[Links nur für registrierte Nutzer]Ihre politische Hochphase liegt Jahre hinter ihr, doch Dr. Rita Süssmuth hat Mittel und Wege gefunden, um sich weiterhin für einen öffentlichen Bewusstseinswandel in Hinblick auf Zuwanderungsfragen stark zu machen. 2006 erschien ihr Sachbuch "Migration und Integration: Testfall für unsere Gesellschaft", aus dem sie im Rahmen des deutsch-türkischen Literaturfestivals "Literatürk" im Glaspavillon am Campus Essen vorlas.
So warf Süssmuth etwa einen analytischen Blick auf die gesellschaftspolitischen Entwicklungen in der Türkei. Das Land sei durch die rasanten Modernisierungsschübe in einem Prozess des Umbruchs und von Spannungen gezeichnet. Die CDU-Politikerin, die in puncto Zuwanderung als Expertin gilt, würde den leidigen Begriff der Integration lieber durch "Miteinander" ersetzen. Nachdrücklich warnt sie vor einer nationalen Arroganz, im Zuge derer die Deutschen sich häufig als "die Zivilisierten" betrachteten. Laut Süssmuth solle man erkennen, dass "wir einander brauchen" und "man die Zuwanderung auch als Gewinn, anstatt als Belastung begreifen kann."
Ferner verwies sie auf die Tatsache, dass Deutschland nicht nur Einwanderungs-, sondern auch Auswanderungsland ist; beispielsweise suchen viele ihr berufliches und privates Glück in Kanada. Deutliche Worte findet sie für die verbreitete Einstellung, dass die Integration gescheitert sei. "Wir verschleudern unser Potenzial!" sagt sie. Kritisch sieht die ehemalige Bundestagspräsidentin auch übertriebene Zertifikatsorientiertheit in Deutschland. "Jemand kann noch so viel studiert haben - wenn er keine Papiere hat, gilt er hier als ungelernt." Nicht zuletzt war ihr Vortrag ein flammendes Plädoyer für Toleranz und mehr Selbstbewusstsein bezüglich der eigenen kulturellen Identität.