Verfassungsschutz

"Jugendliche drohen in die Fänge von Scientology zu geraten"

Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) warnt davor, dass die umstrittene Organisation die Hausaufgabenhilfe in Deutschland unterwandert. Die Sicherheitsbehörden stufen Scientology als „verfassungsfeindlich“ ein.

Bayerns Innenminister Günther Beckstein warnt vor dem Einfluss von Scientology

Nach Erkenntnissen von Philologen- und Lehrerverbänden versucht die Scientology-Organisation zunehmend über Nachhilfe-Unterricht Einfluss auf Schüler und ihre Eltern zu nehmen. Bundesweit gibt es 30 bekannte Institute mit Verbindungen zu der umstrittenen Sekte. Dazu kommen nach Ansicht von Experten weitere 60 bis 80 Tarnorganisationen. Politiker mahnen Eltern deshalb zu mehr Wachsamkeit. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) will Scientology stärker als bisher vom Verfassungsschutz überprüfen lassen.

WELT ONLINE: Herr Beckstein, wie gefährlich ist Scientology?

Günther Beckstein: Scientology ist keine Kirche, sondern es geht der Organisation um Geld und Macht. Scientology täuscht den Menschen vor, daß sie Ihnen helfen werden, aber in Wirklichkeit beuten sie sie dann aus. Deshalb ist es die Aufgabe des Verfassungsschutzes Scientology zu beobachten, über die Organisation zu informieren und die Bevölkerung vor Scientology zu warnen.

WELT ONLINE: Wie wichtig ist die Beobachtung der Scientologen durch den Verfassungsschutz?

Beckstein: Scientology ist eine verfassungsfeindliche Organisation. Scientology ist ein undemokratisches System. Deshalb ist es klar, dass die Organisation vom Verfassungsschutz zu beobachten ist. Es gibt auch entsprechende Vereinbarungen auf der Ebene der Innenministerkonferenz. Ich halte das auch für notwendig, denn es ist wichtig, die Bevölkerung über die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Organisation aufzuklaren.

WELT ONLINE: Warum ist Scientology verfassungsfeindlich?

Beckstein: Scientology strebt eine Gesellschafts- und Rechtsordnung an, in der zentrale Prinzipien unser freiheitlich-demokratischen Grundordnung faktisch außer Kraft gesetzt sind. In einer scientologischen Gesellschaft sollen beispielsweise nur Scientologen Rechte zugestanden werden.

WELT ONLINE: Was steht im aktuellen Halbjahresbericht des bayerischen Verfassungsschutzes zur Scientology-Organisation?

Beckstein: Wir legen dar, dass Scientology weiterhin im Bundesgebiet aktiv ist. Die Zahl der Anhänger stagniert jedoch. Die Aufklärung über Scientology hat hier positive Wirkung gezeigt. Der Bericht stellt auch die Aktivitäten von Scientology im Nachhilfemarkt dar. Wir haben in Bayern etwa zehn Einrichtungen, die die Studiertechnologie von Ron Hubbard verbreiten. Daneben gibt es noch eine ganze Reihe von Einzelpersonen, die Schüler- oder Studentennachhilfe geben, und aus dem Umfeld von Scientology stammen.

WELT ONLINE: Pädagogen warnen vor dem Nachhilfeengagement der Scientologen.


Beckstein: Rechtlich ist ein Verbot dieser Aktivitäten nicht möglich. Auch verfassungsfeindliche Organisationen können sich in Deutschland bewegen. Ich halte es deshalb für notwendig, daß man auf die Aktivitäten von Scientology hinweist. Ich rate dringend davor ab, Kinder zur Nachhilfe in die Hände von Scientologen zu geben. Denn auch Kinder werden hier schon auf die Methoden von Scientology angesprochen und angeworben. Gerade junge Leute sind da natürlich noch sehr viel gefährdeter als Erwachsene. Die große Gefahr besteht darin, dass Jugendliche auf diesem Weg vollständig in die Fänge von Scientology geraten. Deswegen warnen wir nachdrücklich vor Nachhilfeinstituten, die einen Bezug zu Scientology haben.

WELT ONLINE: Gibt es bestimmte Verhaltensregeln für Eltern?

Beckstein: Ich appelliere an Eltern, die ihre Kinder zur Nachhilfe schicken, sich über die Nachhilfeeinrichtung und den Lehrer zu informieren. Eltern sollten fragen, ob jemand nach den Techniken von Ron Hubbard vorgeht. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass diese Frage in der Regel auch wahrheitsgemäß beantwortet wird. Eltern können sich selbstverständlich auch an die Verfassungsschutzbehörden wenn, wenn sie Hilfe brauchen.

WELT ONLINE: Wann wird das Engagement von Scientology strafrechtlich relevant?

Beckstein: Ein möglicher strafrechtlicher Tatbestand wäre der Aspekt „Betrug“, der eintritt, wenn auf Anfrage der Scientology-Bezug bestritten wird, obwohl er besteht. Es könnte auch relevant sein, dass junge Leute hier unter dem Vorwand der Nachhilfe mit Hilfe der Techniken von Scientology in Abhängigkeit von der Organisation gebracht werden. Aber unsere Erfahrungen mit der strafrechtlichen Verfolgung von Scientology zeigen, dass die Organisation es vermag, sich bei bester Rechtskenntnis geschickt irgendwo am Rand der Tatbestände durchzumogeln.

WELT ONLINE: Welche Forderungen ergeben sich aus dieser Situation?

Beckstein: Ich halte es für wichtig, daß Schulen Eltern über Scientology aufklären. Ich halte es außerdem für notwendig, dass sich Eltern genau über die Seriosität eines Nachhilfelehrers informieren. Das ist aus meiner Sicht auch unabhängig von Scientology wichtig, da ein Nachhilfelehrer letztlich großen Einfluss auf seine Schüler hat.

WELT ONLINE: Wie stark ist der gegenwärtige Einfluss der Organisation?

Beckstein: Der Einfluss der Organisation stagniert. Gerade durch die Aktivitäten des Verfassungsschutzes, ist die Öffentlichkeit in einem hohen Maße aufgeklärt und sensibilisiert worden. Aus diesem Grund ist Scientology auch nicht in der Lage, sozusagen klammheimlich Menschen übernehmen zu können. Wer sich zu Scientology begibt, weiß heute in der Regel, auf was er sich einlässt.



Artikel erschienen am Mo, 7. August 2006

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