Wie aus zwei ehemaligen Todfeinden Freunde wurden
Als die GIs am Omaha Beach aus ihren Landungsbooten springen, feuert Wehrmachtssoldat Severloh auf alles, was sich bewegt. Später sagt er, er sei der Deutsche, der die meisten Feinde erschossen hat. Private Silva wird schwer verwundet, aber überlebt. SPIEGEL TV hat die einstigen Todfeinde bei einem Treffen begleitet.
SPIEGEL TV
Silva, Severloh am Strand von Omaha Beach: "Nie um Vergebung gebeten, aber verziehen"
Seine Position auf dem Scheitelpunkt der Düne ist geradezu ideal. 25 Meter über dem Meer, freies Sicht- und Schussfeld. Hein Severloh ist 20 Jahre alt, als er Hitlers Atlantikwall gegen die Alliierten verteidigen soll. "Ich glaube, ich bin der deutsche Soldat, der am meisten Feinde erschossen hat", sagt Severloh im SPIEGEL TV-Interview. "Von 50 Schuss gingen keine fünf daneben." Mehr als zweitausend Amerikaner tötet oder verwundet der Mann nach eigenen Worten an nur einem Tag: am D-Day an der französischen Atlantikküste zwischen Colleville und Vierville-sur-Mer, besser bekannt als Omaha Beach.
Der Morgen des 6. Juni 1944 war kühl und grau. An diesem Tag werden Tausende US-Soldaten sterben. Die Überlebenden verfluchen den Ort später als "Bloody Omaha".
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Mit seinem MG-42, der so genannten "Hitlersäge", hat sich der junge Gefreite Severloh in seinem Schützenloch oberhalb der Steilküste verschanzt. Unten am Strand kämpft Private David Silva ums Überleben. Der Amerikaner aus Cleveland, Ohio, ist 19 Jahre alt, als er Omaha Beach stürmen soll. Die Maschinengewehrkugeln jagen durch die Holzwände der Landungsboote, töten die seekranken Männer noch in den Schiffen. Der junge Amerikaner wird von drei Kugeln getroffen - trotzdem überlebt er. Severloh weiß nichts von diesem Mann, die feindlichen Soldaten sind für ihn namenlose Ziele. Mehr als 3000 Männer fallen allein an diesem Strandabschnitt.
Erst 16 Jahre später hebt sich der Schleier der Anonymität: Severloh liest in dem Buch "Der längste Tag" einen Augenzeugenbericht von der Landung am Omaha Beach und von einem Maschinengewehr-Schützen, der die US-Soldaten stundenlang unter Feuer genommen hat. Der Augenzeuge ist David Silva, der Schütze, der beschrieben wird, ist Severloh: Wie er in die Masse feuerte - wie eine Maschine, sieben Stunden lang. "Das Maschinengewehr war der Grund für die meisten Verletzten und Toten", erinnert sich Silva. "Die Männer sprangen von der Rampe und wurden sofort erschossen. Ich wurde im Wasser getroffen."
Severloh streckt Mann für Mann nieder. In den letzten Stunden ist er der einzige Deutsche, der noch schießt am Omaha Beach. Die meisten Stellungen sind bis zum Mittag genommen. Die deutschen Verteidiger sind entweder tot, gefangen oder auf der Flucht. Doch der Gefreite Severloh bleibt. Bis um halb vier Uhr. 12.000 Schuss Munition soll ihm ein Offizier in sein Schützenloch getragen haben. Versehen mit dem Befehl durchzuhalten. Nicht eine Sekunde des 6. Juni 1944 hat der Amerikaner vergessen: "Bevor wir landeten - all diese Toten, soweit das Auge reichte. Sie wurden mit der Strömung abgetrieben und mit den Flutwellen wieder angespült. Bei der nächsten Ebbe lagen mehr Leichen am Strand als zuvor."
Am 19. Mai 1963 treffen sich die ehemaligen Todfeinde wieder. Silva lebt seit Ende der fünfziger Jahre in Karlsruhe. Dort ist er stationiert, mittlerweile arbeitet er als Militärpfarrer. Die zwei wurden Freunde, Jahr für Jahr schreiben sich die beiden seitdem Briefe. In der Normandie, genau dort, wo sich ihre Wege vor 60 Jahren das erste Mal kreuzten, begegnen sich die beiden seit langem wieder. SPIEGEL TV hat das Treffen der einstigen Todfeinde und heutigen Freunde begleitet. "Hein hat mich nie um Vergebung gebeten, aber ich habe ihm verziehen", sagt Silva, "das ist wichtig für ihn."
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Das nenne ich Tapferkeit, Durchhaltevermögen und Kampfgeist. Daran sollte man in Deutschland gedenken.