Was bringt der US-Raketenschild Europa?
Der geplante US-Raketenschild in Mitteleuropa wird zur Gretchenfrage in den Ost-West-Beziehungen zwischen Rußland und den USA bzw. der NATO. Während selbst die Bevölkerungen Polens und Tschechiens mehrheitlich gegen einen solchen "Schutzschild" sind, wird seitens der beteiligten Regierungen emsig an seiner Vollendung gearbeitet. Und was wird er letztendlich bringen?
In Rußland hat sich diese Woche der stellvertretende Luftwaffenchef Ajtetsch Bischew mit klaren Worten zur Effektivität dieses Systems geäußert. Mit dem geplanten System wollen die USA sich die totale Kontrolle über die militärischen Anlagen in Rußland verschaffen. Die Radare, die an russischen Grenzen errichtet werden, sollen die Information über eventuelle Raketenstarts nach Washington liefern. Somit habe das Pentagon genug Zeit, um die notwendigen Vorkehrungen zu treffen. , so die Nachrichtenagentur RIA-Nowosti.
Die Radarreichweite des zu installierenden Abwehrschirms beträgt 4000 Kilometer. Allerdings, so General Bischew, werden die Radare nur schwach geschützt sein, so daß es im E-Fall für die russischen Langstreckenfliegerkräfte ein leichtes sein, diese Radaranlagen in Polen und Tschechien zu zerstören oder mittels funkelektronischer Störsignale außer Gefecht zu setzten.
Da stellt sich neben der politischen auch die militärische Sinnfrage, qui bono?
Derweil ließ der russische Sicherheitsrat verlautbaren, daß „eine Analyse der internationalen Situation beweist, dass die Rolle der militärischen Stärke in der Politik der führenden Staaten der Welt zunimmt. Die neue Fassung der Militärdoktrin soll eine Antwort auf aktuelle Probleme für die Gewährleistung der militärischen Sicherheit der Russischen Föderation geben“.
Eine neue Militärdoktrie, die der neuen sicherheitspolitischen Weltlage Rechnung tragen soll, befindet sich bereits in der Ausarbeitung. „Die Streitkräfte werden nach wie vor als wichtigstes Instrument für die politischen und ökonomischen Interessen von Staaten eingesetzt. Diese Faktoren sollen in der Militärpolitik Russlands in Betracht gezogen werden“, heißt es weiter in der Mitteilung.
Moskau hat noch einmal explizit darauf hingewiesen, daß sich seit dem Jahre 2000 die geopolitische und militärpolitische Situation sowie die Gefahren für die Sicherheit des russischen Staates wesentlich verändert habe. Im nationalen Interesse Rußlands und auch im Interesse des Weltfriedens ist es Rußlands Pflicht, sich der neuen Situation anzupassen.
Das man Rußland dieses Recht gerne verweigern will, wird so deutlich zwar nicht geäußert, aber die Reaktionen des Westens und die ständigen Hinweise auf Nebenkriegsschauplätze ("Gas", "Pressefreiheit", "Demokratie") lassen diesen Schluß zu. Aber Rußlands Machtposition ist zu gefestigt, als daß sich der Kreml von solchen Störmanövern von seinen primären Zielen abbringen läßt.
Da nutzen auch beschwichtigende Worte wenig, wie die des Generalleutnants Henry Obering, Chef des ABM-Ressorts im US-Verteidigungsministerium: "Wir hätten nicht Polen und Tschechien gewählt, hätte unsere Absicht darin bestanden, Russlands Vorteile in diesem Bereich zu neutralisieren. Wir wären dann weiter nach Westen gerückt, um mehr Zeit für Zielbegleitung und Abschussaufgaben zu haben." Wer´s glaubt, wird seelig; wer nicht, kommt auch in den Himmel.
Anscheinend denkt man in Washington tatsächlich, man hat es in Rußland nur mit militärischen Naivlingen zu tun. Aber die Reaktionen des Kremls schließen eine solche Naivität aus. Da hilft auch alles Zetern nichts.
Wie sagte Hölderlin treffend: "Wo aber Gefahr ist, das wächst das Rettende auch."
Quellen: RIA-Nowosti, junge Welt, russland aktuell