Immer mehr fasziniert mich die Idee des soldatischen Wesens. Mein Großvater, der im 2. Weltkrieg kämpfte, später in der DDR eine Kader-Karriere machte, sagte mir einmal, daß er sein ganzes Leben im Dienste des Staates gestanden hätte. Dieser Satz brannte sich mir ein, bezeichnet er doch eine wesentliche Charaktereigenschaft von Menschen - die des soldatischen Wesens.
Das soldatische Wesen begreift sich als Element einer höheren Einheit und stellt seine individuellen Züge zurück. Es strebt nicht nach einem egoistischen Führungsanspruch sondern steht im Dienste einer Sache, getreu dem Wahlspruch von Friedrich dem II "Ich bin der erste Diener des Staates". Auch ist das soldatische Wesen nicht so zu verstehen, daß es eine Sklavennatur ist, die von einem Despoten dirigiert wird, das mag die orientalische Vorstellung sein, ist aber hier fehl am Platze. Das soldatische Wesen gibt sich meiner Meinung nach freudig auf und hat auch die Züge einer Märtyrernatur, die ihre Ehre vor den Nachlebenden höher achtet als das Hier und Jetzt.
Es ist somit kein "Beamter" als Synonym für einen stupiden Maschinenmenschen, der es sich aus Bequemlichkeit für einen Staat oder Fürsten gemütlich macht sondern das genaue Gegenteil, der Individualist, der sich aus Einsicht in die Notwendigkeit aufgibt.
Was ist hier Einsicht und was Notwendigkeit?
Notwendigkeit ist, sich als Mitglied einer Gemeinschaft zu verstehen, die man sich nicht frei wählen kann, da man biologisch, ethnisch, sozial, kulturell und historisch determiniert ist. Das ist das Fatum des individuellen Schicksals, die Schicksalsgemeinschaft, der man angehört. Einsicht ist, daß man diesem Schicksal nicht zu entfliehen versucht sondern sich als Gestalter begreift.
Der Unterschied zwischen einem Wendehals und einem Soldaten besteht darin, daß der Soldat den Wahlspruch hat "Meine Ehre heisst Treue", der Wendehals den Wahlspruch "Meine Ehre heisst Anpassung", womit auch belegt ist, daß ein Soldat durchaus zu zwei Systemen treu stehen kann, der Wendehals aber nur sein individuelles Wohl als Anpassung begreift.
---