Gefährlicher Sexualstraftäter ist frei
Gericht muss notorischen Kinderschänder laufen lassen, weil Juristen vor sieben Jahren Fehler machten Die Staatsanwaltschaft scheiterte mit ihrem Antrag auf nachträgliche Sicherungsverwahrung
Von Tanja Buntrock, Katja Füchsel und Kerstin Gehrke
Manfred L. ist frei – und die Polizei macht sich auf das Schlimmste gefasst. Denn Manfred L. ist ein Sexualstraftäter, und er hat es auf Kinder abgesehen. Fast 25 Jahre saß der notorische Rückfalltäter in Haft, seit 1973 war er neun Mal verurteilt worden. Vor seiner jetzigen Entlassung wollte die Staatsanwaltschaft die Notbremse ziehen und für Haft nach der Haft sorgen. Das Berliner Landgericht aber sah sich gestern aufgrund eines Justizfehlers bei der letzten Verurteilung gezwungen, den Antrag auf nachträgliche Sicherungsverwahrung abzuweisen. „Es fällt uns sehr, sehr schwer, diese Entscheidung zu verkünden“, sagte die Vorsitzende Richterin Gabriele Eschenhagen. Denn der 56-Jährige sei ein „nach wie vor gefährlicher Mann“.
Es war der erste Berliner Prozess um Haft nach der Haft. Im vergangenen Januar hatte die Berliner Staatsanwaltschaft bereits für einen 36-jährigen Sexualstraftäter Jens A. die nachträgliche Sicherheitsverwahrung gefordert, die dann aber schon vor dem Prozess an zwei Gutachten scheiterte. Im Februar kam Jens A. frei, drei Wochen später hatte er sich nach Erkenntnissen der Ermittler in Bernau wieder an zwei Jugendlichen vergriffen. Derzeit wartet Jens A. im Gefängnis in Frankfurt (Oder) auf sein neues Verfahren. Es gilt als wahrscheinlich, dass der 36-Jährige dieses Mal nicht ohne Sicherheitsverwahrung davonkommt.
Manfred L. kam sogar wiederholt mit „einfacher“ Haft davon. „Es ist ihm immer wieder gelungen, die Richter zu überzeugen“, sagte Richterin Eschenhagen. Mitte der 80er Jahre sei dem Angeklagten bereits Sicherungsverwahrung angedroht worden. In den Prozessen aber zog L. dann alle Register, gestand, gab sich reuig und versprach, sich einer chemischen Kastration zu unterziehen.
Im Gefängnis fiel Manfred L. dann schnell wieder in seine alten Gewohnheiten zurück: Er schwänzte Therapiestunden, holte sich nur noch unregelmäßig die Spritzen und setzte das Mittel ab, als er sich in einen Mithäftling verliebt hatte. War L. draußen, suchte er wieder die Nähe zu Jungen, lebte gegen Geld und kleinere Geschenke seine pädophile Neigung aus. Beide Gutachter kamen im jetzigen Verfahren zu dem Schluss, dass weiterhin eine erhebliche Gefahr von L. ausgehe, dass der Mann mit einer „dissozialen Persönlichkeitsstruktur“ ein Hang-Täter sei.
Für eine nachträgliche Sicherheitsverwahrung verlangt der Bundesgerichtshof aber, dass während der Haft „erhebliche“ neue Anhaltspunkte für einen möglichen Rückfall aufgetreten sein müssen.
Doch als der Gelegenheitsarbeiter Manfred L. vor sieben Jahren zum letzten Mal verurteilt worden ist, war hinlänglich bekannt, dass der Angeklagte gefährlich und therapieunwillig ist. Damals hatte sich Manfred L. an 13 Jungen vergangen. Gestern hieß es im Landgericht: Es sei nun einmal nicht möglich, mit einer nachträglichen Sicherungsverwahrung frühere Fehler der Justiz zu korrigieren. [...]
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Über den grob fahrlässigen Umgang mit Sexualstraftätern wurde schon oft diskutiert, aber es gibt immer wieder Situationen, die in mir einfach nur noch Wut und Unverständnis im Zusammenhang mit der Behandlung dieser Triebtäter hervorrufen, wie bei diesem "Beispiel". Wie oft müssen Kinder und Jugendliche noch geschändet und ermordet werden, bis die bestehenden Gesetze endlich mal mit aller Konsequenz durchgesetzt werden? Aber vielleicht ist das in einem Land wie Deutschland, mit bekennenden pädophilen Politikern á La Volker Beck, auch nicht durchsetzbar.