Jugendliche quälten 12 Jahre altes Mädchen
Unfassbare Szenen spielten sich am 31. Mai des vergangenen Jahres in Wuppertal ab. Gestern wurden die Beteiligten verurteilt. Der Fall bleibt unerklärlich.
Wuppertal. Es ist üblich, dass Fälle vor dem Jugendschöffengericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Besonders bei Sexualstraftaten geht es darum, die Heranwachsenden vor dem offenen Auge und Ohr des Publikums zu schützen: Angeklagte und insbesondere die Opfer. Schutzlos war ein 12 Jahre altes Mädchen in den frühen Morgenstunden des 31. Mai des vergangenen Jahres.
Ihre Peiniger waren zwar ebenfalls jugendlich, aber ein paar Jahre älter. Sechsköpfig war die Schüler-Clique Mädchen und Jungen -, die damals beschloss, ihr Opfer zu quälen. Die Anklageschrift zeigt eine für Schüler kaum vorstellbare Brutalität. Das Opfer wurde erst zu Boden geschlagen und mit Tritten gefügig gemacht.
Eine mit ihrem eigenen Speichel zuvor gefüllte Flasche musste sie austrinken. Dann setzte es wieder Schläge. Das Mädchen wurde so gezwungen sich zu entkleiden, ihre Sachen stopften die Täter in eine Mülltonne. Mit einer Bierflasche sollte das Opfer dann sexuelle Handlungen an sich vornehmen.
Den Peinigern reichte auch das nicht. Laut Anklage zündeten sie der 12-Jährigen die Haare an, drückten Zigaretten auf ihrem Kopf aus. Irgendwann ließen die Täter ab, nahmen dem Mädchen die Wertsachen ab und ließen sie nach Hause gehen.
Kein Wunder, dass die Vorsitzende des Jugendschöffengerichts, Barbara Bittner, für die gestrige Verhandlung des Falls vor dem Jugendschöffengericht die Öffentlichkeit nicht in den Saal ließ. Hinter verschlossenen Türen legten drei der vier Angeklagten weitere Verfahren gegen zwei Mädchen aus Schwelm und Witten wurden abgetrennt ein Geständnis ab. Das war nach Angaben des Gerichts von Reue, Einsicht und zum Teil auch tiefer Scham geprägt.
So kam es zu auf den ersten Blick milde anmutenden Urteilen. Zwei der Angeklagten wurden wegen schwerer Nötigung, Freiheitsberaubung, sexuellen Missbrauch eines Kindes sowie gefährlicher Körperverletzung zu Jugendstrafen von 16 Monaten beziehungsweise zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Sie bekommen einen Bewährungshelfer, müssen an einem sozialen Trainingskurs teilnehmen und 60 Stunden gemeinnützige Arbeit verrichten. Die übrigen zwei werden demnächst in Remscheid einen vierbeziehungsweise zweiwöchigen Dauerarrest absitzen. Auch sie werden Arbeitsstunden ableisten und ihre Sozialfähigkeit in einem Kurs üben.
Es bleiben zahllose Fragen, die auch gestern vor Gericht nicht geklärt werden konnten. Warum diese Gewaltexzesse? Strafverschärfend hat das Gericht die erniedrigende und menschenverachtende Vorgehensweise der Angeklagten gewertet. Das Opfer hätte ihnen keinerlei Veranlassung zur Tat gegeben. Bei den verurteilten Jugendlichen handelt es sich offenbar um Schüler aus "normalen" Verhältnissen.
So wurde der Fall nur öffentlich, weil eines an der Tat beteiligten Mädchen sich seiner Mutter anvertraute. Der Gewissensdruck war offenbar noch vorhanden und irgendwann übermächtig. Dieses Mädchen war es auch, das sich gestern vor Gericht ausdrücklich entschuldigte.
Wie weit der gestrige Prozess erzieherisch auf die verurteilten Jugendlichen wirkt, dürfte auch nicht unwesentlich von den Eltern abhängen. Wie die WZ erfuhr, waren mehrere von ihnen gestern im Saal, hörten mit an, was ihren Kindern vorgeworfen wurde. Die drei Geständnisse jedenfalls hatten einen positiven Effekt.
Dem Opfer vom 31. Mai 2004 blieb damit ein Auftritt als Zeuge vor Gericht und damit vor den damaligen Peinigern erspart. Das Mädchen leidet noch immer unter den Folgen der Tat.