04.08.06
Nazizentrale soll nach Delmenhorst
Rechtsextremist Rieger will großes Hotel kaufen – Bündnis kündigt Proteste an
Von Reimar Paul
Der rechtsextreme Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger will in Niedersachsen erneut eine große Immobilie erwerben. Nach dem »Heisenhof« bei Verden und einem Kino in Hameln steht nun ein Hotel in Delmenhorst auf seiner Einkaufliste. Rieger tritt bei dem Geschäft als Bevollmächtigter der nach einem Bremer Altnazi benannten »Wilhelm Tietjen-Stiftung« auf.
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Nach eigenen Angaben hat Rieger mit dem jetzigen Besitzer des 100 Betten-Hotels bereits eine grundsätzliche Einigung erzielt. Der Kaufvertrag solle in etwa zwei Wochen unterschrieben werden. Den Kaufpreis beziffer der Rechtsextremist mit 3,4 Millionen Euro.
Das »Hotel Am Stadtpark« liegt direkt gegenüber dem Delmenhorster Rathaus. Rieger will es künftig als Veranstaltungs- und Tagungsstätte der rechten Szene nutzen. Auch Bundesparteitage der NPD könnten dort stattfinden. Größere Investitionen in das seit einem Jahr leerstehende Hotel plant Rieger vorerst nicht. »Unsere Klientel kann mit der Einrichtung der 80er Jahre gut leben«, sagt er.
In normalen Hotels kämen rechte Gruppen nur schwer unter, weil der öffentliche Druck auf die Hoteliers zu groß sei. »Wenn man Eigentum hat, braucht man sich nicht mehr darum zu kümmern«, sagte Rieger. Möglichen Demonstrationen in Delmenhorst sehe er gelassen entgegen: »Wir haben unseren eigenen Ordnungsdienst. Der wird damit schon fertig werden.«
Der Kauf des Delmenhorster Hotels ist Riegers zufolge auch deshalb notwendig, weil die Behörden eine Nutzung des Heisenhofs erschwerten. Rieger hatte die ehemalige Bundeswehrliegenschaft vor zwei Jahren gekauft, um dort »Fruchtbarkeitsforschung« zu betreiben und ein rechtes Schulungszentrum aufzubauen. Die Behörden untersagten jedoch das Übernachten auf dem Gelände.
Oberbürgermeister Carsten Schwettmann (CDU) und die übrigen Fraktionen hätten erst durch die Presse »mit großen Erschrecken« von den Kaufplänen Riegers erfahren, sagt der Delmenhorster Stadtsprecher Timo Frers. Die Stadt versuche mit allen politischen Mitteln, ein rechtsextremes Zentrum in der Stadt zu verhindern: »Der Image-Schaden für die Stadt wäre nicht abzusehen.« Ob auf dem rechtlichen Weg ein Verkauf an Riegers Stiftung zu verhindern ist, sei jedoch fraglich. Die Verwaltung prüfe derzeit alle Möglichkeiten. Laut Frers sind die Stadt und der jetzige Besitzer der Immobilie völlig zerstritten. Der Hotelier hatte den Lärm eines von der Stadt zweimal jährlich veranstalteten Jahrmarkts dafür verantwortlich gemacht, dass ihm die Gäste wegblieben.
Derweil formiert sich in der Stadt Widerstand. Delmenhorster Bürger gründeten am Dienstagabend das Bündnis »Keine Nazi-Schule in Delmenhorst«. Zahlreiche linke Gruppierungen von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes bis hin zur Linkspartei und der »Linken Alternative Delmenhorst« seien daran beteiligt, so Bündnissprecher Hartmut Rosch. Das Bündnis plant bereits an diesem Sonnabend eine Mahnwache in der Innenstadt. Weiterhin sollen Unterschriften gesammelt und eine große Demonstration organisiert werden. Vom Stadtrat fordert das Bündnis eine Änderung des Bebauungsplans, die eine Nutzung des Hotels als rechte Kaderschmiede unmöglich mache.
Der rechte Multifunktionär Rieger (59) gilt als einer der großen Drahtzieher im Neonazi-Geflecht. Schon als Jurastudent schloss er sich der rechtsextremen »Aktion Oder-Neiße« und dem »Bund Heimattreuer Jugend« an. Später war Rieger Funktionär der NPD und der Wiking-Jugend. Seit 1972 ist er Vorsitzender der »Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung«, Leiter der »Völkischen Artgemeinschaft« und Herausgeber rechtsextremistischer Zeitschriften.
Als Anwalt vertrat Rieger viele Rechtsextremisten vor Gericht, darunter Thies Christophersen, Michael Kühnen, Horst Mahler und zuletzt den Holocaust-Leugner Ernst Zündel. Rieger selbst wurde mehrfach rechtskräftig verurteilt, unter anderem wegen Körperverletzung, Volksverhetzung und Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole.