Zitat von
Hay
Als ich das erste Mal in der DDR war, kurz nach dem Fall der Mauer und noch nicht vereinigt, da traute ich meinen Augen kaum. Straßen, Autobahnen, über die man nicht schneller als 40 km/Std. fahren konnte, ohne Achsbruch oder ähnliches zu riskieren, Autobahnen, noch aus den Platten aus Hitlers Zeiten, die Platten hatten sich mittlerweile gesenkt und waren kein einziges Mal in dieser langen Zeit asphaltiert worden (Autobahn Gera, Jena....), Ausfahrten aus Kopfsteinpflaster, das sich ebenfalls gesenkt hatte mit abenteuerlichen Schlaglöchern, Verbindungsstraßen, die man kaum befahren konnte, Dorfstraßen teilweise noch nicht einmal asphaltiert (manche Dörfer sahen dafür noch so aus, wie man sie im Mittelalter vermutet hätte, die Gänse, Hühner und Enten liefen über die Dorfstraße, die nur ein Sandweg war....).
Die Städte, ein Graus: Alles völlig verkommen, die Häuser in der Innenstadt grau und baufällig, viele nicht mehr bewohnt. Keine Farbe, keine Läden, und wenn man einen Laden fand, sehr unfreundliche Verkäufer. Leere Schaufenster, dafür überall der Geheimtipp, wo man billig essen könne (womit eher das Saufen gemeint war). Gaststätten, die den Fabriken angegliedert waren mit Bar selbstverständlich (die Bar schien etwas sehr wichtiges zu sein!) mit kleiner Speisekarte und Schummerlicht. Die gab es häufig und das Essen war üpppig und billig und die Getränke sowieso. Ging man in ein echtes Speiserestaurant, mußte man feststellen, daß es höchstens zwei Gerichte gab.
Die alten Städtchen waren völlig verwahrlost. Ein Ausflug hieß, sich zu überlegen, wo man einkehren konnte. Man betrachtete die heruntergekommene Kirche mit den zerschlagenen Fensterscheiben und dem herausgebrochenen Mauerwerk und ging dann zum Marktplatz, auf dem sich genau ein Cafe befand, nicht auf den ersten Blick auch als solches zu erkennen. Eine heruntergekommene Imbißbude würde noch wie Luxus gegen diesen Eindruck stehen. Im Inneren Resopaltische und ein wenig Gebäck, Betonung auf ein wenig.
Auch Jena war völlig heruntergekommen, dafür waren die Zeiss Werke aber überdimensioniert. Man hatte den Eindruck, daß ganz Jena-City aus dieser Fabrik bestand. Ein grauer Platz, wenige Menschen, es war ja Arbeitszeit, dominiert von dem Eingangstor zur Fabrik. In der Fabrik empfing einen die ganze Herzlichkeit der dort arbeitenden Menschen, es mutete fast so an, als ob dieses Werk Heimat für die dortigen Angestellten und Arbeiter war.
Naumburg, Erfurt, und so weiter, alle völlig runtergekommen. Jahre später habe ich mir diese Städte noch einmal angeschaut. Sie waren nicht mehr wiederzuerkennen.
DDR, das war Tristesse und Verfall, und der Verfall war deutlich. Keine Kulisse, in der man sich gerne bewegte.