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von Philipp Kurowski
Die Diskussion mit Muslimen und Islamisten hat letztere zu immer neuen
Wortschöpfungen inspiriert. Begriffe wie "Generalverdacht" und
"Islamophobie" durften wir in unser Wörterbuch eintragen, auch wenn wir bis
heute nicht so genau wissen, was das eigentlich ist. Das beunruhigt uns,
weil gerade uns diese bis ins psychopathologische reichende Diagnose
regelmäßig attestiert wird. Man könnte auch schlicht feststellen: Diese
Neubegriffe werden uns als Wortkeule regelrecht um die Ohren gehauen.
Aber wir sind auch kreativ, und nun schlagen wir zurück. Wir
bescheinigen unseren islamistischen Opponenten �Holocaustneid�. Das klingt ein
bisschen schlüpfrig nach dem Freud'schen Penisneid, und Holocaust ist
ohnehin ein Reizbegriff ersten Ranges. Das ist Absicht. Denn vielleicht
schaffen wir es ja zum Unwort des Jahres damit? Aber bevor wir schon von
zukünftigem Ruhm träumen, müssen wir unser Wortgeschütz erst einmal gut
in Stellung bringen.
Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie gerne speziell Fundi-Islamisten
vom Holocaust reden? Sie können es gar nicht lassen. Es ist eine
beinahe manische Fixiertheit, so dass sich die Vergleiche aus der
Psychoanalyse geradezu aufdrängen. Beispiele gefällig?
Da zeichnen ein paar Dänen ein paar Strichmännchen. Einige von ihnen
stellen den Propheten Mohammed dar. Nach einer nur für Profi-Versteher
verständlichen weltweiten Entrüstung fällt dem iranischen Präsidenten
Achmadinedschad die entscheidende Gegenmaßnahme ein: Man müsse
Holocaustkarikaturen anfertigen. Um die Wette. Das Sujet ist weder neu, noch
originell, und schon gar nicht witzig. Aber es muss sein. Warum?
Da veröffentlicht das Land Baden-Württemberg (wo man nach eigenem
Bekunden nicht einmal des Hochdeutschen mächtig ist) einen
Gesprächsleitfaden zur Einschätzung von Einbürgerungswilligen. Dieser Fragebogen ist ein
ziemlicher Witz, und liefert reichlich Stoff für herrliche Satire. Gar
nicht komisch fand man die Fragen jedoch im muslimischen Internetportal
�Muslim-Markt� und verglich sie prompt mit den �Nürnberger Gesetzen�,
die Ausgrenzung, Internierung und schließlich Vernichtung der Juden in
Deutschland regelten. Ach so?
Den vorläufigen Höhepunkt setzte dann noch eine tiefverschleierte
Demonstrantin in London, die ein Plakat mit folgenden Worten in die Höhe
hob: �Prepare for the real Holocaust�. Das ist in der Tat kaum zu toppen:
vereint es doch in seiner Doppeldeutigkeit gleich mehrere populäre
Aussagen aus dem islamistischen Spektrum in einem Satz: Der Holocaust, wie
er in unseren Geschichtsbüchern steht, ist schon mal nicht real. Ein
Mythos, wie Achmadinedschad zu sagen geruhte. Als zweites: Der wahre
kommt noch. Nun dürfen wir uns aussuchen, ob damit die ebenfalls von Irans
Präsident angekündigte Vernichtung Israels gemeint sein soll,
gewissermaßen als endgültige Endlösung, oder ob mehr das Opferpathos vom
Muslim-Markt intoniert wird, dass der �wahre� Holocaust eigentlich an den
Muslimen begangen wurde oder sicherlich bald wird. Na dann!
Die Liste ließe sich mühelos fortsetzen, und es stellt sich die Frage:
wie kommen die zu so absurden Vergleichen, so ungeheuerlichen Aussagen
und so widerlichen Geschmacklosigkeiten? Es gibt nur eine Antwort:
Holocaustneid. Die Juden, die haben friedlich integriert in Europa gelebt,
sie wurden trotzdem verfolgt und zu Hunderttausenden, ja Millionen
ermordet, dann gründeten sie ihren eigenen Staat im Orient und waren
erfolgreich, sie wurden Freunde Amerikas, schufen demokratische Strukturen
und eine Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur auf Weltniveau. (Über den
Sport reden wir andermal).
Und eigentlich wollen die Islamisten das auch. Sie wollen auch so einen
Staat. Am liebsten auf dem selben Stück Land. Mit den Heiligen Stätten.
Mit Fortschritt in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Weltniveau. Und
sie glauben: So etwas kriegt man nur für einen Holocaust (das ist
historisch gesehen zwar ein gutes Stück neben der Wahrheit, aber es ist ja
Glauben, nicht Wissen). Also wollen sie auch einen. Und sie kriegen ihn
nicht.
Schon gar nicht wenn sie friedlich und integriert in Europa leben. Sie
kriegen ihn ja nicht einmal, wenn sie aufhören friedlich zu sein, und
unsere S-Bahnen und Busse zur Hauptverkehrszeit in die Luft sprengen.
Wenn sie Flugzeuge in Bürotürme steuern und unsere Urlaubsparadiese in
Terrorhöllen verwandeln, wenn sie Literaten bedrohen und Regisseure auf
offener Straße massakrieren. Sie kriegen ihn nicht, und das macht den
Neid nur noch schlimmer.
Und so versucht man sich zu behelfen, es funktioniert wie im
Kindergarten: Sie bestreiten dem Anderen einfach, dass er hat, was sie gern
hätten. Es gab keinen Holocaust. Wenn wir ihn nicht kriegen, sollt ihr ihn
auch nicht haben. Das zweite: Man redet ihn sich ein: Eigentlich haben
wir selber auch schon längst ein bisschen Holocaust. Guck mal, da wird
auf Palästinenser geschossen, nur weil sie einen Armeeposten angreifen,
um dessen Besatzung zu lynchen und die Leichen durch die Straßen zu
schleifen, ist das nicht eigentlich genau so wie weiland im Warschauer
Ghetto? Und Türken müssen sich in Baden-Württemberg fragen lassen, ob sie
ihre Frau schlagen, wenn sie Deutsche werden wollen. Ist das alles
nicht schon ein bisschen Auschwitz?
Wenn das aber alles irgend wie nicht hilft, bleibt nur noch eins.
Vielleicht schaffen es ja die Iraner, vielleicht schaffen sie es mit der
Bombe. Israel, Frankreich, die USA sie alle haben schon gedroht: Sogar die
nukleare Option stehe offen, wenn Iran atomaren Terror startet. Und
wenn man beobachtet, wie beharrlich Kompromissangebote abgelehnt werden,
wie kritiklos der Wahnsinn einer Atombombe in der Hand von Fanatikern
wie Achmadinedschad in muslimischen Kreisen hingenommen wird, dann fragt
man sich langsam doch: wollen sie ihn wirklich? Gibt es ihn
tatsächlich, den Holocaustneid?
Ph.K. ist evangelischer Theologe in Holstein.