieren sich Boerne und Alberich in Belanglosigkeiten, die dem Zeitgeist nicht im Geringsten gerecht werden. Im Münster-Tatort ist die heile Welt eben oberste Bürgerpflicht – da sind tote Eichhörnchen auf der Trage und zermatschtes Gehirn in der Petrischale offenbar schon das Schlimmste, was man der Zielgruppe auf der Fernsehcouch zumuten mag.


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ARD-Sonntagskrimi Tatort Untern Gärtnern
Der Münster-»Tatort« im Schnellcheck


Paranoia auf die putzige Art: In einer Laubenkolonie mit Ökospießern stoßen Boerne und Thiel auf ein Terrornetzwerk mit Bio-Gütesiegel. Dieser »Tatort«-Ulk kann Spurenreste von Wahrheit enthalten.

Das Szenario:

Kompostieren und konspirieren: In einem Schrebergarten wird die Leiche einer älteren Dame gefunden, die offenbar überall auf der Welt Anschläge begangen hat. Bei ihren Ermittlungen finden Boerne (Jan Josef Liefers) und Thiel (Axel Prahl) unter dem Möhrchenbeet der Toten auch noch die Leiche eines Polizisten, der vor 30 Jahren als »Horst, der rote Bulle« Revolutionärinnenherzen höher schlagen ließ. Beim Wühlen im ökologisch korrekten Kleingartenbetrieb tun sich linke Umtriebe und Agententerror auf.

Der Clou:

Die Laube ist nicht genug. Amüsant, wie hier die Spießerscholle zur Operationsbasis für ein Terrornetzwerk Bond'schen Ausmaßes wird - mit interessanten Parallelen zur Zeitgeschichte und zur unmittelbaren Gegenwart: Eine Spur führt zu den Zwei-plus-vier-Gesprächen, die 1990 bei einem Treffen des damaligen deutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher mit seinem sowjetischen Amtskollegen Eduard Schewardnadse im Rathaus von Münster vorbereitet wurden. Und das Terrornetzwerk mit Gütesiegel in der Gartenlaube erinnert ein bisschen ans Berliner Biotop der gerade aufgeflogenen RAF-Frau Daniela Klette auf .

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Krimi-Vote
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Wurde die deutsche Wiedervereinigung durch eine Auftragsmörderin gerettet? Der Münster-»Tatort« war ein hirnerweichend amüsanter Paranoia-Krimi. Oder sind Sie anderer Meinung?

Brennpunkt Schrebergarten: Boerne (Jan Josef Liefers) und Thiel (Axel Prahl) untersuchten am Sonntag im »Tatort« den Mord an einer älteren Dame, die in ihrer Laube ermordet worden war. Offenbar war die Frau vor ihrem Ableben noch immer überall auf der Welt unterwegs gewesen, um politische Anschläge zu begehen.

Konnte man zuerst vermuten, dass es sich bei der ökologisch vorbildlich agierenden Laubenpieperin um eine Linksterroristin wie die gerade aufgeflogene RAF-Frau Daniela Klette handelte, so entpuppte sie sich später als Auftragsmörderin, zu deren Kunden offenbar auch die CIA gehörte. Im Laufe der Ermittlungen finden Boerne und Thiel sogar heraus, dass die tote Bio-Gärtnerin 1990 bei dem Treffen des damaligen deutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher mit seinem sowjetischen Amtskollegen Eduard Schewardnadse im Rathaus von Münster einen Anschlag auf die Politiker verhinderte. Damals wurden die Zwei-plus-vier-Gespräche vorbereitet, die zur Wiedervereinigung führten.

In unserer Kritik schrieben wir :

»Wahrscheinlich haben die Filmemacherinnen nicht damit gerechnet, dass ihr als zeitloser Terror-Nonsens angelegter ›Tatort‹ in eine aktuelle Nachrichtenlage einschlagen könnte. Aber wie hier in der Öko-Oase gedeihliche Reste bewaffneter linker Gewalt zwischenzeitlich neu zu erblühen scheinen, das erinnert in vielerlei Hinsicht an die jüngst aufgeflogene RAF-Terroristin Daniela Klette und ihr Berliner Biotop. (...) Von der Schrebergarten-Schnurre zum Spionage-Spektakel ist es in diesem hirnerweichend amüsanten ›Tatort‹ ein kurzer Weg.«

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