Zitat von
Beverly
Eines vorab: ich selbst lebe mit Unterbrechnungen seit 1983 in Berlin und betrachte die Stadt als meine Heimat. Sowohl im Vergleich mit anderen "Metropolen" als auch der ländlichen Provinz ist die Stadt nicht so schlecht, wie sie gemacht wird. Großstadt-Horror findet man woanders noch viel mehr als in Berlin und die damit assoziierten Verfallserscheinungen machen auch vor dem Land nicht Halt.
Aber Berlin als Hauptstadt zuerst von Preußen, seit 1871 von Deutschland?
Wer immer da das Sagen hatte, scheint mit Vorliebe diese Dinge getan zu haben:
1. Europa und die Welt mit Eroberungskriegen zu überziehen
2. Wenn man zu schwach war, um Kriege vom Zaum zu brechen, im "Konzert der Mächte" wenigstens als herrschende Elite gut dazustehen
3. Das eigene Volk als Kanonenfutter für Krieg und Markt zu verheizen und es nieder zu halten
Es ist nicht einmal sicher, ob nicht viele Berliner und Berlinerinnen insgeheim so denken wie ich: sie betrachten ihre Stadt als ihre Heimat und die, die da Deutschland regieren, mit Misstrauen. Hat nicht letztens der Braunauer zum Finale des Großdeutschen Reiches Berlin in Trümmer falle lassen?
Ich hatte schon in den 1990er Jahren ein ungutes Gefühl, als lovely Rita Sußmuth - damals noch in Bonn regierend - von Berlin als Hauptstadt faselte und sich alle bei der Hauptstadtentscheidung gegenseitig auf die Schultern klopften. "Das wird ein Großdeutsches Reich", sagte ein Bekannter damals. "Das wird nicht gutgehen!", meinte eine Arbeitskollegin. Die Entwicklung hat ihnen Recht gegeben.
Berlin als Hauptstadt ist nach dem Motto "oben hui, unten pfui" und dann kann nur schlimmer werden. Die BRD-Eliten verschanzen sich in ihren Nobel-/Regierungsvierteln und die Menschen, die durch ihr Engagement noch verhindert, dass die Bundehauptstadt zum peinlichen Slum verkommt, bekommen dafür bestenfalls Undank.
Würde eine rechtsextreme Regierung an die Macht kommen, würde sie in Berlin als "Reichshauptstadt" vielleicht kräftig investieren. Aber zugleich würde sie Hunderttausende Berliner rausmobben, weil die aufgrund von Herkunft und / oder Lebensweise nicht in ihr ideologisches Schema passen. Berliner Prolls, die so eine rechtsextreme Regierung anfangs bejubeln mögen, würden von dieser nach der Machtübernahme vermutlich als Zwangsarbeiter zum Ausbau der Reichshauptstadt eigesetzt werden.
Fazit: Berlin als Hauptstadt hat eine düstere Vergangenheit aus Krieg und Unterdrückung und bietet keine rosigen Perspektiven.
Deshalb hier eine Umfrage:
1. Berlin muss Hauptstadt bleiben
2. Bonn soll wieder Hauptstadt werden (schließlich ging es uns mit der Bonner Republik am besten)
3. Frankfurt soll Hauptstadt werden
(mit Bezug auf die Revolution von 1848 und die "Paulskirche")
4. Quedlinburg (wie im Hochmittelalter)
5. Wien soll Hauptstadt werden (nach der Wiedervereinigung mit Österreich)
6. Berlin und Wien sollen sich die Funktionen teilen
7. eine andere Hauptstadt
8. keine Hauptstadt