Der Bundesmichel übt sich in apolitischer Sentimentalität
Zur politischen Lageerkennung müßte gehören, daß die Nachkriegssituation durch die totale Niederlage, durch die Verstümmelung und Teilung Deutschland bestimmt wurde, an der andere Mächte ein lebhaftes Interesse hatten. Es wäre zu analysieren, ob und in welcher Weise die Lage Deutschlands als politisches Objekt über die staatliche Vereinigung hinaus andauert.
Doch der Bundesmichel übt sich lieber in apolitischer Sentimentalität. Von der Vorgeschichte der Bundesrepublik weiß er nur, daß seine Vorfahren sich mutwillig in ein schwarzes bzw. braunes Loch plumpsen ließen und von dort die Nachbarn mit Unrat bewarfen – was diese am Ende nicht hinderte, ihnen von allen Seiten hilfreich die Hände entgegenzustrecken.
Er will sich den Glauben nicht nehmen lassen, daß sein Land seit 1945 aus Altruismus mit ungeheuren Geschenken bedacht worden ist: mit der Demokratie, der Entnazifizierung, mit Care-Paketen, dem Marshallplan, dem militärischen Schutz durch die Nato. Er ist wahrhaft davon überzeugt, seinen Ehrgeiz daran setzen zu müssen, sich seiner Geschenke würdig zu erweisen, zum Beispiel durch eine menschenrechtlich orientierte Ausländerpolitik oder durch einen Militäreinsatz am Hindukusch.
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