Diesen schönen Text fand ich bei "Statler und Waldorf":
Vor mindestens einem halben Jahr, wahrscheinlich ist es sogar schon länger her, verkündete Herr Ackermann von der Deutschen Bank das Ziel, eine Eigenkapitalrendite von 25% zu erreichen. Die Tumulte waren groß. Wir alle sind gewohnt, daß man uns auf sichere Geldanlagen allenfalls 5% Zinsen zahlt — da klang der Anspruch auf 25% Rendite aufs eingesetzte Eigenkapital doch arg vermessen.
Natürlich wurde dies schnell für eine politische Kampagne ausgenutzt, immerhin schien es sich hier um ein Paradebeispiel für obszönen Kapitalismus zu handeln, in dem mächtige Großbanken ja bekanntlich stets auf Kosten argloser Kleinanleger und ausgebeuteter Angestellter ihre gigantischen und völlig unverdienten Gewinne erwirtschaften.
Diese Kampagne nimmt erstaunlicherweise immer noch kein Ende. Gestern beispielsweise hatte ich zwölf Flugstunden lang Zeit, mich über einen Artikel von Werner Vontobel in der aktuellen Ausgabe von CICERO zu ärgern. Vontobel firmiert dort als “Wirtschaftspublizist”, das signalisiert Kompetenz und Seriosität. Wer ihn aus der Schweiz kennt, weiß, daß es sich hier eher um einen journalistischen Robin Hood handelt, der sich für den SONNTAGS-BLICK (also die Bild am Sonntag der Schweiz) gerne als Anwalt der kleinen Leute inszeniert. Im CICERO jedenfalls stimmte er nun auch wieder die Litanei an. Eine Eigenkapitalrendite von 25%, das sei obszön, das ginge nur mit Ausbeutung oder schlimmerem und so weiter, und so fort.
Nun saß ich da also im Flugzeug und fragte mich, wie so eine blödsinnige Diskussion eigentlich so lange durch die Medien wabern kann. Wie kommt es, daß von Tagesschau bis Handelsblatt kein Wirtschaftsjournalist in der Lage ist, der Öffentlichkeit zu erklären, was es mit dieser Eigenkapitalrendite auf sich hat? Und so der ganzen Diskussion um Gerechtigkeit und gierige Großkonzerne den Wind aus den Segeln zu nehmen? Denn genau das würde zwangsläufig passieren, wenn man die Sache einfach mal nüchtern betrachten würde.
Schauen wir uns einfach mal drei Unternehmen an. Unternehmen A ist ein solides Familienunternehmen und hat noch nie einen Kredit benötigt, sondern sich immer nur vollständig aus Eigenkapital finanziert. Das eingesetzte Kapital beträgt 1.000.000 Euro. Unternehmen A macht einen Gewinn von 100.000 Euro. Das gesamte eingesetzte Kapital verzinst sich zu völlig unobszönen 10%.
Bei Unternehmen B hingegen ist bereits die windige Erbengeneration am Ruder, die ihre Aktivitäten zum Teil mit Fremdkapital finanziert. Allerdings agiert Unternehmen B auf einem perfekten Kapitalmarkt, auf dem Eigen- und Fremdkapital die gleiche Rendite erzielen. Es setzt 900.000 Euro Fremdkapital ein, die sich mit 10% verzinsen, darauf zahlt Unternehmen B also 90.000 Euro Zinsen. Außerdem setzt es 100.000 Euro Eigenkapital ein. Nach Abzug aller Kosten (zu denen auch die Fremdkapitalzinsen gehören) macht es noch einen Gewinn von 10.000 Euro. Die Eigenkapitalrendite beträgt also ebenfalls 10%. Wenn man es realwirtschaftlich betrachtet ist alles genau so wie in Unternehmen A, das gesamte eingesetzte Kapital verzinst sich zu 10% — nur finanziert sich Unternehmen B eben etwas anders.
Schließlich gibt es noch Unternehmen C. Dieses finanziert sich genauso wie Unternehmen B, aber es agiert nicht auf einem perfekten Kapitalmarkt. Dort, wo C agiert — nennen wir diesen Ort einfach mal “die richtige Welt” — wird Fremdkapital anders verzinst als Eigenkapital. Beispielsweise mit 5% anstelle von 10%. Was passiert also? Unternehmen C zahlt für 900.000 Euro Fremdkapital nur 45.000 Euro Zinsen. Damit sind seine Kosten für das eingesetzte Fremdkapital nur halb so hoch wie die von Unternehmen B, und es macht verglichen mit diesem einen um 45.000 Euro höheren Gewinn. Der Gesamtgewinn von Unternehmen C beträgt damit 55.000 Euro — es erwirtschaftet eine Eigenkapitalrendite von sage und schreibe 55%.
Hat Unternehmen C seine Angestellten ausgebeutet? Ist es eine Sklavengaleere, in der sich der Faktor Kapital hemmungslos bereichert? Nicht ganz: Wenn wir uns das gesamte eingesetzte Kapital anschauen, dann sehen wir sofort, daß auch in Unternehmen C insgesamt 100.000 Euro an den Faktor Kapital fließen, sich das gesamte eingsetzte Kapital in C also ebenso wie in A und B mit 10% verzinst. Dennoch haben A und B eine Eigenkapitalrendite von 10%, C aber eine von 55%. Woran liegt es? Einzig und allein daran, daß Fremdkapital in Unternehmen C geringer verzinst wird als in Unternehmen B.
Als seriöser Wirtschaftsjournalist muß man nun also zwei Dinge wissen. Erstens, daß Banken sich natürlich Fremdkapital relativ preiswert beschaffen können und auch relativ viel davon einsetzen. Zweitens muß man den Begriff “Leverage-Effekt” googeln können. Wenn man beides schafft, schreibt man nicht mehr so einen hanebüchenen, weinerlichen Schwachsinn über allzu mächtiges Kapital und die schlimmen verteilungspolitischen Auswirkungen des globalen Kapitalismus wie Vontobel in CICERO.