Zitat von
Cicero1
Glaubt ihr tatsächlich, dass unsere Gesellschaft heute empfindlicher gegen Wirtschaftskrisen ist als in den 30er Jahren? Ich bezweifel dies, da die Armut breiter Schichten in den dreißiger Jahren ungleich größer war als heute. Sechs Millionen Arbeitslose 1932 hatten eine andere Dimension als sechs Millionen Unterbeschäftigte heute, denn die Erwerbsquote war insgesamt niedriger als heute. Die Familien waren damals größer - bei einem Ausfall des Alleinverdieners musste die ganze Familie von einer sehr geringen Arbeitslosenunterstützung leben. Der Staat war nicht in der Lage höhere Sozialleistungen zu zahlen, denn neben einer Wirtschaftskrise, die schlimmer war als diejenige heute, lasteten auch noch Reparationszahlungen auf dem Staatshaushalt. Eine neue exzessive Verschuldung um höhere Sozialleistungen zu zahlen, wollte man nach den Erfahrungen der Hyperinflation 1923 nicht erneut. Denn die Folge der Hyperinflation war, dass die Ersparnisse der Bevölkerung vernichtet worden waren.
Ein weiter Unterschied ist, dass öffentliche Suppenküchen damals - anders als heute - ein Massenphänomen waren. Ein Massenphänomen in dem Sinne, dass auch größere Teile der Mittelschicht sich vor Suppenküchen anstellen mussten. Heute hat ein großer Teil der Bevölkerung Ersparnisse in sechs Jahrzehnten aufgebaut, die Sozialleistungen sind (noch) vergleichsweise größer und der Lebensstandard insgesamt höher, was auch an den über sechzig Jahren Frieden liegt. Genau aus diesem Grund gibt es heute auch noch keine politische Radikalisierung größerer Bevölkerungsschichten, auch wenn erste Ansätze zu erkennen sind. Ein weiterer Unterschied ist, dass die Gesellschaft der Weimarer Republik dem politischen System feindlicher gegenüber stand als das heute der Fall ist - bitte nicht von diesem Forum auf die Allgemeinheit schließen. Damit verbunden gab es auch noch das Revanche-Denken nach dem verlorenen Krieg.
Ich behaupte nicht, dass die jetzige Krise nicht noch schlimmer werden kann - noch ist sie es nicht.